Fußball-Clubs gegen Bild-Zeitung Bild-Aktion: Auch die SpVgg lehnt ab

Von Kerstin Fritzsche

Mittlerweile sind weitere Zweitliga-Vereine dem Beispiel des FC St. Pauli gefolgt und schließen sich der Aktion #BILDnotwelcome an, zuletzt der 1. FC Kaiserslautern am späten Freitagnachmittag. Auch der 1. FC Nürnberg - so halb und mit seltsamer Begründung. Weiterhin kein einziger Erstligist. Dafür lehnt die SpVgg Bayreuth die Aktion ab, ohne je gefragt worden zu sein.

 
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Am kommenden Wochenende soll bei allen Mannschaften auf dem linken Trikotärmel statt des sonst üblichen großen Sponsorenlogos des Versandunternehmens Hermes der Aufdruck der „Bild“-Aktion „Wir helfen - #refugeeswelcome“ zu sehen sein. Klein sind dabei auch die Logos der Zeitung und von Hermes abgebildet.

St. Pauli: "Wir sind selbst schon lange aktiv"

„Der FC St. Pauli steht für eine Willkommenskultur, wir handeln damit auf eine Art und Weise, die unseren Club schon seit Jahrzehnten ausmacht“, erklärte der kaufmännische Geschäftsleiter Andreas Rettig. St. Pauli sei seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu dem Thema aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen, teilte der Zweitligist mit. „Unser Testspiel gegen Borussia Dortmund, das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür“, erklärte Rettig. „Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen.“

Von dem Teilnahmeverzicht habe sein Verein alle Beteiligten vorab informiert. Statt des Logos „Wir helfen - #refugeeswelcome“ will der Tabellendritte am Sonntag im Spiel bei Eintracht Braunschweig das Logo des Bundesliga-Sponsors auf dem linken Trikot-Ärmel tragen. Beim Thema Flüchtlingshilfe will sich der linksalternative Kiez-Club auf eigene Aktionen konzentrieren.

Alle loben St. Pauli

Dafür erhielt der Verein Lob der Fan-Organisation "Unsere Kurve". „Der FC St. Pauli hat richtig reagiert, die Rückmeldungen der Fans bestätigen diesen Schritt“, schrieb Sprecher Robert Pohl auf der Internetseite der Interessengemeinschaft. „Alle anderen 35 Proficlubs sind aufgerufen, sich dem Weg von St. Pauli anzuschließen und der 'Bild'-Zeitung keine Plattform zu bieten, die ihr nicht zusteht.“

So sehen das auch die Fans des Hamburger Zweitligisten. Im Internet verbreiteten sich am Mittwoch superschnell unter dem Hashtag #BILDnotwelcome Hunderte Tweets, viele davon auch direkt gegen "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. Dieser reagierte seinerseits auf Twitter. Und machte auch nebenbei auf ein Problem aufmerksam: St. Pauli bietet seine Shirts aber noch im Shop von "Bild" an. Der Boykott ist also nicht vollständig  - und wird es aufgrund von Verträgen und einer gewissen Wirtschaftlichkeit auch nicht sein können, selbst für einen so eigensinnigen Verein wie St. Pauli nicht.

Union Berlin folgt Donnerstagmittag, danach weitere Zweitligisten

Donnerstagmittag hat der 1. FC Union Berlin mitgeteilt, ebenfalls nicht an der "Biild"-Aktion teilzunehmen. Die Info versteckt sich im letzten Satz einer aktuellen Ankündigung des Vereins auf seiner Webseite, bei der es eigentlich darum geht, die eigenen Fanhaus-Pläne für die Anfang des Jahres erworbene Immobilie in unmittelbarer Stadionnähe vorerst zurückzustellen und dem Land Berlin als Unterbringungsmöglichkeit für geflüchtete Menschen in den Wintermonaten zur Verfügung zu stellen. Es geht um eine Fläche von 1.200 Quadratmetern.

„Berlin ist darauf angewiesen, alle Reserven zu erschließen, um das Unterbringungsproblem zu lösen. Wir haben die Möglichkeit, dazu einen Beitrag zu leisten, indem wir selber verzichten. Natürlich hätten wir unser Fanhaus sehr gerne anlässlich unseres 50. Vereinsgeburtstag im Januar eröffnet, aber wenn wir akute Not lindern können, dann tun wir das selbstverständlich“, erläutert Fanhaus-Leiter Sven Mühle die Zwischennutzung des künftigen Fanhauses.

Begründung des Clubs: Der Umgang von "Bild" mit den anderen Vereinen ist "unangebracht"

Später am Tag folgten die Vereine VfL Bochum und SC Freiburg - und der Club. So halb. Denn laut der Veröffentlichung des 1. FC Nürnberg will der Club zwar schon mit "Refugees welcome"-Badge auflaufen, dabei aber auf die Nennung der Sponsoren "Bild" und Hermes verzichten. Das Management des Clubs äußerte als Begründung nicht Kritik an der "Bild"-Zeitung, im Gegenteil, man begrüße die Aktion. Aber "der 1. FC Nürnberg hält den Umgang mit den Vereinen, die an der freiwilligen Aktion nicht teilnehmen, für unangebracht", und deswegen werde der Club auf eine besondere Promotion des Medienpartners verzichten.

"Der Club hat die Wichtigkeit des Themas 'Migration' bereits mit eigenen Aktionen zum Ausdruck gebracht und wird dies weiterhin tun. Im November 2014 lud der 1. FCN 3.500 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern zum Heimspiel gegen St. Pauli ein und sendete sehr früh ein Zeichen des Willkommens. Der 1. FCN lädt darüber hinaus zu jedem Heimspiel Asylsuchende und Bedürftige ins Grundig-Stadion", ist in einer Erklärung auf der Vereinsseite zu lesen.

Keine politischen Begründungen für Ablehnung der "Bild"-Aktion

Auch die Begründung der Zebras, des MSV Duisburg, ist nicht politisch: "Der MSV hatte bereits vor sechs Wochen seine Planungen zum Heimspiel gegen den FSV Frankfurt (am Sonntag) unter dem Motto „Refugees Welcome“ gestartet und freut sich auf knapp 1.500 Flüchtlinge zu Gast in der Schauinsland-Reisen-Arena. MSV-Hauptsponsor Black Crevice verzichtet auf seinen Sponsoren-Aufdruck; das Team von Trainer Gino Lettieri wird mit dem Schriftzug „Refugees welcome“ spielen. Wir Zebras möchten den Einsatz der Menschen in Duisburg, unserer Fans und des Vereins für Flüchtlinge in den Vordergrund stellen.  Angesichts der tief entbrannten und kontrovers geführten Diskussion um die Aktion „Wir helfen“ befürchten wir einen Schatten über den von uns vorbereiteten Aktionen am Sonntag und in den kommenden Wochen. Das wollen wir vermeiden, deshalb verzichten wir auf das angebotene Aktions-Badge auf dem Trikotärmel", heißt es.

Freitagnachmittag folgte der 1. FC Kaiserslautern. Hier heißt es, auch nicht unbedingt politisch, zur Begründung: "Aufgrund der aktuellen Entwicklungen mussten die Verantwortlichen des FCK feststellen, dass es in dieser Sache inzwischen leider nicht mehr um das Thema Hilfe für Flüchtlinge geht, sondern nur noch um die Haltung der Vereine zu einzelnen Medien. Daher hat sich der 1. FC Kaiserslautern nun entschlossen, nicht wie ursprünglich geplant mit dem entsprechenden Badge, sondern mit dem klassischen Logo des Partners Hermes aufzulaufen. Der FCK reagiert damit auf die Tatsache, dass durch die öffentliche Diskussion die eigentliche Botschaft in den Hintergrund gerückt ist."

Druck von Fans

Im Internet hatte der 1. FC Nürnberg zuvor massiv Druck von seinen Fans bekommen, sich St. Pauli anzuschließen. Mit dem Slogan "Helfen statt heucheln - Däi Glubberer sagn: Schleicht euch, Bild nein dange!" ging eine Grafik vor allem auf Facebook viral und wurde auch mehrfach an die Facebook-Seite des Club gepostet. Bislang nimmt der Verein nicht Stellung dazu. Das Posten geht weiter. "Als Clubfan bin ich stolz auf jede Aktion meines Vereins, die sich für Flüchtlinge einsetzt. Der Verein darf sich jedoch nicht für eine Werbekampagne der Bild-Zeitung einspannen lassen, die wie kaum ein zweites Medium in Deutschland Hass und Ressentiments gegen Ausländer schürt. Als Fan und Mitglied will ich kein Bild-Logo auf dem Trikot des FCN sehen!" schrieb beispielsweise Fan Martin Hirschmann.

Und da der Club ja gerade nicht durch Leistung im Moment glänzt, schrieb jemand unverblümt: "Macht uns wenigstens hier mal diese Woche stolz! Zeigt das ihr Eier habt!" Auch das Bündnis aktiver Club-Mitglieder (BAC) macht sich dafür stark, dass der FC Nürnberg dem Beispiel von St. Pauli und Union Berlin folgt: "Es handelt sich nach Auffassung des BAC dabei lediglich um eine offensichtliche Werbekampagne. Dabei wird das Leid von Menschen ausgenutzt." Geradezu unerträglich sei die Reaktion des "Bild"-Chef-Redakteurs, der dem FC St. Pauli unterstellt, “kein Herz für Flüchtlinge” zu haben, nur weil der Verein die "Bild"-Kampagne nicht unterstützt. "Wer ein Herz für etwas hat und wer nicht, entscheidet nicht die 'Bild'-Zeitung."

Am Freitagnachmittag hat auch die SpVgg Oberfranken Bayreuth die "Bild"-Aktion abgelehnt - und sich gleichzeitig für Flüchtlingshilfe ausgesprochen. Folgende Nachricht wurde am späten Nachmittag über den Twitter-Kanal der Altstadt veröffentlicht:

Weitere kuriose "Bild"-Aktion mit dem FC Bayern München

Derweil berichtet die Berliner taz von einer zweiten, befremdlichen Initiative der "Bild"-Zeitung. In Kooperation mit dem FC Bayern München soll am 10. Oktober ein Fan-Run veranstaltet werden. Mit einer Teilnahmegebühr von rund 30 Euro sollen die Hilfsorganisationen „Ein Herz für Kinder“ und „Wir helfen: #refugeeswelcome“ unterstützt werden. Den Hintergrund zu der Aktion recherchierte Frank Helmschrott und veröffentlichte seine Ergebnisse über ein Storify. Demnach ist die Aktion recht intransparent, es sei weder klar, welcher Anteil der Anmeldegebühr gespendet werden soll, noch wie seriös die Organisationsstrukturen aufgebaut sind. Die FanRun GmbH ist offenbar noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen. In der Startgebühr für den Lauf ist zudem wohl ein "Bild"-Plus-Abo mit Bundesligapaket enthalten.

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