Ist Marco Odermatt ein Fall von künstlicher Intelligenz?
Oliver Polzer, Kommentator beim österreichischen Fernsehen, hat da schon mal einen Verdacht geäußert – und gefragt: „Ist dieser Odermatt überhaupt noch ein Mensch – oder ist das schon künstliche Ski-Intelligenz?“ Weil sich der Ski-Superstar nicht wie einer benimmt, sich dagegen sympathisch, bodenständig und nahbar gibt, ist davon auszugehen, dass der siebenmalige Juniorenweltmeister (2016 und 2018) durchaus menschliche Züge aufweist. Die Suche nach den Geheimnissen hinter den Bestzeiten in Serie muss also anders beendet werden.
„Seine mentale Stärke ist sicher ein wichtiger Punkt“, sagt etwa Fritz Dopfer. Der Vizeweltmeister im Slalom von 2015 beobachtet mittlerweile als TV-Experte des Senders Eurosport den alpinen Ski-Weltcup – und ergänzt: „Marco hat immer diese Gier, diese Besessenheit, der Beste sein zu wollen.“ Aber: Er schaffe es, diesen Ehrgeiz mit dem nötigen Schuss Lockerheit zu vereinen. Das helfe ihm, auch dann an sich zu glauben, wenn etwa die Materialabstimmung mal nicht zu 100 Prozent passt. „Und er ist auch im Umgang mit der Öffentlichkeit authentisch und zugänglich, sucht sogar die Nähe“, sagt Dopfer. So nehme er auch den Rummel um seine Person gelassen, ziehe daraus sogar noch Energie. Und kommt dabei sogar noch unglaublich sympathisch rüber.
Dass ihn all das im Zusammenspiel mit den Erfolgen für Sponsoren hoch attraktiv gemacht hat, ist klar. Und so profitiert Odermatt auch wirtschaftlich reichlich von seiner Überlegenheit. Insgesamt über drei Millionen Euro sollen ihm seine 20 Partner und fünf Ausrüster pro Jahr zahlen. Allein an Preisgeldern des Ski-Weltverbands Fis hat der Schweizer zudem bereits 2,86 Millionen Euro eingefahren. Auch hier spielt er in einer Liga, die nicht viele erreichen.
Der zweite Grund für die Dominanz des Schweizers ist für Fritz Dopfer die Art und Weise, wie Odermatt sein Umfeld geordnet hat. Das Zauberwort: Kontinuität. Trainer, Manager, Servicemann – seit Jahren die gleichen Begleiter. Weiteres Indiz: Im Herbst 2022 hat der 26-Jährige den Vertrag mit seinem Ski-Ausrüster Stöckli um gleich vier Jahre verlängert. Obwohl er mit einem Wechsel nach Vertragsende im Frühjahr 2023 hoch attraktiv für andere Hersteller gewesen wäre.
Peitscheneffekt für einen schnellen Schwung
Das Material vom kleinen, aber exklusiven Schweizer Skibauer bietet Marco Odermatt jedoch alle Möglichkeiten, die er für seinen Stil benötigt. „Er fährt einen härteren Ski als die Konkurrenz“, sagt Fritz Dopfer, der 2020 seine Karriere beendet hat. Dieser Ski sei zwar schwerer zu beherrschen, weil es Odermatt aber hinbekomme, das harte Brett zu biegen, „bekommt er einen extremen Rebound, einen Peitscheeffekt“. Odermatt schaffe es „spielerisch und intuitiv, sein Material zu bändigen“. Zusammen mit einem herausragenden Gefühl für die richtige Linienwahl ergibt das einen extrem schnellen Schwung.
Wobei: Mit einem Schwung ist es ja nicht getan. Allein die Siegesserie im Riesenslalom bedeutet laut Fritz Dopfer, dass Marco Odermatt in rund 1200 Kurven nahezu perfekt unterwegs gewesen ist. „Er fliegt“, sagt der Ex-Skiprofi, „auf seiner eigenen Umlaufbahn, ist in jeder Hinsicht einzigartig“. Und noch lange nicht müde. Auch, wenn es in Aspen mal kurz danach aussah.