Frauen warten Monate auf Termine, Berufsverband sagt, es gibt genügend - was eine Ärztin anzweifelt Frauenarzt-Mangel in Bayreuth?

Von Susanne Will
Ultraschalluntersuchung: Manche Frauen warten monatelang auf einen Termin beim Frauenarzt. Foto: AOK Mediendienst/dpa/tmn+++ +++ Foto: red

Viele Bayreutherinnen klagen, dass sie keinen Termin beim Frauenarzt bekommen – oder erst nach monatelanger Wartezeit. Gibt es einen Gynäkologen-Mangel in Bayreuth? Die Kassenärztliche Vereinigung sagt nein. Doch eine Bayreuther Frauenärztin wirft ein: „Deren Berechnungszahlen sind unzureichend.“

 
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Frauen in Bayreuth reden oft über die Bayreuther Frauenarzt-Versorgung. Und es sind keine guten Geschichten, die dort zu hören sind: Termine gäbe es erst in ein paar Monaten; Pillenrezepte würden „wegen Erholungsbedarfs der Ärztin“ – sagt eine Patientin – erst im nächsten Monat wieder ausgestellt; wer einen neuen Frauenarzt sucht, der finde in Bayreuth erst nach langer Suche einen.

Der Kurier machte eine Stichprobe

Stichprobe: „Susanne Will, guten Tag, ich bin Neu-Bayreutherin und brauche einen neuen Frauenarzt“, so wurden die Telefonate des Kuriers bei zehn Frauenärzten eingeleitet. Von den zehn hatte einer einen Termin noch im Dezember frei, ein anderer im Januar. Der Rest hatte lange Wartezeiten sogar bis in den Juni, oder verwies auf einen Aufnahmestopp. Eine Helferin nahm die Daten auf. Als es zur Frage nach der Versicherung kam (AOK), hieß es, dass leider keine neuen Patienten mehr aufgenommen werden würden: „Beide Ärztinnen sind völlig überlastet. Wenn Sie akut erkrankt sind, müssen Sie sich bitte weiter umschauen.“

90.088 Frauen im Landkreis, 26 Ärzte

Der Gemeinsame Bundesausschuss, bestehend aus Krankenkassen, Ärzten und Patientenvertretern erstellt einen Bedarfsplan für Ärzte, der bemisst das zahlenmäßige Verhältnis von Arzt zu Patienten. „Das ist ein statistisches Schema“, verdeutlicht Birgit Grain. Sie ist die Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Bayern. In der Kreisregion Bayreuth praktizieren 26 Frauenärzte, nicht alle  in Vollzeit. Laut diesem Plan kann sich ein Arzt – je nachdem, ob er einen Landkreis mehr oder weniger stark mitversorgt – um zwischen 3733 und 6042 Patientinnen kümmern. Daraus errechnet die KV bei 90088 Frauen im Kreis Bayreuth per Dreisatz-Rechnung einen Versorgungsgrad von 158,6 Prozent. Etwa 16 Ärzte entsprächen 100 Prozent.

Der Vergleich zu anderen Kreisregionen in Oberfranken: Bamberg 122,9 Prozent, Coburg 122,5, Hof 135,7, Forchheim 112,2, Kronach 89,6, Kulmbach 83,3, Lichtenfels 116,9 und Wunsiedel 134,6 Prozent.

"Der Bedarfsplan hat Schwächen"

„158,6 Prozent sind eine sehr gute Versorgung. Und sie ist rein statistisch“, sagt Brigit Grain und schränkt ein, dass es auch dabei „noch Engpässe geben kann“. „Der Bedarfsplan hat auch Schwächen, er sollte reformiert werden, um die tatsächliche Behandlungsbreite zu erfassen.“ Die Schwächen, die Birgit Grain sieht: „Der tatsächliche Handlungsbedarf wird nicht widergespiegelt: Die Bevölkerung wird immer älter – und auch die Ärzte werden immer älter. Wir wünschen uns mehr Ärzte, um die Folgen der Demografie abzufangen.“ Jedoch: Wenn mehr als 110 Prozent Versorgungsgrad erreicht sind, darf sich kein neuer Arzt mehr ansiedeln. Die Bedarfsplanung wurde 1993 eingeführt, um einer Ärzteschwemme vorzubeugen. Der Status Quo von damals in Gebieten mit 110 Prozent wurde beibehalten.

Terminservice-Stelle hilft

Sie rät Frauen, die nicht monatelang auf einen Facharzttermin warten wollen, den Terminservice in Anspruch zu nehmen. „Bei der Terminservice-Stelle wird ihnen innerhalb von vier Wochen ein Termin bei einem Frauenarzt zugewiesen.“ Wünsche nach einem bestimmten Arzt kann man dann nicht stellen.

Dr. Ulrich Megerle ist Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Bayreuth und Frauenarzt in Bayreuth. „Zu wenig Frauenärzte in Bayreuth? Das kann ich so nicht feststellen. Aber das Problem ist: Dem Patienten – und dem Wähler – wird vorgegaukelt, dass er die beste Medizin der Welt bekommt.“ Nur: Wer einen Blick ins Sozialgesetzbuch werfe, könnte nachlesen: „Patienten müssen ausrechend zweckmäßig, das Maß des Notwendigen nicht überschreitend und wirtschaftlich behandelt werden“, zitiert Megerle. „Damit kann kein Patient davon ausgehen, innerhalb kürzester Zeit in diesem System einen Termin zu bekommen.“

Zahlen "sind unzureichend"

Uta Kerber ist Frauenärztin in Bayreuth. „Die Berechnungszahlen der KV sind unzureichend.“ Sie würden schon deshalb hinken, weil sich viele Frauen nur von Ärztinnen behandeln lassen würden. Das heißt: Praxen der Frauenärztinnen sind besser frequentiert. Sie berichtet von fünf Kollegen, die in jüngster Zeit ihre Praxen geschlossen hätten und teilweise in Rente gegangen sind – Nachfolger gab es keine. „Ich verstehe junge Kollegen gut, die in Kliniken arbeiten, statt eine eigene Praxis aufzumachen: Sie verdienen das gleiche und haben zum Beispiel eine Absicherung im Krankheitsfall.“

Ärzte lehnen neue Patienten ab

Uta Kerber: „Die hohe Patientenzahl pro Arzt, die die KV annimmt, stimmt. Sie macht mir aber meinen Alltag immer schwerer.“ Uta Kerber kann keine neuen Patientinnen mehr annehmen, auch wenn ihre Helferinnen nun große Not hätten, denen genau das zu erklären. „Selbst wenn sich nur noch die Masse lohnen würde, mache ich das nicht. Denn ich fühle mich meinen Patientinnen verpflichtet. Ich möchte Zeit für sie haben, egal, ob gesetzlich oder privat versichert.“

Geringe Vergütung von den Krankenkassen

Sehr gerne würde sie ihren Patientinnen jedesmal die Vergütung zeigen, die sie von den Krankenkassen für ihren Einsatz  erhält. „Ein Beispiel: Ich habe eine Patientin, über 60 Jahre alt. Ich behandle sie, rede mit ihr – dafür bekomme ich 15,34 Euro, für einen Krebsabstrich 18 Euro. Wenn ich aber der Meinung bin, der Abstrich muss mehrmals im Jahr wiederholt werden, erhalte ich dafür keinen Cent.“ Das empfindet sie als respektlos. „Ich fahre Ford, keinen Porsche und das bleibt auch so. Ich will, dass meine gesetzlichen Patienten für ihre anständigen Beitrage auch anständig behandelt werden – und ich will dafür auch anständig bezahlt werden.“

 

 

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