Fränkische-Schweiz-Museum in Tüchersfeld zeigt Sonderausstellung zum Zweiten Weltkrieg Ein Platz für den KZ-Anzug von Oswald Merz

Von Michael Weiser
Von Mistelbach nach Tüchersfeld: Anette Kramme und Walter Engelhardt präsentieren den gestreiften Häftlingsanzug des SPD-Politikers Oswald Merz. Der Anzug soll ab Juni in einer Sonderausstellung im Fränkische-Schweiz-Museum gezeigt werden. Foto: Habach Foto: red

In Bayreuth war es nicht möglich, ihn würdig auszustellen, nun springt das Fränkische-Schweiz-Museum in Tüchersfeld in die Bresche: Den KZ-Anzug des Bayreuther SPD-Politikers Oswald Merz (1889 bis 1946) präsentiert das Haus in seiner Sonderausstellung zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Merz, Intimfeind des Gauleiters Hans Schemm, hatte den Anzug während seiner mehrjährigen Haft in verschiedenen KZs getragen.

 
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Walter Engelhardt ist zufrieden. Dass das Museum in Tüchesfeld den Anzug ausstellt, sei ein "erster Schritt" zu dem Ziel, das er als große Aufgabe in Bayreuth und Umgebung ansieht: an die Menschen erinnern, die sich nicht in die Kolonne der Nazis einreihten, die quer dachten oder gar Widerstand leisteten.

Engelhardt (75), der von 1978 bis 1998 für die SPD im Landtag saß, hatte den Anzug von Oswald Merz Tochter Hilde überreicht bekommen. Und seitdem nach einem Ort gesucht, an dem der Anzug des Lehrers und Politikers in angemessener Umgebung gezeigt werden könnte. Weder mit der Leuschner-Gedenkstätte noch mit dem Historischen Museum war Engelhardt übereingekommen. Im Historischen Museum hatte man den Anzug zwar als "hochinteressantes Stück" bezeichnet, aber auf den Mangel an Platz verwiesen.

Engelhardt wünscht sich Aufklärung über ein wichtiges Kapitel Bayreuther Geschichte: "Es wäre an der Zeit, dass die Widersacher der Nazis in Bayreuth aus der Versenkung geholt werden, bevor sie gänzlich in Vergessenheit geraten."

Amerikanische Befreier

Oswald Merz Anzug ist ein stummer und doch beredter Zeuge schlimmer Zeiten. Das Rot des Winkels, das den ehemaligen Studienrat, Chorleiter und Reichsbanner-Funktionär  als „Politischen“ auswies, ist verwaschen zu einem hellen Orange. Darüber ist auf einem Stoffstreifen die Zahl 414 zu lesen, die Nummer, die Oswald Merz nach Unterlagen aus Dachau seit 1940 trug.

Merz war 1933 ein erstes Mal inhaftiert worden. Verhaftet hatte ihn Gauleiter Hans Schemm persönlich. 1937 wurde Merz erneut in Bayreuth verhaftet. Ihm und weiteren Genossen wurde vorgeworfen, im Untergrund das SPD-Netzwerk zu bewahren - ein Verbrechen in der NS-Diktatur. Nach der Haft wurde Merz im KZ Dachau gefangengehalten. Den Anzug besaß er noch, als die Amerikaner im April 1945 das Lager befreiten.

Der Pädagoge Merz genoss einen ausgezeichneten Ruf, wurde noch 1945 ans Kultusministerium berufen und bald danach zum Oberstudiendirektor und Leiter der Lehrerbildungsanstalt in Bayreuth ernannt. Doch konnte er sein Amt nicht mehr antreten: Durch jahrelange Gefängnis- und KZ-Haft geschwächt, starb er 1946 in Augsburg.

"Echt berührt"

SPD-Staatssekretärin Anette Kramme, seinerzeit von Engelhardt ins Boot geholt, hob die Bedeutung des Relikts hervor. „Mich hat das echt berührt“, sagte sie. „Wenn man etwas liest, aber keinen Bezug dazu hat, dann ist das eine Sache. Etwas anderes ist es, wenn man ein Erinnerungsstück an jemanden überreicht bekommt, der gelitten hat.“  Ähnlich sieht das übrigens Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Er hält den Anzug für ein "berührendes und sehr interessantes Stück" auch für seine Einrichtung.

Vorerst aber bleibt der Anzug für einige Monate in Tüchersfeld. Reiner Hofmann, Leiter des Fränkische-Schweiz-Museums, will in seiner Ausstellung "Fürchten, Bangen, Hoffen" ab 19. Juni über das Ende des Zweiten Weltkriegs in der Fränkischen Schweiz informieren. Eine Gegend, die auch wegen ihrer idyllischen Angelegenheit zum Kreuzungspunkt vieler und vielfältiger Schicksale wurde. Nazi-Bonzen suchten in der Verborgenheit der Täler ebenso Zuflucht wie Evakuierte aus dem Saarland und Schulklassen aus Hamburg. Zwangsarbeiter mussten dort schuften, ebenso wie die Häftlinge im Flossenbürger Außenlager Pottenstein.

Hofmann will  "Geschichte nicht von oben, sondern von unten her erzählen, am Beispiel einzelner Menschen". Den Anzug von Merz bezeichnet er daher als "besonders wertvolles Objekt". Walter Engelhardt wiederum kann sich vorstellen, sogar noch weitere Stücke für die Sonderausstellung zur Verfügung zu stellen. In Mistelbach werde schließlich noch die metallene Spitze einer SPD-Fahne aufbewahrt, die vor der Vernichtung durch die Nazis bewahrt wurde, ebenso wie ein echtes Reichsbanner mit den drei markanten Pfeilen. "Das Museum in Tüchersfeld leistet schließlich hervorragende Arbeit", sagt Engelhardt. "Besonders schön ist, dass so viele Schulklassen dorthin kommen - das ist schließlich die Zukunft des Museums."

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