Filme aus der Nazizeit über Bayreuth

Norbert Aas präsentiert neu aufgetauchte Filme über Bayreuth aus der Nazizeit. Archivfoto: Peter Kolb Foto: red

Eine kleine Sensation: Der Historiker Norbert Aas zeigt am Dienstag, 23. Januar (19.30 Uhr im Seminarraum des Bildungswerkes im Hof, Richard-Wagner-Str. 24), auf Einladung des Evangelischen Bildungswerks und des Historischen Vereins für Oberfranken bislang unbekannte Filmdokumente aus dem Bayreuth der NS-Zeit. Stücke eines Propagandafilms, Szenen eines inszenierten Triumphs, der nichtsdestotrotz Aufschlüsse bietet – etwa darüber, wie Bayreuths Gauleiter Hans Schemm mit Charme und Chic seine brutalen Abgründe verbarg. Über Inszenierung, fatale Faszination und das wahre Wesen von Hans Schemm sprachen wir mit Norbert Aas.

 
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Woher stammen die Aufnahmen, die Sie am Dienstag präsentieren wollen?

Norbert Aas: Uwe Hoffmann, der die Landesbildstelle Nordbayern als letzter Leiter auflöste, hatte sie von der Witwe eines ehemaligen Mitarbeiters bekommen, sichtete sie irgendwann und gab sie an uns weiter. Es handelt sich um eine Reihe von Filmdokumenten, die Karl Seibold, ein begeisterter Filmemacher und erster Leiter der Landesbildstelle Nordbayern, in seinem Privatbesitz hatte. Wie er dazu kam, ob er sie gar selber gedreht hat, wissen wir nicht. Sie sind offensichtlich zusammengestückelt, möglicherweise aus den Resten anderer Filme, die nach dem Schneiden für einen Propagandafilm übrig geblieben waren. Aber das ist nur eine These.

Es geht in einem Film um die Erfolgsgeschichte der NS-Bewegung, in einem anderen Streifen um ein Lehrersportfest…

Aas: …diese Aufnahmen sind geradezu drollig.

…und um die Umbauarbeiten am sogenannten Braunen Haus gleich vor dem Gebäude, in dem sich lange Zeit die Markgrafenbuchhandlung befand.

Aas: Die Aufnahmen aus der Frühzeit, aus der „Kampfzeit“, wie man damals sagte, sind Aufnahmen von Parteiveranstaltungen in mehreren Städten, in Regensburg beispielsweise, oder auch in Magdeburg und Kulmbach. Dieses Lehrersportfest wiederum ist eine Veranstaltung der Angestellten des Nationalsozialistischen Lehrerbundes NSLB in Bayreuth. Die marschieren vom „Haus der deutschen Erziehung“ am Luitpoldplatz, über den Graben und dann den Hindenburgdamm auf den Sportplatz, der sich dort befand, wo heute die Parkplätze für den Herzogkeller sind – eher drollig, wie gesagt. Die Arbeiten am „Braunen Haus“ wurden offenbar in der Endphase der Renovierung gefilmt. Das „Braune Haus“ befand sich in arisierten Anwesen am Sternplatz, die umgebaut wurden. Auch die Fassade wurde neu gestaltet, ein Reichsadler daran befestigt.

Jüngst sind Filmausschnitte aus Bayreuth aufgetaucht, die Adolf Hitler beim Sommerurlaub bei der Familie Wagner zeigen. Sie belegen, wie eng, wie innig die Verbindung der Wagners zum Diktator war. Worin liegt der Wert der neu aufgetauchten Filmausschnitte, die Sie am Dienstag präsentieren werden?

Aas: Es sind zu weiten Teilen Aufnahmen aus dem Alltag. Man sieht gar nicht so viel Prominenz, mit Ausnahme von Hans Schemm (dem NS-Gauleiter des Gaus Bayerische Ostmark, Anm. der Red.) natürlich, der ist immer wieder zu sehen. Bei dem Sportfest vor allem ist es einfach die Gefolgschaft, und zwar im Alltagsleben.

In einem idealisierten Alltagsleben. Wir sehen da schließlich Propagandafilme.

Aas: Natürlich. Das darf man nicht vergessen. Es ist die Schokoladenseite dargestellt. Das werden wir auch berücksichtigen. Als wir zur Präsentation der Filme einluden, konnten wir erstaunlich intensive Reaktionen der Leute feststellen. Die Leute sagen, ach, das müssen wir uns anschauen. Ich denke, das hat schon etwas damit zu tun, dass es Filme aus dem „Dritten Reich“ sind. Uns geht es aber nicht um Faszination. Unsere Hoffnung ist vor allem, dass uns Leute noch weiterhelfen können, mit der Identifizierung von Leuten, die in den Filmdokumenten zu sehen sind.

Ja, Filme aus dem „Dritten Reich“ finden immer noch ein großes, sehr interessiertes Publikum. Wie kann man es anstellen, dass einen diese tatsächlich mitunter beeindruckende Bildsprache nicht überwältigt?

Aas: Es gibt tatsächlich faszinierende Filme aus dieser Zeit. Mir ging es so bei diesen Riefenstahl-Filmen, als ich 15, 16 war. Da habe ich mich der Faszination nicht entziehen können. Mein Großvater hat mir dann allerdings erzählt, dass er da auch dabei gewesen sei. Und er erinnerte sich mit Schaudern daran, dass er stundenlang immer irgendwo habe rumstehen und warten müssen. Und wenn dann der „Führer“ auftrat, dann war’s auch bei mir mit der Gänsehaut vorbei. Alles war auf diesem Mann konzentriert, die Massen reagierten stark auf ihn, ich habe diese Faszination verstehen können – aber in diesem Moment war für mich die Faszination vorbei.

Sie sind ein Historiker, der sich viel mit dieser Zeit beschäftigt hat – Voraussetzungen, die nicht jeder im Publikum haben wird.

Aas: Auf Überwältigung war vor allem der Film über die „Kampfzeit“ ausgelegt. Aber ich weiß doch, was dann passiert ist, wir wissen, wozu man diese Dinger gedreht hat. Da kann sich keine Faszination mehr entwickeln. Ich werde natürlich bei dem Film über den Umzug ins „Braune Haus“ auch darüber berichten, wie die Gebäude dafür arisiert wurden, wie man sie ihren Besitzern abgepresst hat. Wenn man die Bilder dieser Veranstaltungen sieht, bei denen begeisterte Leute die Straßen säumen, dann sieht man, dass Hans Schemm sehr beliebt war. Man sieht aber auch, wie rigide der Griff des Regimes auf die Bevölkerung war, mit der Gleichschaltung, erst recht mit der Anzettelung des Krieges. Da war es dann aber auch mit der Begeisterung vorbei.

Bayreuth spielte in der Frühzeit der NSDAP eine besondere Rolle, nicht nur als einer der Orte, in denen die Nazis früh größere Erfolge einfuhren als in den meisten anderen Städten…

Aas: Richtig!

…sondern auch als Heimat eines der so genannten „Apostel“ Hitlers, des Gauleiters Schemm. Wie oft ist Hans Schemm in diesen Aufnahmen zu sehen?

Aas: In dem Film von der Frühzeit taucht er laufend auf, in einem der beiden anderen nur völlig unmotiviert, im dritten Film gar nicht. Aber im frühesten Film ist er der Hauptdarsteller, in Passagen, in denen er redet, in denen er Vorbeimärsche abnimmt, in denen er sich im offenen Mercedes stehend von der Menge verabschiedet. Es wird aber nicht klar, dass er ein Hetzer übelster Sorte war:Es gibt keinen Ton zu diesen Filmen.

Der „schöne Hanni“, wie man in Bayreuth noch geraume Zeit nach dem Krieg sagte.

Aas: Der „schöne Hanni“ ist zwar nicht zu hören, aber in dem einen Film immer wieder als Einzelperson gegenüber der Masse zu sehen. Man kann feststellen, wie er sich immer sehr geschickt von den anderen Uniformierten absetze. Er war salopp uniformiert, trug meistens keine Mütze, hielt die Daumen locker in den Gürtel gesteckt – richtig schick. Er sprach wahrscheinlich auch anderes als die meisten NS-Funktionäre. Und er unternahm einen geschickten weltanschaulichen Schachzug: Er versuchte, protestantische Theologie mit dem Nationalsozialismus zu verbinden – auf eine krude, geradezu absurde Art. So ließ er zum Ende von Veranstaltungen hin oft „Ein feste Burg ist unser Gott“ singen.

Geschickt war er, konnte sich offenbar blendend darstellen. Er war Kultusminister, Gauleiter eines starken Gaus, ein hohes NS-Tier, und blieb vielen Menschen dennoch als „guter Nazi“ in Erinnerung. Wie war er wirklich?

Aas: Er konnte auch die Sau rauslassen. Auch seine Gegner in der Partei räumte er ziemlich hemdsärmelig aus dem Weg. Er war ein Populist, verhielt sich sehr volksnah. Aber gegen seine politischen Gegner ging er mit aller Rücksichtslosigkeit vor. Die verhaftete er bald nach der sogenannten Machtergreifung teilweise persönlich, obwohl Polizeiaufgaben überhaupt nicht zu seinem Job gehörten. Den Rektor seiner ehemaligen Schule, der ihn einst immer wieder an seine Dienstpflichten gemahnt hatte, ließ er sogleich absetzen. Er war sehr nachtragend. Er gab eine Kampfzeitschrift heraus, die übelst antisemitisch war und gegen Bolschewisten mobil machte, wobei für ihn schon linke Sozialdemokraten Bolschewisten waren. Er starb schon 1935 beim Absturz seines Flugzeugs. Und so enthüllte sich sein wahrer Charakter auch den Parteigenossen nicht mehr, anders als bei seinem Nachfolger Fritz Wächtler. Wächtler war ein Wüstling, gegen den Schemm später geradezu als positives Gegenbeispiel wahrgenommen wurde. Aber auch Schemm hätte – spätestens im Krieg – innerparteilich Härte zeigen müssen.

Das Gespräch führte Michael Weiser.

Info: Norbert Aas zeigt die Filme auf Einladung des Evangelischen Bildungswerks und des Historischen Vereins für Oberfranken am Dienstag, 23. Januar, um 19.30 Uhr im Seminarraum des Bildungswerkes im Hof, Richard-Wagner-Str. 24. Am Montag 29. Januar, liest die Historikerin Andrea von Treuenfeld aus ihrem Buch „Erben des Holocaust“.

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