Auch für den Dokumentarfilm "Dahomey" über die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschätzen stehen die Chancen gut. Die französische Regisseurin Mati Diop mischt sich in aktuelle gesellschaftliche Diskussionen ein und fesselt mit poetischen Passagen - zum Beispiel spricht mehrmals eine der Statuen aus dem Off zu den Zuschauern.
"Keyke mahboobe man" ("My Favourite Cake") von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha könnte ebenfalls für die Juroren interessant sein. Vordergründig scheint es ein Film zu sein, der vor allem über die Liebe und Selbstbestimmung im Alter nachdenkt. Doch die Geschichte der Witwe beeindruckt und berührt zugleich als Bild einer Gesellschaft, in der Frauen permanent unterdrückt werden. Das iranische Regie-Duo war von iranischen Behörden an der Ausreise nach Berlin gehindert worden. "Keyke mahboobe man" ist ein Kritiker-Favorit. Auch der österreichische Beitrag "Des Teufels Bad", ein morbides Psychogramm von Veronika Franz und Severin Fiala mit Anja Plaschg in der Hauptrolle, schnitt bei der Kritik gut ab.
Deutscher Regisseur mit Preischance
Für den Großen Preis der Jury kommt etwa Dresens "In Liebe, Eure Hilde" infrage. Denkbar ist aber auch, dass die Jury dem skurrilen Kammerspiel "Yeohaengjaui pilyo" ("A Traveler's Needs") des südkoreanischen Regisseurs Hong Sang-soo erliegt. Die französische Star-Schauspielerin Isabelle Huppert verkörpert dort eine Frau, die versucht, sich in Südkorea als Französischlehrerin über Wasser zu halten.
Den Regiepreis könnte Claire Burger mit der Coming of Age-Geschichte "Langue Étrangère" rund um einen deutsch-französischen Schülerinnenaustausch erhalten. Doch wie immer gilt: Was dem einen gefällt, lehnt die andere ab. Und: Jurys sorgen gerne für Überraschungen.