Feines aus Mama Grandes Kochtopf

Von Norbert Heimbeck
Helga Groß aus Pegnitz rettet Tomaten vor der Mülltonne: Sie kocht einmal Pro Woche im Zehn-Liter-Topf leckeres Sugo und verschenkt es an Freunde und Bekannte. Foto: Elisabeth von Pölnitz-Eisfeld Foto: red

Es duftet intensiv nach Basilikum und Majoran: Helga Groß würzt die Tomaten in ihrem Kochtopf mit einer großzügigen Portion Kräutern. Einmal pro Woche holt die Pegnitzerin ihren richtig großen Topf aus dem Schrank: Zehn Liter fasst das Edelstahl-Trumm. Darin kocht sie fein-würziges Sugo aus Tomaten, die eigentlich im Müll landen sollten.

 
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„Ich kann das nicht mit ansehen“, sagt Helga Groß. Jede Art von Lebensmittelverschwendung ist ihr zuwider. Und weil sie leidenschaftlich gern kocht, ist ihre Art, Tomaten vor der Tonne zu retten, auch noch schmackhaft.

Helga Groß’ Sohn ist in der Systemgastronomie tätig, betreibt in Pegnitz und Himmelkron ein Subway: „Da gibt es genaue Vorschriften, wie die Tomaten aussehen müssen.“ Eine Maschine teilt die Früchte in gleichmäßige Scheiben. Der Blüten- und der Stielansatz werden ebenfalls maschinell entfernt. Die dabei entstehenden Reste würden normalerweise weggeworfen – wenn es Helga Groß nicht gäbe.

Sie lässt sich die Tomatenreste von ihrem Sohn nach Hause mitbringen, sammelt sie im Kühlschrank und kocht dann Sugo daraus. So ein Zehn-Liter-Topf reicht für eine Vielzahl von Gläsern, die im eigens dafür angeschafften Weckautomaten eingekocht werden. Dann kommt noch ein buntes Tüchlein auf den Deckel, und per Gummiband wird ein Faltblatt mit Rezeptvorschlägen angehängt. Ein befreundeter Werbe-Fachmann hat dafür sogar das Logo „Mama Grande’s Tomatensugo“ entworfen.

Helga Groß ist umtriebig, „ruhig daheim zu sitzen ist meine Sache nicht,“ sagt die 74-Jährige. Den Pegnitzern ist sie als langjährige Chefin des Autohauses Graumüller bekannt, das schon ihre Eltern geleitet haben: „Ich habe 51 Jahre lang gearbeitet. Im Ruhestand kann ich da nicht einfach abschalten.“

Die Massen von Tomatenstücken, die im Groß’schen Kochtopf eingekocht werden, landen in sogenannten Twist-off-Gläsern: „Ich freue mich immer, wenn ich schöne Gläser bekomme.“ Auch hier wendet die ehemalige Unternehmerin ihren Sinn für Recycling beziehungsweise ressourcenschonendes Arbeiten an. Bei Freunden und Bekannten und in ihrer Weight-Watchers-Gruppe, überall lässt sie sich Gläser mitbringen. Es ist aber keine Einbahnstraße: Denn Helga Groß verschenkt ihre gesamte Arbeit.

„Ich darf das nicht verkaufen, das wäre ja ein gewerblicher Betrieb“, sagt sie. Und dann müssten allerlei Auflagen der Lebensmittelbehörden eingehalten werden. So müsste zum Beispiel dokumentiert werden, woher die Tomaten kommen: „Das hängt immer davon ab, wo die Firma einkauft, das wechselt gelegentlich.“ Während Helga Groß bei ihrer Hauptzutat also von der Politik eines weltweit agierenden Konzerns abhängt, macht sie bei den anderen Zutaten keine Kompromisse: „Wir haben im eigenen Garten viele Kräuter. Mein Mann hat mir ein schönes Hochbeet gebaut, das hege und pflege ich.“ Majoran, Thymian, Rosmarin, Oregano und Liebstöckel wandern direkt vom Beet in den Topf. Außerdem kommen noch Bio-Zwiebeln und Sellerie aus eigenem Anbau ins Sugo. Ein befreundeter Hobbygärtner beliefert Helga Groß zusätzlich mit Bio-Gemüse, so dass reiche Vorräte zur Verfügung stehen. Nur das Basilikum kauft sie extra. Und jetzt im Winter gibt sie eine Portion Tomatenmarkt hinzu, „wegen der Farbe“.

Dass es bei diesen Tomatenmengen nicht langweilig auf dem Teller wird, dafür sorgt die kulinarische Fantasie von Helga Groß: „Ich probiere gerne Gewürze aus und mische mir eigene Gewürze. Darum schaut’s auch ein bisschen unordentlich aus.“ Ordnung ist, scheint’s, Definitionssache: Immerhin sind alle Gläser im beinahe türhohen Wandregal säuberlich beschriftet, die Küchenwerkzeuge hängen an ihren Haken nebeneinander an der Wand, die leeren Einmachgläser warten säuberlich geschlichtet in einem Korb auf ihre Füllung.

Das eingekochte Sugo hält sich „mindestens zwölf Monate“, sagt die Köchin. Die Idee, reife Tomaten zu einer leckeren Soße zu verarbeiten, stammt ursprünglich aus dem sonnigen Süden: Denn die italienischen Mammas haben den sommerlichen Überfluss aus ihren Gärten ebenfalls eingekocht, um ihre Lieben in der kalten Jahreszeit mit Tomatensoße zu verwöhnen. Das solcherart konservierte Sugo passt zu vielen Gerichten: in der Sahnesoße zum Überbacken von Nudel- und Kartoffelgerichten, als Tomatensoße für Pasta bolgnese, für Pasta arrabiata, für Nudelsoßen mit Thunfisch, Salami und Schinken, in Chili con carne oder als aromatische Soße auf der Pizza.

Eingekochte Tomaten schmecken nicht nur gut, sondern sich auch gesund. Sie enthalten den Stoff Lycopin, der als sogenannter Radikalenfänger dafür verantwortlich sein soll, die Anfälligkeit für Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs zu senken. Dieser auch als Carotinoid bekannte Farbstoff kann besonders gut vom Körper aufgenommen werden, wenn er aus verarbeiteten Tomaten stammt. Ein Schuss Olivenöl im Sugo sorgt dafür, dass das Lycopin noch besser wirken kann.

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