Fall Leila: Fast 12 Jahre Haft

Der Hauptangeklagte versteckt am 15.09.2016 im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Gera sein Gesicht hinter einem Aktenordner. Für den gewaltsamen Tod der neunjährigen Leila wurde der 25-Jährige zu elf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Foto: Bodo Schackow/dpa Foto: red

Als die Sommerferien zu Ende gingen, war die neunjährige Leila tot - innerlich verblutet nach einem heftigen Tritt in den Bauch. Nun muss ein 25-Jähriger deswegen für viele Jahre ins Gefängnis. Auch Leilas Oma und ihre Tante werden bestraft.

 
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Für die neunjährige Leila wurden die Sommerferien 2014 zur Hölle. Aus jenem Urlaub kehrte sie nicht mehr an ihre Schule in Rothenburg ob der Tauber zurück. Unter den Augen von Verwandten in Jena war das Mädchen misshandelt worden und nach massiven Verletzungen innerlich verblutet. Weit über ein Jahr hat das Landgericht Gera Leilas Tod nun aufgearbeitet. Am Dienstag schickte die 4. Strafkammer den Hauptangeklagten für elf Jahre und neun Monate ins Gefängnis - und ging damit über die Anträge von An- und Nebenklage hinaus. Das Kind sei ihm schutzlos ausgeliefert gewesen, er sei rücksichtlos vorgegangen, konstatierte der Vorsitzende Richter Gerhard Rassier.

Weil ihre Mutter mit ihrem Partner ins Ausland gefahren war, verbrachte Leila damals die Ferien in Thüringen. Dort lebte sie meist in einer Neubauwohnung, die sich ihr Uropa, ihre Tante und deren Lebensgefährte, der heute 25-Jährige, teilten. «Leila war während ihres gesamten Aufenthalts in Jena körperlichen Misshandlungen ausgesetzt. Dies rechnen wir dem Angeklagten zu», erklärte Rassier. Dabei bezog er sich etwa auf SMS-Nachrichten, in denen die Tante ihn anbettelte: «Kannst du ab jetzt bitte lieb zu ihr sein.» In anderen schrieb sie an die Oma: «Hemmungen hat er keine. Er hat alles gemacht, Luft weggedrückt». Er wolle seine Laune an Leila auslassen.

Doch bei diesen Misshandlungen ist es nach Überzeugung des Gerichts nicht geblieben. Vielmehr hat der Angeklagte das Kind auch sexuell missbraucht. Mehr als 170 Verletzungen hatten Rechtsmediziner bei der Obduktion der Kinderleiche gezählt. Gestorben ist Leila an inneren Blutungen nach einem Abriss der Bauspeicheldrüse. Ursache war laut Rassier massive Gewalt des 25-Jährigen gegen Leilas Bauch am Abend des 3. September. Der Notarzt wurde erst am nächsten Morgen gerufen - zu spät für die Neunjährige. Sie starb um 10.15 Uhr im Krankenhaus.

Den Missbrauch hat der Angeklagte im Prozess bestritten. Er hat nur eingeräumt, Leila an jenem Abend ungezielt aus dem Liegen einen Tritt verpasst zu haben. Er habe seine Ruhe haben wollen. Dieser Version hat das Gericht nicht geglaubt. Auch eine Rechtsmedizinerin hatte angesichts des Verletzungsbildes erhebliche Zweifel geäußert. «Diese Einlassung kann nicht die vielfältigen frischen Verletzungen erklären», sagte Rassier. Dass er das Kind töten wollte, habe der Prozess aber nicht ergeben. Ursprünglich lautete die Anklage auf Totschlag. Verurteilt wurde der Mann aber nun wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Bei der Urteilsbegründung sitzt der 25-Jährige lässig auf seinem Stuhl und sucht immer wieder Blickkontakt zu Zuschauern; derweil verfolgen Leilas Oma und Tante auf der Anklagebank gebeugt und mit abgewandtem Blick die Worte des Richters. Schon beim Gang in den Saal hatten sie ihre Gesichter hinter schwarzen Tüchern vor den Kameras verborgen. Für das Gericht steht auch mit Blick auf die SMS-Nachrichten außer Zweifel, dass sie von den Misshandlungen des Mädchens gewusst haben. Das Kind habe in ihrer Obhut gestanden, sie hätten einschreiten müssen. Deswegen wurden sie wegen Körperverletzung durch Unterlassen zu einer Geld- und einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Das letzte Wort dürfte aber noch nicht gesprochen sein. Mehrere Verteidiger kündigten Revision gegen das Urteil an. Sie hatten für den 25-Jährigen maximal fünf Jahre Haft gefordert, für Leilas Oma und die Tante jeweils Freispruch.

dpa

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