Fall einer Filmikone Gérard Depardieu sitzt in Untersuchungshaft

Stefan Brändle
17 Frauen klagen Gérard Depardieu der sexuellen Übergriffe an. Foto: AFP/Thierry Roge

Ein Nationalheiligtum wankt: Der französische Schauspieler ist in Paris in Untersuchungshaft gekommen. Die Filmbranche fällt von ihm ab.

 
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Wenige Tage nach dem teilweisen Freispruch für Harvey Weinstein in den USA widmete sich auch die französische Justiz einer Kinolegende – um sich allerdings einem gegenteiligen Schluss zu nähern. Gérard Depardieu musste am Montag einer Vorladung der Polizeiwache im dritten Justizbezirk von Paris Folge leisten. Dort kam er in „garde à vue“, einer Art Untersuchungshaft. Während des zweitägigen Gewahrsams wird im Normalfall ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten eröffnet.

17 Frauen werfen dem Schauspieler sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen vor

Depardieu wird von insgesamt 17 Frauen sexueller Übergriffe, wenn nicht Schlimmerem, bezichtigt. Justizträchtig sind vor allem zwei Klagen. Eine Kostümbildnerin wirft dem 75-jährigen Schauspieler, Kunstsammler und Weinproduzenten vor, er habe sie bei einem Drehtermin für den Film „Les Volets verts“ („Die grünen Fensterläden“) von Jean Becker im Jahre 2021 sexuell angegriffen. Laut dem Online-Portal Mediapart soll er sie mit Schweinegrunzen angemacht haben, um sie dann von der Hüfte über den Bauch aufwärts bis zu den Brüsten zu küssen.

Eine zweite Gerichtsklage einer Drehassistentin betrifft einen mutmaßlichen sexuellen Angriff Depardieus 2014. Er ist auch noch nicht verjährt. Anders Fälle einer Französin sowie einer Spanierin, die Depardieu der Vergewaltigung bezichtigen; diese Taten sind verjährt. In einem anderen Vorwurf der Vergewaltigung hat die Justiz gegen die französische Filmikone dagegen 2020 eine Ermittlung aufgenommen. Charlotte Arnould, die im französischen Fernsehen offen und mit ihrem Namen auftritt, hat in der öffentlichen Meinung ein großes Echo ausgelöst.

Zuvor hatte Depardieu vor allem in der Filmbranche Unterstützung gefunden. Schauspielerinnen wie Sandrine Bonnaire, Catherine Deneuve oder Carole Bouquet – die teils mit dem Beschuldigten längere Beziehungen hatten – erklärten zuerst, bis auf Weiteres gelte die Unschuldsvermutung. Fast noch dezidierter lobte Staatspräsident Emmanuel Macron die filmischen Talente und Werke des Schauspielers, ohne auch nur ein Wort der Anteilnahme für die betroffenen Frauen zu finden.

Andere Filmschaffende wenden sich von Depardieu ab

Viele Exponenten hatten nach Arnoulds Outing allerdings die Seite gewechselt. So auch der in Frankreich sehr bekannte Komiker und Filmemacher Kev Adams. Er hatte noch 2023 erklärt, er sei Depardieu in „Liebe“ zugetan und hoffe, dass es diesem ganz Großen des französischen Kinos „bestens“ gehe. Kürzlich bekannte Adams, er habe sich getäuscht; was Depardieu getan habe, sei unverzeihbar. Für die zweite Folge seiner Filmserie „Maison de Retraite“ („Das Altersheim“) hat Adams Depardieu nur noch aufgeboten, um dem Publikum mitzuteilen, dass die Person seiner Filmrolle gestorben sei.

Ähnlich – und ähnlich radikal – denkt nun die französische Filmbranche um. Die Schauspielerin Sarah Brooks erzählte, dass sie noch vor nicht langer Zeit von Depardieu in der Pause eines Drehtermins betatscht worden sei; auf ihre Weigerungshaltung hin habe Depardieu nur gefragt, ob sie denn in ihrer Karriere „keinen Erfolg“ haben wolle.

Solche Szenen kommen zumindest laut den Filmprofis in Frankreich nicht mehr vor. Das mag zutreffen, auch wenn die französische Tradition galanter Anzüglichkeiten noch nicht ganz ausgestorben sein soll, wie einzelne Frauen dagegenhalten. Die Schauspielerin Anouk Grinberg erzählte, wie Depardieu am Drehort mit seinen „Schweinigeleien“ eine besondere Atmosphäre geschaffen habe. Das hätten alle im Voraus gewusst. Wenn ein Regisseur Depardieu verpflichtet habe, sei ihm klar gewesen, dass er „einen Aggressor“ aufbiete. Heute bietet niemand mehr Depardieu auf. Der Schauspieler hat sich in einem Schreiben „entschuldigt“, aber jeden sexuellen Missbrauch abgestritten.

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