Europakonzert: Kabelkunst für Kunstgenuss

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Schnell muss es gehen. Und mit größter Vorsicht muss alles laufen. Am Sonntag noch der Endspurt der Residenztage, jetzt stehen die Zeichen auf musikalischen Kunstgenuss. Und auf logistische Höchstleistung. Innerhalb eines Tages wird das Weltkulturerbe Markgräfliches Opernhaus zur Bühne für die Berliner Philharmoniker und ihr weltbekanntes Europa-Konzert - das live gesendet wird.

 
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Die Übertragungswagen des Senders Radio Berlin-Brandenburg (RBB) stehen seit dem Wochenende auf dem Parkplatz in der Münzgasse. Die Vorbereitungen für die Übertragungs des Konzerts unter dem Dirigat von Paavo Järvi laufen seit dem späten Sonntagnachmittag. Unter größtem Zeitdruck. Und unter strengsten Auflagen, wie Thomas Rainer, der Museumsreferent der Bayerischen Schlösserverwaltung am Montag im Gespräch mit unserer Zeitung sagt.

Übertragung: 1. Mai, 11 Uhr

Das Europakonzert, das am 1. Mai ab 11 Uhr live in der ARD übertragen wird, sei als Produktion "absolut am obersten Rand" dessen, was im Weltkulturerbe Opernhaus möglich und machbar sei, sagt Rainer. Neben den Auflagen, dass man während des Aufbaus weder essen, trinken, noch rauchen und nicht mit offenem Feuer arbeiten dürfe, gebe es ganz klare Richtlinien für die Positionen der Kameras. "Es gibt auch die Vorgabe eines Mindestabstands der Kameras, dass sie nicht mit den Logenrückwänden kollidieren und Schäden anrichten", sagt Rainer. "Wo wegen der aufwendigen Produktion über das normale Maß hinaus weitere Kamerapositionen notwendig sind, muss mit Verschalungen für die Kameras gearbeitet werden."

Restauratoren begleiten den Aufbau

Mit der Produktionsfirma und mit deren Einverständnis sei außerdem "eine restauratorische Begleitung der Aufbauarbeiten" vereinbart worden, sagt Rainer. Prof. Matthias Staschull vom Restaurierungszentrum der Schlösserverwaltung habe die Begleitung übernommen und bislang festgestellt: "Es läuft sehr gut, die Produktionsfirma geht sehr sorgfältig mit dem Haus um. Auch wenn es wirklich ein irrer Aufwand ist, das in so kurzer Zeit zu stemmen. Aber: Es war einfach nicht anders möglich, wir können das Haus nicht Wochen vorher zumachen. Und es ist auch nicht der Regelfall, was die Bespielung angeht", sagt Rainer.

Lange Nächte für den RBB

Dorthea Diekmann, Redakteurin des RBB, und Toningenieur Matthias Reich sagen im Gespräch mit dem Kurier vor Ort, dass „die komplette Mannschaft diesmal mit dabei ist – 35 Mann, ohne Orchester, natürlich“. Am Wochenende hätte das Übertragungs-Team des RBB immer „erst nach 18 Uhr ins Haus gekommt. Waren schon lange Abende für uns. Aber es hat alles gut geklappt“, sagt Reich. Zwölf Kameras sind im Opernhaus verteilt, um den perfekten Blick auf Publikum und Musiker zu haben, eine Kamera – funkgesteuert – verfolgt zwischen den Musikern jede Bewegung des Dirigenten Paavo Järvi. Rund sechs Kilometer Kabel sind verlegt worden – „alle getragen, kein einziges wurde gezogen“, sagt Reich. Im Opernhaus ist in einer der Garderoben ein Tonstudio aufgebaut, in dem Tonmeister Peter Hecker das Orchester abmischen wird.

Steuerung vom Parkplatz

Gesteuert wird das technische Orchester von draußen, vom Übertragungswagen, einem von drei Fahrzeugen, die den Parkplatz Münzgasse zur Sendezentrale in die Welt machen. „Bis nach China und Südkorea reicht die Übertragung, viele andere übernehmen zeitversetzt. Und die Aufzeichnung gibt es auch auf DVD später. Das hat schon Reichweite“, sagt Diekmann. Der RBB, früher SFB, überträgt die Europakonzerte der Berliner Philharmoniker seit 1991, das Konzert aus dem Welterbe in Bayreuth ist das 28., sagt Diekmann. Und auch für das Team ein besonderes, obwohl die Europakonzerte immer an besonderen Orten stattfinden. „Der Raum ist toll. Es ist unglaublich, wenn man da reinkommt. Es wird auch für die Zuschauer toll werden, weil wir hier eine schöne Beleuchtung schaffen konnten.“

So schnell die komplexe Übertragungstechnik aufgebaut war: noch schneller ist sie wieder weg: „Am Dienstag gegen 16 Uhr sind wir wieder unterwegs. Am Mittwoch ist Aufbau für die Live-Übertragung von Dieter Nuhr“, sagt Reich.

Film über Bayreuth in der Pause

Doch auch die Bayreuther kommen bei der Übertragung nicht zu kurz: Beate Tyron, freie Autorin aus Erfurt, hat für den RBB einen Film gedreht, der in der Pause des Europakonzerts ausgestrahlt wird. Etwa 18 Minuten dauert der Film, mit dem Tyron, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung sagt, "das pralle Bayreuther Leben" zeigt. "Der Film hat den Anspruch, den Bayreuther zu zeigen, nicht nur den Kulturbeflissenen. Auch mit dem einen oder anderen Schmunzler." Mit Viktoria Ficht, die als Wilhelmine Gästeführungen in Bayreuth macht, wolle man in dem Film den Bogen zwischen Wilhelmine und Bayreuth spannen, "wir waren natürlich auch im Opernhaus und haben uns von Restauratorin Melissa Speckhardt die besondere Leistung der Restauratoren in den vergangenen sechs Jahren erklären lassen", sagt Beate Tyron. "Ich war überrascht, dass man es geschafft hat, die originale Malerei wieder hervor zu holen, was man besonders wertschätzen muss."

Dreh am Stammtisch

Tyron und ihr Filmteam war aber auch "am Bayreuther Stammtisch unterwegs, zum Beispiel im Becher-Bräu und auch im Liebesbier, um die Bierkultur der Franken zu zeigen". Außerdem habe man unter anderem der Klaviermanufaktur Steingraeber und der Bäckerei Lang einen Besuch abgestattet. Angetan ist Tyron von den Bayreuthern: "Ich kannte Bayreuth ja nicht. Und die Bayreuther sagen über sich selbst, sie seien eher zurückhaltend. Wir haben sie ganz anders kennengelernt: Total nett, herzlich, aufgeschlossen."

Der Film über Bayreuth soll, wie Beate Tyron sagt, nach der Ausstrahlung im Rahmen der Live-Übertragung 30 Tage in der ARD-Mediathek abrufbar sein.

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