Söder bei Eröffnung Karpfensaison: Teichwirte fürchten um ihre Existenzen

Christopher Michael
Kein Entkommen gab es für die Fische in einem Karpfenteich in Thierstein im Landkreis Wunsiedel, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dort die bayerische Karpfensaison 2022 einläutete und dafür auch selbst zum Kescher griff. Foto: /Christopher Michael

Kormoran, Bürokratie und in jüngster Zeit vor allem der Fischotter: Zu Beginn der Karpfensaison ist das Bild der Branche trüb wie ihre Teiche.

 
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Mit ernster Miene steht Peter Thoma, Vorsitzender der Teichgenossenschaft Oberfranken, vor den Ehrengästen: Vertretern aus Politik, Verbänden, der Verwaltung. Sie alle waren nach Thierstein im Landkreis Wunsiedel gekommen, um gemeinsam mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die diesjährige Karpfensaison zu eröffnen. 100 Karpfen habe er für dieses Festessen Anfang des Jahres in seinen Teich eingesetzt, sagt er. Normalerweise kann er zum Abfischen 98 Tiere zählen. Am Ende waren diesmal nur noch fünf übrig. Und landeten auf den Tellern der Ehrengäste. Als Vorspeise. Zum Hauptgang musste auf Schweine-Schäufele zurückgegriffen werden.

Es ist ein Bild, das symptomatisch ist für eine Branche, die sich derzeit im Würgegriff eines kleinen Landraubtiers sieht – des Fischotters. Von konkreten Verlusten sprechen wollen nur wenige Teichwirte. Doch die allgemeine Frustration ist deutlich spürbar.

Am Morgen noch hatte sich Söder die Anglerhose übergezogen und stieg mit Kescher in der Hand in das trübe Wasser, versank dabei immer wieder im Schlamm und musste wohl länger als in anderen Jahren darauf warten, dass er einen der Karpfen fangen und in einen der bereitstehenden Bottiche legen kann. Auch hier hatte sich der Fischotter übers Jahr hinweg scheinbar immer wieder bedient. „Der Fischotter ist keine Gefahr, die droht, sondern die da ist“, sagte Ministerpräsident Söder anschließend, auch mit Blick auf andere Tiere wie etwa den Wolf, die ebenfalls wirtschaftlichen Schaden bei Betrieben anrichten. Die Dimensionen der Fischotter-Schäden seien ungleich größer.

Im Gespräch mit unserer Zeitung taxiert Reinhard Reiter, Referent für Fischerei und Fischwirtschaft am bayerischen Landwirtschaftsministerium, die Schäden durch den Fischotter auf 1,5 Millionen Euro im Jahr 2021. Zum Vergleich: 2016 betrugen sie mit 250 000 Euro gerade mal ein Sechstel davon. In Niederbayern und der Oberpfalz sei der Fischotter, der sich Jahr um Jahr seinen Weg aus Osteuropa weiter westwärts bahnt, bereits seit etwa 2010 ein Problem, schilderte Reiter. Seit 2017 ist auch das östliche Oberfranken immer stärker betroffen. „Er hat hier keine natürlichen Feinde und steht unter dem strengsten Schutz“, erklärte der Fachmann. Das Erstarken der Fischotter-Population kann mitunter eine Kaskade an Folgen nach sich ziehen. „Wo die Teichwirte aufhören, gibt es irgendwann keine Teiche mehr“, sagte Reiter. „Dadurch geht auch Lebensraum für andere Tiere verloren.“

Aus diesen Gründen mehren sich immer mehr Stimmen, sowohl aus Politik wie von Betroffenen, die Bejagung – im Fachjargon der Ministerien ist hier von Entnahmen die Rede – zu erlauben. „Tierschutz darf daher keine Einbahnstraße sein“, mahnte Landwirtschaftsministerin Kaniber. In der Oberpfalz habe es ein Pilotprojekt gegeben, um die Fischotter entnehmen zu können. Doch ein Gerichtsurteil habe das gestoppt – nun laufe das Berufungsverfahren. „Wenn es so viele Fischotter gibt, muss auch die Entnahme möglich sein“, forderte Ministerpräsident Söder.

Neben dem Fischotter machen aber auch andere Tiere und die Bürokratie den Teichwirten das Leben schwer. Während im östlichen Oberfranken besagtes Landraubtier Jagd auf die Fische macht, droht weiter westlich Gefahr aus der Luft. „Die Zahl der Kormorane nimmt zu“, sagte Manfred Popp, Teichwirt aus Bindlach und stellvertretender Vorsitzender der oberfränkischen Teichgenossenschaft im Gespräch mit unserer Zeitung. „Solche Probleme hatten wir früher nicht.“ Erschwerend käme die Bürokratie hinzu, etwa wenn Auflagen für die Bewirtschaftung erhöht würden oder das Anlegen neuer Teiche mit hohen Gebühren verbunden seien. Viele Teichwirte würden daher mit ihren Betrieben aufgeben. Und das, wo die Betriebe doch „einen wichtigen Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft“ leisteten, wie es auch Markus Söder eingangs in Anglerhosen betont hatte. „Das Potenzial für die Teichwirte wäre in jedem Fall da“, ergänzte Popp.

Dass die Situation nicht nur in den Teichen dramatische Züge angenommen hat, schilderte Werner Köhler, Präsident des oberfränkischen Fischereiverbandes, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Selbst in den Flüssen und Speicherseen gibt es kaum mehr große Fische“, sagte er. Der Kormoran habe große Schäden hinterlassen. „Und der Fischotter macht den Rest.“

Am anderen Ende der Verwertungskette – im Speiselokal – müssen sich die Verbraucher in der diesjährigen Karpfensaison auf höhere Preise einstellen. „In diesem Herbst ist mit einem starken Preisanstieg zu rechnen“, befürchtet das bayerische Landwirtschaftsministerium in seiner Bilanz zum Karpfenjahr. Es rechnet für diese Saison mit einer „deutlich unterdurchschnittlichen“ Ernte an Speisekarpfen. Liegt diese in normalen Jahren zwischen 4000 und 5000 Tonnen, dürften es in diesem Jahr 1000 bis 2000 Tonnen weniger sein.

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