Energiewende aus der Biotonne

Von Norbert Heimbeck
Prof. Dr. Ruth Freitag und Dr. Frank Hilbrig wollen mit dem Projekt "For10.000" die Eneriewende in der Region vorantreiben. Foto: Norbert Heimbeck Foto: red

„Mit Wind und Sonne alleine bekommen wir die Energiewende nicht hin,“ sagt Professorin Ruth Freitag. Nach ihren Erwartungen könnte der Inhalt der Biotonnen in Stadt und Landkreis einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten.

 
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Die Bundesregierung hat auf ihrem Weg zur umweltfreundlichen Stromerzeugung verschiedenste Szenarien entwickelt und mit gewaltigen Geldsummen gefördert. Speziell Landwirte haben von der Idee profitiert, Energie aus Gülle und Mais zu gewinnen. Sogenannte Biogasanlagen gibt es alleine in Bayern mehr als 2000; bundesweit sind es fast 8000 Anlagen. So manchem Bauern hat die Energiewende den Hof gerettet. Doch damit ist es vorbei: Neue Anlagen wird es kaum noch geben, die Biogaserzeuger erhalten künftig deutlich niedrigere Entgelte für ihren Strom.

Der Grund: Die Bundesregierung will sparen und hat deshalb unter Protest der Biogas-Erzeuger das Erneuerbare Energiegesetz (EEG) reformiert. Denn Strom aus Biogas ist teuer. Zusätzlich beklagen Umweltschützer das Maisproblem: In nur zehn Jahren hat sich die Maisanbaufläche in Deutschland nahezu verdoppelt, um den Bedarf an Biomasse zu decken. Das entspricht ungefähr einem Siebtel der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche.

Obergrenze 10.000 Tonnen

Die Ingenieure an Professorin Freitags Lehrstuhl Bioprozesstechnik haben vor diesem Hintergrund gerechnet und sind zu folgendem Schluss gekommen: Auch außerhalb der Landwirtschaft fallen erhebliche Mengen Biomasse an, die genutzt werden sollten. Weil das jedoch dezentral geschieht, brauche man eine Lösung in kleinerem Maßstab. Es sei unsinnig Biomüll quer durchs Land zu fahren. Ruth Freitag: „In Stadt und Landkreis Bayreuth fallen pro Jahr etwa 10.000 Tonnen Biomüll an. Die üblichen Anlagen arbeiten erst ab etwa 30.000 Tonnen wirtschaftlich.“ Bayreuth ist mit seinen 10.000 Tonnen Biomüll Durchschnitt: „Das ist etwa die übliche Menge für unsere bayerischen Landkreise,“ ergänzt Freitags Mitarbeiter Frank Hilbrig. Und hier wollen die Bayreuther Ingenieure ansetzen: Sie suchen nach einem Weg, solche kleinen Anlagen wirtschaftlich zu betreiben – gedacht ist dabei an Kraftwerke auf Landkreisebene oder im kommunalen Maßstab bis etwa 200 000 Einwohner.

Die Forschungsstiftung unterstützt

Die technische Innovation wird sich auf drei Aspekte konzentrieren: die Vorbehandlung des angelieferten Abfalls, die Veredelung des Biogases zu Bio-Methan und die Nutzung der Gärreste. Diese Ideen kommen gut an: Die Bayerische Forschungsstiftung wird in den kommenden zwei Jahren rund 600.000 Euro in das Projekt namens „For10.000“ fließen lassen. Forschungseinrichtungen der Uni Bayreuth, der Hochschule Amberg-Weiden, der Fachhochschulen Coburg und Hof sowie eine Reihe von Industriepartnern arbeiten in dem Projekt zusammen. Sechs Nachwuchswissenschaftler werden Gelegenheit erhalten, ihre Doktorarbeit zu schreiben.

Versorgung vor Ort

Freitag und Hilbrig haben schon konkrete Ideen, was am Ende ihrer Arbeit passieren könnte: „Es wäre zum Beispiel möglich, ein Mikro-Gasnetz aufzubauen, um den Landkreis mit vor Ort erzeugtem Gas zu versorgen.“ Von der Umwandlung des in der kleinen Anlage erzeugten CO2 in Bio-Methan erwarten sich die Wissenschaftler wertvolle Erkenntnisse. Ruth Freitag: „Diesem Punkt kommt eine Schlüsselrolle bei der Speicherung von regenerativ erzeugtem Überschussstrom zu.“ Soll heißen: Strom aus Windrädern und Solaranlagen kann nicht wirtschaftlich gespeichert werden. Stromspitzen aus dem Netz könnten mit Hilfe der kleinen Anlagen abgepuffert werden.

Wertstoffe rückgewinnen

Und noch ein Aspekt von „For10.000“ soll erforscht werden: Im Biomüll sind Wertstoffe enthalten – deren Rückgewinnung ist „im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft“ wichtig. Prof. Freitag nennt Stickstoff und Phosphat: „Unsere natürlichen Vorräte sind begrenzt, dabei ist Phosphat als Dünger sehr wichtig.“ Wenn aus dem angelieferten Bioabfall in der neuen Anlage Gas beziehungsweise Methan erzeugt, die dabei anfallende Wärme in ein Blockheizkraftwerk weitergeleitet und der erzeugte Strom ans Netz abgegeben wurde, muss noch nicht Schluss sein, sagen die Bayreuther Wissenschaftler: „Es bleiben dann immer noch Gärreste übrig, die als wertvoller Kompost genutzt werden können.“

 

Hintergrund: Strom für fast 60.000 Haushalte

Wie ist es denn nun vor Ort um die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bestellt? Bernd Rothammel ist am Landratsamt für die Bioenergieregion Bayreuth zuständig. Er sagt: „Im Landkreis Bayreuth werden bilanziell bereits 46 Prozent des Stromverbrauches aus erneuerbaren Energien gedeckt, die auch im Landkreis erzeugt werden.“ (Die Daten für diese Berechnung stammen aus dem Jahr 2013, aktuellere Daten liegen noch nicht vor). In der Stadt Bayreuth liegt dieser Wert bei fünf Prozent, weil hier weniger Flächen für erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.

Mit den im Landkreis erzeugten erneuerbaren Energien kann laut Rothammel rechnerisch der Stromverbrauch von über 59 000 Haushalten gedeckt werden. Die erneuerbaren Energien im Landkreis werden zu 40 Prozent aus Photovoltaik, 32 Prozent aus Biomasse, 22 Prozent aus Windkraft und sechs Prozent aus Wasserkraft erzeugt.

Über Bioenergie aus Holz, Pflanzen und organischen Reststoffen wird in der Region ein jährlicher Gewinn von 5,2 Millionen Euro erzielt, was 36 Prozent der Gesamtwertschöpfung aus erneuerbaren Energien entspricht.

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