„Generell habe ich für ihn eine große Fantasie, weil er ein außergewöhnlich guter Fußballer ist“, sagte Nagelsmann vor der Partie bei RTL. Wie offensiv der Profi des FC Arsenal seine ungewohnte Rolle interpretieren sollte, bewies Havertz schon nach vier Minuten, als er am Fünfmeterraum der Türken einen tollen Angriff mit dem Führungstor veredelte. Benjamin Henrichs hatte Leroy Sané mit einem feinen Steilpass in den Rücken der Gäste-Abwehr bedient, der Münchner dann für Havertz aufgelegt.
Die Stimmung auf den Rängen
„Auswärtssieg“, riefen die deutschen Fans ironisch nach dem Treffer. Die schrillen Pfiffe der türkischen Anhänger verstummten nun, ohnehin blieb die Stimmung auf den Rängen friedlich. Auch beim Marsch der türkischen Fans zum Olympiastadion hatte es bis auf das Abbrennen einiger Pyro-Fackeln laut Polizei keine besonderen Zwischenfälle gegeben.
Auf dem Rasen zeigten beide Teams ein munteres Spiel, das die deutsche Mannschaft zunächst kontrollierte. Sané hätte in der 16. Minute erhöhen können, schoss aber aus 18 Metern sowohl am weit heraus geeilten Keeper Altay Bayindir wie auch am Tor vorbei.
Die Wackler in der Defensive
Nach einer starken Anfangsphase schlichen sich bei Nagelsmanns Schützlingen allerdings immer mehr die schon aus den vergangenen Monaten bekannten Wackler in der Defensive ein. Gerade an diesen Schwächen wollte der Bundestrainer beim aktuellen Lehrgang eigentlich arbeiten, um die Zahl der Gegentreffer zu verringern.
Fast schon folgerichtig fiel der Ausgleich für die nun immer stärker werdenden Türken. Henrichs und Sané ließen Kadioglu in ihrem Rücken entwischen, der türkische Wirbelwind vollstreckte eiskalt ins kurze Eck. Wieder also gelang der deutschen Mannschaft nicht das erhoffte Zu-Null-Spiel.
Joachim Löw auf der Tribüne
Und es kam noch schlimmer: Kurz vor der Pause flog ein Diagonalball von Kaan Ayhan über den eingerückten Henrichs hinweg, dahinter war Yildiz ganz allein. Der in Regensburg geborene und beim FC Bayern ausgebildete 18-Jährige drosch die Kugel herrlich in den rechten Torwinkel, Trapp war wieder chancenlos.
Wütend stapfte Nagelsmann als Erster in die Kabine. Auf der Tribüne staunte Ex-Bundestrainer Joachim Löw über den zunehmend bedenklichen Auftritt der Gastgeber. Die Pausen-Ansprache von Nagelsmann zeigte dann aber schnell Wirkung. Schon mit dem ersten Angriff stellte seine Elf auf 2:2. Wirtz fand nach schönem Solo den bis dahin komplett abgemeldeten Füllkrug, der mit einem trockenen Flachschuss sein zehntes Tor im zwölften Länderspiel erzielte.
Türkei mit großer Leidenschaft dabei
Doch kurz darauf folgte der nächste Schreckmoment, als Dortmunds Salih Özcan aus 18 Metern den Außenpfosten des deutschen Tores traf (52.). Die DFB-Auswahl bekam die Partie einfach nicht mehr in den Griff, weil die Türken mit großer Leidenschaft dagegen hielten und ihnen auch der Videobeweis half.
Ein diskutables Handspiel von Havertz ahndete der polnische Schiedsrichter Bartosz Frankowski mit einem Elfmeter. Sari überwand Trapp, der noch mit den Fingern am Ball war.
Nagelsmann schickte nun Leon Goretzka und Serge Gnabry für Wirtz und den nicht überzeugenden Joshua Kimmich aufs Feld. Auch der für Julian Brandt eingewechselte Bremer Marvin Ducksch kam in den Schlussminuten noch zu seinem Debüt in der Nationalmannschaft. Gnabry hatte noch die Chance zum Ausgleich, rutschte aber knapp an einer Flanke von Henrichs vorbei (86.).
Wir haben die deutschen Spieler in unserer Bildergalerie mit einer Einzelkritik bewertet. Viel Spaß beim Durchklicken.