Ein Wolf bei Unterölschnitz?

Von Moritz Kircher
Ein Wolf im Nationalpark Bayerischer Wald bei Neuschönau. Wilde Wölfe ziehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch durch den Landkreis Bayreuth. Foto: Patrick Pleul / dpa Foto: red

Erst denkt Tino Unterburger, es sei ein Reh, was da entfernt in seinem Scheinwerferlicht auftaucht. Als er sich mit seinem Auto in Schrittgeschwindigkeit nähert, vermutet er einen großen Hund. Dann kam es ihm: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass das ein Wolf war." Eine unglaubliche Geschichte? Nein, sagen Experten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ziehen vereinzelt Wölfe durch die Region.

 
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Tino Unterburger war am frühen Sonntagabend mit dem Auto unterwegs nach Hause. Von Tiefenthal kommend sah er am Ortseingang von Unterölschnitz am Straßenrand Augen im Scheinwerferlicht aufblitzen. Das Tier, das er bei genauerem Hinsehen zunächst für einen entlaufenen Hund hielt, "überquerte vor mir seelenruhig die Straße", beschreibt er das Zusammentreffen. "Das waren keine fünf Meter mehr Abstand zu meinem Auto." Dann schoss es ihm durch den Kopf: Das ist ein Wolf.

In der Region bereits Wölfe fotografiert

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) geht seit Jahren allen Sichtungen von Wölfen nach. Die vermeintliche Begegnung von Tino Unterburger würde man dort als sogenannte C3-Sichtung einstufen - eine Beobachtung, die Experten im Nachhinein nicht mehr eindeutig überprüfen können. In die Kategorie C2 fallen Einschätzungen von Experten, beispielsweise anhand eines gerissenen Tieres, an dem eindeutige Wolfsspuren zu erkennen sind.

Ist der Wolf für Menschen gefährlich?
Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus, teilt das Landesamt für Umwelt mit. Seit der Wolf vor rund 20 Jahren nach Deutschland zurückgekehrt ist, habe es keinen Angriff auf Menschen gegeben. „Der Wolf reagiert auf den Anblick von Menschen vorsichtig, aber er ergreift nicht immer sofort die Flucht“, sagt ein Behördensprecher. Oft ziehe sich das Tier langsam und gelassen zurück. „Eine direkte Begegnung mit einem wildlebenden Wolf ist ein ausgesprochen seltenes und schönes Erlebnis“, schreibt der Bund Naturschutz (BN) auf seiner Internetseite. Menschen sollten Wölfen niemals hinterher laufen und sie niemals füttern, rät der BN. Um einen Wolf zu vertreiben, solle man laut reden oder in die Hände klatschen. Auch für den Mensch gelte: langsam und ohne Hektik zurückziehen.

 

In die Kategorie C1 fallen ein Lebendfang, Totfund, ein genetischer Nachweis oder ein eindeutiges  Foto. Auch das gab es in der Region schon: Mit Foto und einer Speichelprobe wurden bereits im Dezember 2011 im Landkreis Wunsiedel Wölfe nachgewiesen. Fotografiert wurden einzelne Wölfe am 1. April dieses Jahres im Nürnberger Land und am 5. September im Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Dafür, dass der Seybothenreuther nicht nur einen großen, entlaufenen Hund gesehen hat, spricht auch, dass beim Tierheim in Bayreuth aktuell kein Tier als vermisst gemeldet ist, dass einem Wolf auch nur ansatzweise ähnlich sieht.

"Der Wolf zieht definitiv bei uns durch"

Das LfU bildet seit einiger Zeit Experten für Wölfe aus. Eines der Mitglieder im "Netzwerk große Beutegreifer" ist Adolf Reinel. Der Vorsitzende des Jägervereins Bayreuth kann die Sichtung von Tino Unterburger natürlich nicht per Ferndiagnose bestätigen. Aber auch er hält es für gut möglich, dass es sich tatsächlich um einen Wolf gehandelt haben könnte. "Der Wolf zieht definitiv bei uns durch", sagt Reinel. "Er wird auch immer wieder mal auftauchen."

 

 

Der Jäger geht allerdings davon aus, dass sich Wölfe in der Gegend nicht dauerhaft niederlassen werden, sondern lediglich auf ihren Wanderungen durchziehen. Die Gegend sei zu dicht besiedelt. Wölfe seien "sehr zurückhaltend", sagt Reinel. "Einzelne Wölfe sind für den Menschen praktisch unsichtbar." Er führt ein Beispiel vom Starnberger See an. Dort sei ein Wolf überfahren worden, von dem bis zum Unfall kein Mensch auch nur ahnte, dass er sich in der Gegend aufhält.

Jungtiere wandern am Tag bis zu 70 Kilometer weit

Auch dass das Tier seelenruhig am Auto von Tino Unterburger vorbeigetrottet sein soll, hält Reinel für möglich. Denn während sich Wölfe in der Regel von Menschen fernhalten, sei eine Annäherung an Autos "ganz typisch". Denn Wölfe kennen die Gefahr nicht, die von Fahrzeugen ausgeht. "Deshalb werden auch immer wieder Wölfe überfahren."

Woran ich einen Wolf erkenne
Ein eindeutiges Erkennungszeichen, woran man einen Wolf von einem entlaufenen Wolfshund unterscheiden kann, gibt es für Laien nicht. Das Bayerische Landesamt für Umwelt beschreibt das typische Aussehen und die Erkennungsmerkmale eines Wolfes so: „Wölfe haben eine Schulterhöhe von 60 bis 90 Zentimeter. Sie haben ein ähnliches Gewicht wie Schäferhunde, sind aber deutlich hochbeiniger. Das Fell ist graubraun mit hellen Zeichnungen. Die Ohren sind relativ klein und dreieckig. Wölfe haben einen buschigen Schwanz und oftmals eine schwarze Schwanzspitze. Die Augen sind hellbraun bis gelb und schräg stehend. Eine eindeutige Zuordnung ist jedoch bei manchen Tieren nur über eine genetische Analyse möglich.“

 

Auch das LfU bestätigt, dass bis heute mehrere Wölfe durch Bayern durchgezogen sind. Wolfsrudel gebe es zwar keine im Freistaat. Aber auf der Suche nach einem eigenen Revier wandern einzelne Jungtiere täglich bis zu 70 Kilometer weit, teilt ein Behördensprecher mit. Dabei ziehen sie auch durch baumfreie Kulturlandschaften. Auch dass Tino Unterburger den vermeintlichen Wolf am frühen Abend am Ortsrand gesehen hat, wäre nicht ungewöhnlich. "Im Schutze der Dunkelheit laufen sie durchaus auch unmittelbar an bewohnten Häusern vorbei", sagt ein Behördensprecher.

Auch wenn er das Tier aus dem Schutz seines Autos heraus beobachtete, so läuft dem Seybothenreuther bei dem Gedanken daran immer noch ein Schauer über den Rücken. Er sagt: "Womöglich einem Wolf so nahe zu kommen, das war schon unheimlich."

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