Das MWG will sich dem bundesweiten Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ anschließen. Vor allem die zehnten Klassen der Schule treiben dieses Projekt voran. Im Zuge der Bemühungen und auf Initiative des Vereins Buntes Warmensteinach wurde der ehemalige rechte Liedermacher Felix „Flex“ Benneckenstein eingeladen, aus seinem Leben zu berichten.

In ihrem Grußwort warnte Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote (Grüne), die sich als Projektpatin des MWG engagieren möchte, vor rechtem Gedankengut, das in der Gesellschaft tief verwurzelt sei. Jeder müsse sich Gedanken machen, wann kleinere Späße aufhörten und Rassismus beginne. Außerdem müsse jeder, der Anzeichen dafür erkenne, dass ein Mensch in seinem Umfeld in die rechte Szene einzusteigen drohe, versuchen, diese anzusprechen.

Völlig durschnittliche Kindheit

Felix, der inzwischen 27 Jahre alt ist, beschreibt im Anschluss an Gotes Einführung seine Kindheit als völlig durchschnittlich. „Ich stamme weder aus ärmlichen Verhältnissen, noch bin ich im Osten Deutschlands aufgewachsen, wo man Rechtsradikale ja eher vermuten würde“, sagt er. Wie er so tief in die rechte Szene schlittern konnte, kann Felix heute selbst nicht so genau beschreiben. Als 13-Jähriger war er sogar noch richtige entsetzt, als in seinem Heimatort in der Nähe von Erding ein Gemeindehaus, in dem Migranten lebten, von Rechtsradikalen angezündet wurde. „Ich war erschüttert darüber, dass man Menschen wegen ihrer Herkunft töten wollte“, sagt Felix. Doch in den darauf folgenden Jahren kam er dann in seiner Clique erstmals in Kontakt mit rechter Musik. „Wir waren ein paar Halbstarke, die die Texte ganz cool fanden, und die ihr weniges Taschengeld in Erding für typische Nazikleidung ausgaben“, fasst Felix zusammen. Die Politik habe zu dieser Zeit keine Rolle gespielt.

Seine Freunde haben dann irgendwann eingesehen, dass ihr Verhalten nicht richtig war, und haben sich wieder von der rechten Szene abgewendet. „Ich bin aber irgendwie dabei geblieben, und habe dann auch ersten Kontakt zu Erdinger Skinheads gesucht“, sagt Felix. Bei denen sei es dann wesentlich härter zugegangen. „Sie waren auf jeden Fall gewaltbereit. Allerdings gab es nie Probleme mit der Polizei oder dem Verfassungsschutz, da die Politik immer noch keine große Rolle spielte“, erklärt Felix. Es sei vor allem darum gegangen, Schlägereien anzuzetteln.

„Kameradschaft München"

2003 traf Felix dann bei einer Mahnwache, also einer rechten Kundgebung, die fest an einem Ort stattfindet, ranghohe Mitglieder der „Kameradschaft München“. „Diese Kameradschaft war bewaffnet und plante auch einen Anschlag auf die Grundsteinlegung der Münchner Synagoge“, sagt Felix. Dieser Anschlag wurde jedoch vereitelt und die komplette Führungsriege der „Kameradschaft München“ wurde inhaftiert. Das habe sich für ihn als aus heutiger Sicht trügerischer Vorteil erwiesen: Er trat bei. Und er stieg schnell auf. Zu diesem Zeitpunkt begann auch die Politik eine große Rolle für ihn zu spielen, sagt er. „Ich kam in Kontakt mit der rechten Ideologie. Dass diese voller Widersprüche für mich steckte, ignorierte ich“, sagt Felix. Einer seiner Brüder hat Down-Syndrom, und wäre somit nach rechter Ideologie ein minderwertiger Mensch. „Doch dafür habe ich genug Ausreden gefunden, und habe, wie alle Neonazis, die Vergasungen im Dritten Reich geleugnet“, sagt Felix.

In den Jahren 2004 und 2005 war Felix dann vollkommen in die rechte Szene eingebunden. Er brach den Kontakt zu seinen Eltern ab, wurde NPD-Mitglied, und hatte in Wunsiedel seinen ersten Auftritt als Liedermacher „Flex“. „Ich habe mich anderen Jugendlichen gegenüber überlegen gefühlt“, sagt Felix. Da die Neonazis sehr gut vernetzt sind, reiste er zu dieser Zeit viel durch Deutschland, während andere Jugendliche seines Alters zu Hause saßen.

Als Liedermacher hatte er vor allem bei Schulungen der Neonazis für Stimmung nach den trockenen Vorträgen zu sorgen. „Geld habe keines damit verdient. Ich war ideologisch verblendet und dachte gar nicht daran, Geld zu verlangen“, sagt Felix.

Gewalt gegen Linke

2006 zog er dann mit seiner damaligen Freundin wieder nach Erding, wo er eine eigene Kameradschaft gründete. Seine Wohnung in Bahnhofsnähe war nur Mittel zum Zweck, um sich mit Erdinger Skinheads treffen zu können. „Es ist erschreckend, wie offen wir damals mit unserer Kameradschaft Gewalt gegen Linke ausüben konnten“, erinnert sich Felix. Da er immer größeren Erfolg als Liedermacher feierte, entschloss er sich, nach Dortmund umzuziehen.

Dort wohnte er in einer sogenannten „national befreiten Zone“ in Dortmund-Dorstfeld. In solchen Gebieten wohnen hauptsächlich Neonazis, die dort offen ihre Ansichten teilen können. In Dortmund begann Felix’ Ideologie auch das erste Mal zu bröckeln. „Ich ging zwar während meiner radikalsten Phase nach Dortmund, aber ich begann dort, erstmals Dinge in Frage zu stellen und mich mit Anführern zu streiten. Das ist eigentlich eine große Seltenheit unter Neonazis“, sagt Felix. Es kam zu einem riesigen Streit unter den Anführen, was für ihn die Folge hatte, dass er aus Dortmund fliehen musste. „Ich war verwirrt, dass auf einmal Kameraden gegen Kameraden kämpften. Das kannte ich bisher nicht“, sagt er. Zusammen mit seiner jetzigen Verlobten, die von ihrem Vater in die rechte Szene gedrängt worden war, floh er nach München. Dort begann sein Ausstieg.

„Unsere Zweifel intensivierten sich“, sagt Felix. Durch seine Flucht aus Dortmund hatte Felix gegen Bewährungsauflagen verstoßen und wurde deshalb verhaftet. Das geschah kurz vor Neujahr, weshalb Felix aus Personalmangel im Gefängnis zufälligerweise auf einen Gang mit Abschiebehäftlingen kam. „Da wurde mir erstmals bewusst, dass die Dinge die ich als Nazi forderte, falsch waren“, sagt Felix. Er entschloss sich, nach seiner Haftentlassung aus der Szene auszusteigen.

„Ich konnte plötzlich Geld mit meiner Musik verdienen"

Sein Ausstieg wurde 2009 aber noch einmal erschwert. Inzwischen war nämlich ein Album von ihm erschienen, weshalb er wieder europaweit als Liedermacher gefragt war. „Ich konnte plötzlich Geld mit meiner Musik verdienen, und schlitterte wieder in die Szene“, sagt Felix.

Nach einem halben Jahr setzte Felix dann aber einen Schlusspunkt. Es war erneut zum Streit zwischen Nazis gekommen, bei dem Felix verletzt wurde und flüchtete. Er wurde erneut verhaftet und beschloss, eine umfassende Aussage gegen führende Neonazis zu machen. Nach seiner Haftentlassung nahm er sofort Kontakt zu „Exit“, einer Aussteigerhilfe aus Berlin, auf. Zusammen mit ihr schafften seine Verlobte und er den Ausstieg. Da er selbst sehr wenig Hilfe bei seinem Ausstieg hatte, gründete er die Aussteigerhilfe Bayern. „Aussteiger können sich in Deutschland eigentlich nur an ,Exit‘ oder an den Verfassungsschutz wenden. Ich möchte, dass es mehr private Aussteigerhilfen gibt“, sagt Felix.

Seit seinem Ausstieg hält er nun Vorträge, und erzählt seine Geschichte. Er hat außerdem die mittlere Reife nachgeholt und dreht einen Dokumentarfilm. „Ich möchte Journalist werden, und die Menschen über die rechte Szene in Deutschland aufklären, denn da gibt es noch viel zu tun“, sagt Felix.