Auch anspruchsvoll
Aber wie viele Ex-Kantoreisänger war sie mit ihrem Ausscheiden woandershin ausgewichen, in ihrem Fall zum Chor „Lingua Musica“. Sie bleibt dort auch. „Jetzt bin ich halt in zwei Chören.“ Dort sei es genauso anspruchsvoll, zum Beispiel bei der „Krönungsmesse“. Momentan wird für „Jesus Christ Superstar“ geprobt. „Für mich eine neue Erfahrung, mal was Modernes.“
Eine Rückkehrerin in die Kantorei ist auch Ulrike Ziegler. Sie sang 42 Jahre mit, dann kam ihr 70. Geburtstag. Mit dem Ausscheiden wandte sie sich dem St.-Thomas-Chor in Trockau zu. „Ich bin dort sehr freundlich aufgenommen worden, es macht viel Spaß.“ Das klassische Repertoire ähnelte dem der Kantorei. Sie war mit diesem Chor schon in Assisi und sang beim Jubiläumskonzert. Gerade wird das Requiem von Mozart geübt, das Ulrike Ziegler schon oft in der Kantorei gesungen hat. Trotzdem schloss sie sich sofort wieder der Kantorei an, parallel: „Ich will das zweigleisig machen. Ich versuch’ s. Mal sehen, ob es klappt – von der Zeit her und vom Stehvermögen. Man muss ja lange stehen können.“
Lohnt sich nicht mehr
Ein früherer Kantoreisänger, der trotz der neuen 75er-Grenze seinem alten Chor fern bleibt, ist Heinz Roth. Er wird im nächsten Jahr 75, sagt er, da lohnt es sich nicht mehr. Zudem kam er inzwischen beim Gospelchor der St.-Bartl-Singers unter, wo es ihm sehr gut gefällt. Und mit zwei Chören will er nicht proben – „ich hab ja auch noch was anderes vor“.
Heinz Roth mutmaßt, dass Chöre wie die Kantorei in Zukunft ihre Probleme haben, weil es weniger Kinder gibt und diese Kinder von Jugend an andere Interessen haben. Aber Jörg Fuhr spürt noch nichts davon. „Wir sind immer offen für neue Leute, und es kommen regelmäßig neue.“ Keiner muss bei ihm vorsingen, wie es in den Kantoreien der Großstädte üblich ist. Schnellentschlossenen empfiehlt er eine sofortige Anmeldung, weil sie dann gleich beim Gethsemane-Oratorium dabei sind. „Das ist ein Stück, das wahrscheinlich keiner kennt. Friedrich Schneider war weit nach Bach der Thomaskontor in Leipzig und später Kapellmeister in Dessau. In der Zeit hat er es geschrieben.“ Schneider war ein umtriebiger Tausendsassa, sogar in New York bekannt – der „Händel seiner Zeit“.