Ehemalige Kerwabum erinnern sich an viele Sprüche, Lieder und andere Traditionen – Einmal gab es eine Anzeige Ex-Kerwabum und ihre Sprüche

Von
Die Stimmung bei den ehemaligen Engelmannsreuther Kerwabum ist auch jetzt noch gut. Foto: Frauke Engelbrecht Foto: red

„Ein Tusch“, geht der Ruf durchs Engelmannsreuther Sportheim und alle Männer gehen mit ihrem Bierkrug in der Hand in die Knie. Die Älteren ächzen etwas, aber sie sind dabei. Als die letzten Takte der Musik erklingen, kommen alle langsam wieder in die Höhe. So war das schon immer und so wird es auch beim Treffen der ehemaligen Kerwabum gemacht.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Christian Häfner und Daniel Brendel haben dazu geladen und an die 50 Ex-Kerwabum sind gekommen. Viele haben Schachteln mit Bildern dabei, Kerwa-T-Shirts oder die berühmten Schürzen. Erinnerungen werden ausgetauscht und als später ein paar Musikanten kommen, werden auch Kerwalieder gesungen. Die Stimmung ist gut.

Nach der Hochzeit ist Schluss

Christian war von 1998 bis 2006 Kerwabu, Daniel von 2005 bis 2012. „Das hat sich einfach so gehört, dass man dabei war“, erzählen sie. Mit 16 Jahren - wenn man vom Gesetz her Bier trinken darf - kann man dazu gehen. Wenn man verheiratet ist, ist Schluss. Die Kerwa ist mit vielen festen Traditionen verbunden, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. „Die Sprüche und die Lieder sind das Wichtigste bei der Kerwa“, sagt Christian. Und natürlich das Trinken. Gegeben hat es die Kerwa schon vor dem Krieg, erinnert sich Peter Brendel. „Jeder der wollte, konnte mitmachen. Es gab entweder die Feuerwehr oder die Kerwabum.“

Die Kerwa in Engelmannsreuth findet im Juli statt. Ab Januar treffen sich die Kerwabum immer am ersten Sonntag im Monat zur Vorbereitung. Die ersten Sprüche entstehen und schließlich muss das Bierfass gewässert werden, damit das Holz aufquillt. Jeder Kerwabu überlegt sich Sprüche, mit denen das Dorfgeschehen aufs Korn genommen wird. Auf kleine Zettel notiert. „Früher war es immer ein Kreuz- oder Paarreim, aber immer ein Vierzeiler“, erzählt Matthias Meyer. Die Zettel hat sich jeder aufgehoben, manche in ein kleines Buch gebunden. Das von Christian ist ganz dick. Er blättert es durch, an manchen Stellen hat er die Reime unterstrichen, damit er sie richtig vorliest. Bei einer Seite schüttelt er lachend den Kopf. Es ist nicht zu entziffern, was er sich da notiert hat. „Da war ich zu besoffen“, sagt er.

Steinkreuz als pietätlos empfunden

Beginn der Kerwa ist immer am Donnerstag mit dem Ausgraben. Auf einer Verkehrsinsel gegenüber der ehemaligen Bäckerei ist das sogenannte Grab. Früher legte sich einer der Bubn (Werner Neubauer, Spitzname Flipper) zum Abstand messen hin. Vom Bordstein eine sogenannte Flipperlänge: Dort wurde das Loch ausgehoben. Seit 1999 steht ein Steinkreuz an der Stelle. Das hat nicht bei allen Einwohnern für Begeisterung gesorgt. Viele fanden es pietätlos.

In dem Grab waren Bier- und Schnapsflaschen vom vergangenen Jahr, die getrunken wurden. Am Dienstag wird die Kerwa dann mit neuen Flaschen wieder eingegraben. Vorher kommt aber Holz in das Loch und über einem Feuer werden Eier und Speck (die Kerwabum sammeln das am Vortag im Ort ein) gebraten. Die ganze Bevölkerung ist dabei. „Dann stellen sich die Kerwabum um das Feuer rum und pinkeln es aus“, erzählt Alexander Duijek, „das stinkt dann total.“ Zum Schluss hält jeder der Kerwabum noch eine eigene Grabrede.

Familienfreundlich am Sonntagnachmittag

Ihren Hauptauftritt haben die Kerwabum am Sonntag und Montag mit dem Rumspielen. Am Sonntagnachmittag sind die Sprüche noch etwas familienfreundlich, sagt Daniel. Da treten sie an drei Stellen im Ort – am ehemaligen Wirtshaus, bei der Autowerkstatt und am Kerwagrab –, auf. Die Bevölkerung zieht mit ihnen mit. Immer dabei während der ganzen Tage ist die Kerwaschürze. Sie wird die ganze Zeit getragen, weil das Hosentürchen während der gesamten Kerwa offen ist, erklärt Christian. Woher der Brauch kommt, weiß er auch nicht, aber wohl, weil die Bubn öfter mal müssen. Ansonsten werden am Sonntag schwarze Hosen und weißes Hemd getragen, am Montag ist es legerer. Darum hat man hier mal die Kerwa-T-Shirts angeschafft.

Die Schürzen werden generationsweise weitergegeben. Sie sind kunstvollbestickt, mit Initialen des Trägers und dem jeweiligen Kerwa-Jahr. Das macht die Mutter, sagt Matthias. So wie auch das Blumenkränzchen am Bierkrug. Der Jüngste bekommt den Sprenger – die Gießkanne. Früher hatte sie der Älteste. „Das Metall hält das Bier im Sommer schön kalt“, sagt Christian.

Bundeskanzler war eingeladen

Zur 100. Kerwa haben sie vor Jahren Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker eingeladen. Aber beide haben aus terminlichen Gründen abgesagt. Ihre Schreiben haben die Kerwabum gut aufgehoben. Und noch andere Erinnerungen gibt es. Da war die Frau, die sich von einem Lied beleidigt fühlte und Anzeige erstattete, weiß Norbert Ernst noch. 1983 war das. Er musste dann mit dem Bürgermeister zum Sühnetermin ins Landratsamt und sich bei der Frau entschuldigen.

Kerwabum sein, das ist wie auf einer Bühne zu stehen, man bekommt viel Aufmerksamkeit und Anerkennung, findet Christian. Und der Alkohol macht es jedem leichter, seine Sprüche zu präsentieren, sagt auch Matthias. Doch jetzt geht es beim Treffen der Ehemaligen weiter. Die Musik hat „Wo ist denn das Gerchla?“ angestimmt und junge und alte Kerwabum stimmen sofort in den Text ein.

Autor