Discounter will mit der Milch "den bayerischen Markt stärken" Scheinheiliges Angebot: Bauernverband und Landwirte kritisieren neue Aldi-Milch

Von Sarah Bernhard
Auf die neue Aldi-Milch können sowohl Christian und Hans Engelbrecht als auch Milchkuh Timo verzichten. Welchen Weg die Milchbranche in Zukunft nehmen wird, ist nach dem Wegfall der Milchquote im Frühjahr ungewisser denn je. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Aldi hat eine neue, gentechnikfreie Milch aus Bayern eingeführt. Zehn Cent kostet sie pro Liter mehr, zwei Cent davon gehen an die Milchbauern. Bauernverband und Landwirte üben Kritik: Aldi stilisiere sich zum Retter der Bauern – obwohl der Discounter Mitschuld am viel zu niedrigen Milchpreis trage.

 
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Hans Engelbrecht ärgert sich. „Diese Milch ist doch ein reines Lockangebot, um kaufbewusste Kunden in die Filialen zu locken“, sagt der Lankendorfer Milchbauer. Und ist damit tatsächlich gar nicht so weit von dem weg, was Aldi selbst über seine neue Milch-Marke „Meine bayerische Bauernmilch“, sagt. Man sei „dem Wunsch ihrer Kundinnen und Kunden nach mehr regionalen Produkten“ nachgekommen, sagt Lina Unterbörsch von der Aldi-Pressestelle.

Und: Die Milch stehe „für Qualität, tierartgerechte Haltungsbedingungen, gentechnikfreie Fütterung sowie kurze Transportwege.“ Dafür prangen drei Gütesiegel auf der Milchpackung. Um sie zu bekommen, müssen Bauern Milch der höchsten Güteklasse liefern, die Kühe in Laufställen halten, statt sie anzubinden, und auf gentechnisch veränderte Futtermittel verzichten. Dafür bekommen sie zwei Cent pro Liter Milch mehr.

Nutznießer: Bauern in Oberbayern

Doch nicht jeder Landwirt, der diese Kriterien erfüllt, ist dabei: Bisher kommt die Milch ausschließlich von der Molkerei Gropper aus der Nähe von Ingolstadt. Weil erst getestet werden müsse, wie das Angebot ankomme, sagt Aldi. „Ich gönne es ihnen ja“, sagt Karl Lappe, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV). „Aber wenn gleichzeitig bei uns die Preise gedrückt werden, ärgert das die hiesigen Bauern natürlich.“

Denn tatsächlich ist der Milchpreis mit rund 30 Cent pro Liter im Moment im Keller. Und die großen Discounter sind daran nicht unschuldig: Wie viel Geld Bauern pro Liter Milch bekommen, hängt auf dem deutschen Markt vor allem von den Verhandlungen der Molkereien mit den fünf großen Discountern ab.

"Kühe fallen ja nicht vom Himmel"

Und die Supermärkte sind in einer ziemlich guten Verhandlungsposition: Erstens haben im vergangenen Jahr viele Bauern ihre Milchproduktion aufgestockt, weil es den Anschein hatte, als ob sich in China ein riesiger Absatzmarkt entwickelt – der mittlerweile wieder wegbrach. Zweitens ist Milch ein verderbliches Lebensmittel. Wird sie nicht verkauft, wird sie irgendwann schlecht.

Und drittens ist im Frühjahr die Milchquote weggefallen. Sie hat bisher EU-weit geregelt, wie viel Milch jeder einzelne Bauer an die Molkereien liefern darf. Seitdem sei die Milchproduktion zwar nicht übermäßig angestiegen, sagt Lappe, „weil Kühe ja nicht vom Himmel fallen“.

Emotionen sind stärker als Fakten

Doch allein, dass die Discounter das in den Verhandlungen behauptet hätten, habe gereicht, um den Milchpreis zu drücken: „Der Milchmarkt hängt zur Zeit mehr an Emotionen als an Fakten“, sagt Harald Köppel, BBV-Geschäftsführer für Bayreuth, Kulmbach und Kronach. „Deshalb ist es schon lustig, wenn Aldi erst die Preise drückt und sich dann als Retter der Landwirtschaft hinstellt.“ Zumal auch mit 32 Cent pro Liter niemand gerettet würde. Die Produktionskosten für einen Liter Milch liegen bei rund 45 Cent.

Dabei sei die Rückbesinnung auf Produkte aus der Region eigentlich ein Zukunftsmodell, sagt Lappe. „Die Bevölkerung steht zum Regionalen.“ Davon müsse aber auch etwas bei den Bauern ankommen. Doch den Gewinn streiche momentan alleine das Handelsunternehmen ein. Die Frage, was mit den acht Cent passiert, die die Verbraucher mehr bezahlen als die Bauern bekommen, lässt Aldi unbeantwortet.

"Milchpreis wie Sonne und Regen"

Für die Zukunft des Milchmarktes sieht BBV-Kreisobmann Lappe trotzdem nicht nur schwarz. „Aber wir werden wohl damit leben müssen, dass der Milchpreis in Zukunft noch stärker schwanken wird.“ Und auch Milchbauer Engelbrecht sagt: „Der Milchpreis ist wie Sonne und Regen.“ Er hofft darauf, dass irgendwann das Handelsembargo gegen Russland wieder aufgehoben wird. Und dass das Freihandelsabkommen mit Amerika den deutschen Bauern neue Absatzmärkte eröffnet. „Ich bin zuversichtlich, dass der Preis dann auch wieder steigen wird.“

Wer hat regionale Lebensmittel im Angebot?

Aldi ist nicht der erste Discounter, der regionale Milchprodukte anbietet. Lidl hat die bayerische, gentechnikfreie Marke „Ein gutes Stück Heimat“ bereits 2009 eingeführt und zahlt den rund 260 beteiligten Milchbauern etwas mehr als üblich. Allerdings ebenfalls nicht genug, um die Produktionskosten zu decken. Und auch Rewe hat regionale Milchprodukte im Sortiment. Edeka ließ eine Pressenfrage unbeantwortet.

Die hiesigen Milchbauern liefern vor allem an die Bayreuther Molkerei, die zu Bayernland gehört und sich auf Käseherstellung spezialisiert hat. Er ist in allen Discountern erhältlich. Auf dem Gelände der Molkerei in der Bindlacher Straße 12 gibt es auch einen Werksverkauf.

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