Die Wundertüten des Alltags

Von Volker Strübing
 Foto: red

Liebe E.K.! Herzlichen Dank für Ihren Brief! Da kein Absender dabeistand, möchte ich Ihnen auf diesem Weg mitteilen, dass ich mich sehr darüber gefreut habe.

 
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Und ich möchte mich für Ihr Lieblings-Shakespearegedicht mit einem schönen Jean-Paul-Satz bedanken: „Das schöne am Frühling ist, daß er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht.“ (Man könnte meinen, der Frühling hätte sich dieses Jahr bemüht, J.P. mit Hilfe eines ewigen Herbstes zu widerlegen – es ist ihm aber nicht gelungen.)

Liebe Leser, das erfordert natürlich eine kleine Erklärung: Vor ein paar Wochen berichtete ich an dieser Stelle, dass ich in einem Laden an der Bamberger Straße ein Tagebuch erstanden hatte. Die offenbar einst beschriebenen ersten Seiten waren herausgetrennt, dafür fand ich aber in der Mitte des Büchleins zwei gepresste vierblättrige Kleeblätter. Erst am Wochenende zuvor hatte ich auf einer Wiese in der Fränkischen Schweiz nach einem solchen Glücksbringer gesucht und nun purzelte mir doppeltes Glück entgegen.

Es gab noch eine Fortsetzung: Die Vorbesitzerin des Tagebuches erkannte dieses wieder und schrieb mir. Das Büchlein hatte ihr nicht als Tagebuch gedient, sondern als poetische Sammlung. Sie schrieb kurze Gedichte und Lieblingssätze darin nieder – und zwar vor nunmehr gut 30 Jahren! Auf welchem Weg und warum es schließlich in der Bamberger Straße landete, ist nicht mehr ganz klar. Aber immerhin, so schrieb E.K., die Kleeblätter haben ihr Glück gebracht. Vielleicht auch ein bisschen, weil sie sie auf Wanderschaft geschickt hat, denn – liebe Leser, entschuldigen Sie bitte, wenn ich jetzt etwas kitschig werde – Glück ist ja so ziemlich die einzige Sache, die sich vermehrt, wenn man sie teilt. Das Buch soll darum auch bei mir nur zu Gast sein. Ich werde etwas Schönes hineinschreiben und es wieder auf eine Reise ins Ungewisse schicken. Sollte Ihnen irgendwo einmal eine etwas verwelkte rosa-grüne A6-Kladde mit der Aufschrift „Diary“ begegnen, schauen Sie unbedingt rein. Und überhaupt: Halten Sie die Augen offen, für die kleinen, schönen Geschichten, die Überraschungseier des Lebens, die Wundertütchen des Alltags.

Uns allen einen schönen Rest-Frühling!

INFO: Volker Strübing wirft als Bayreuther Stadtschreiber einen Blick auf Bayreuth und Jean Paul. Zu lesen sind seine Eindrücke im Blog Bayreuther Tagebuch sowie immer samstags im Kurier.

Foto: Strübing