Die katholische Kirche und das, was ihre Bischöfe zu Ehe, Familie und Sexualität zu sagen haben, sind nicht jedermanns Sache. Nach ihrer strengen Lehre ist allein die Verbindung von Mann und Frau gültig. Homosexuelle werden diskriminiert. Scheidungen auf katholisch gibt es nicht, denn was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Die menschliche Sexualität erfülle ihren Zweck allein in der Fortpflanzung, Lustgewinn ist verboten. Deshalb lebt, wer Pille oder Kondome benutzt, in Sünde.

Diese Haltung ist einer der Gründe, warum die Kirche in der modernen, pluralistischen Gesellschaft Kredit verspielt hat. Nicht nur Kirchenkritiker halten die mit absolutem Anspruch vorgebrachte moralische Strenge für fehl am Platz. Auch die meisten Gläubigen empfinden sie als weltfremd.

Was sich in diesen Tagen bei der Sondersynode im Vatikan zuträgt, ist deshalb eine kleine Sensation. Knapp 200 Bischöfe diskutieren dort auf Geheiß von Papst Franziskus über Ehe, Familie und Sexualität. Bereits mit der Themenstellung hat Franziskus der Diskussion die Richtung vorgegeben. Es geht um die Wirklichkeit, an der sich die aus dem Evangelium abgeleiteten moralischen Vorgaben messen lassen müssen. Der Papst will, dass seine Kirche über das wirkliche Leben diskutiert und nicht die so oft unverwirklichten Regeln wiederholt.

Das bedeutet nicht, dass im Vatikan nun die Doktrin über den Haufen geworfen wird. Der Umsturz trägt sich leise zu. Er beginnt bei der Sprache. Eine der am deutlichsten vorgebrachten Forderungen ist die, die Kirche möge ihre Wortwahl ändern. Sie solle mehr zuhören als mahnen, integrieren statt ausschließen. Das ist der Weg in eine offenere und gesellschaftlich relevantere Kirche.

Die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion ist das Schlüsselproblem der Synode. Hier zeigt sich, wie weit die Kirche in dem Prozess der Öffnung ist. Franziskus weiß, dass das 2000 Jahre alte Kirchenschiff nur in Zeitlupe seinen Kurs ändert. Deshalb hat der Papst den Diskussionsprozess vorsorglich auf Jahre hin angelegt. Im kommenden Jahr findet im Vatikan eine zweite, ordentliche Synode zum selben Thema statt.


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