Der Super-GAU beim Milchpreis Drama auf vielen Bauernhöfen

Von Elmar Schatz
ARCHIV - Mehrere Kühe stehen am 15.04.2014 in Wolfegg (Baden-Württemberg) im Stall eines Landwirts. Foto: Felix Kästle/dpa (zu dpa: «Milchbauern» vom 21.06.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit Foto: red

Bauernpräsident Joachim Rukwied befürchtet, dass wegen der aktuellen Krise in der Landwirtschaft innerhalb eines Jahres bis zu 14 000 Betriebe ganz oder teilweise aufgeben. Reinhard Sendelbeck, erster Vorsitzender des Maschinenrings Bayreuth-Pegnitz, spricht vom Super-GAU des Milchpreis-Zusammenbruchs. Wie soll es weitergehen?

 
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Die Milchbäuerin Magdalena Popp (57), die mit ihrem Mann Hans (60) in Weismain (Kreis Lichtenfels) einen Hof mit 105 Kühen betreibt, sagt dem Kurier: „Wir legen jeden Monat zehntausend Euro drauf“ – bei 20 Cent für den Liter Milch.

Familie Popp, deren 30 und 32-jährige Söhne im Betrieb mitarbeiten, macht die Politik und den Bauernverband mitverantwortlich für die gegenwärtige Lage, weil die Milchquote abgeschafft wurde und die Verheißung, die überschüssige Milch sei auf dem Weltmarkt zu verkaufen, nicht eingetroffen sei. China und Russland seien als Absatzmärkte vielmehr ausgefallen.

Magdalena Popp sagt, es sei politisch gewollt, die landwirtschaftlichen Familienbetriebe massiv unter Druck zu setzen, damit diese aufgeben und ihr Land verkaufen müssen. "Es ist zu viel Geld auf der Welt, so dass man der Bauern Land braucht, um es anzulegen", so ihre Überzeugung. "Da geht das Land aus Bauernhand."

Vor allem junge Bauern seien mit hohen Zuschüssen dazu verlockt worden, einen neuen Stall zu bauen, der heute etwa 1,5 Millionen Euro koste, sagt Magdalena Popp. Ihnen sei signalisiert worden, dass sie nach Wegfall der Milchquote größere Mengen produzieren und auch verkaufen könnten. Viele von ihnen würden heute ruhiger leben mit ihrem alten Stall und vierzig Kühen, sagt die Weismainer Milchbäuerin.

Auf die Politik ist Magdalena Popp überhaupt nicht gut zu sprechen. Eigentlich sei für sie klar gewesen, dass Milchmengen prozentual aus dem Markt herausgekauft würden, doch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) winde sich nun darum herum. "Die Politik will uns nicht wirklich helfen", sagt sie. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe eine zu große Nähe zu den Konzernen. So würden "die Reichen immer reicher". Früher habe es geheißen: "Hat der Bauer Geld, hat's die ganze Welt"; denn: "wir schaffen unser Geld nicht in irgendwelche Briefkastenfirmen."

"Viele Bauern werden jetzt dafür bestraft, was sie für den Verbraucher- und Tierschutz getan haben", sagt Reinhard Sendelbeck, erster Vorsitzender des Maschinenrings Bayreuth-Pegnitz, der selbst einen Betrieb mit etwa hundert Milchkühen besitzt. Sendelbeck rechnet vor, wenn ein junger Landwirt heute einen vollkommen tiergerechten Stall baut, der mindestens eine Million Euro kostet und dafür ein Drittel Förderung bekommt, "dann hat er 700 000 Euro Schulden an der Backe und eine 70-Stunden-Arbeitswoche".

Sendelbeck betont: "Würden wir einen vernünftigen Milchpreis bekommen, so bräuchten wir das ganze Zuschussgerede nicht." Die Lage sei seit dem Wegfall der Milchquote extrem schlechter geworden. "Seitdem geht's bergab. Den Super-GAU des Milchpreis-Zusammenbruchs hat niemand kalkuliert."

Den Bauern sei verheißen worden, wenn sie tiergerecht bauen und umweltgerecht ihre Felder bestellen, zahle der Konsument bessere Preise für die Agrarprodukte. "Der Landwirt hat sich darauf verlassen."

Die Verzweiflung bei manchen Bauern sei groß. Auch im Landkreis Bayreuth habe es bereits Suizidfälle gegeben, weil junge Landwirte, aus welchen Gründen auch immer, keine Zukunftschancen mehr gesehen hätten. Und es besteht "die Angst, dass sich das häuft". Derzeit komme alles zusammen: das Milchpreis-Desaster sowie der Flächenfraß machten kleineren Betrieben das Überleben schwer. Die Not der Bauern spürten auch die Landtechnik-Industrie sowie die Baubranche.

Bauernpräsident Rukwied hat gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erklärt: "Die Situation auf den Höfen reicht von sehr angespannt bis dramatisch." Binnen zwei Jahren hätten viele Betriebe mehr als die Hälfte ihres Einkommens verloren. Dadurch beschleunige sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Nicht alle steigen komplett aus, manche Landwirte geben nur einzelne Betriebszweige wie die Tierhaltung auf, so Rukwied.

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