Der Meister des Huhniversums

Von Michael Weiser

An seinen Zeichnungen vorbeizukommen, ist wirklich schwierig: Peter Gaymann ist einer der bekanntesten Karikaturisten Deutschlands. Endlich ist er auch reif fürs Museum: In Bayreuth zeigt Gaymann eine vielseitige Ausstellung und wartet mit Überraschungen auf.

 
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Kommt eine Frau zum Galeristen, stellt sich als Putzfrau von Jonathan Meese vor. Zeigt dem Experten ein zerknülltes Blatt Papier und fragt: „Dieses Blatt habe ich in seinem Papierkorb gefunden. Ist das wertvoll?“ Darauf der Galerist: „Meese wirft nix in den Papierkorb.“

Der Mann, der sich solche bissigen Scherze ausdenkt, sie zeichnet und derzeit in Bayreuth ausstellt, heißt Peter Gaymann. Er wohnt in Köln und gehört zu den Künstlern, deren Zeichnungen man gesehen haben muss. Schon aus dem Grunde, weil sie vermutlich bekannter sind als der Mann, der sie geschaffen hat. Für das „Zeit“-Magazin hat er gezeichnet, für die „taz“, für die „Brigitte“ und viele, viele andere auch, das heißt aber nicht, dass sich jeder den Namen dazu gemerkt hat. Um die Zeichnungen an sich herumzukommen, konnte man dagegen kaum. Von allem seine Hühner sind so etwas wie satirisches Allgemeingut.

Ein hervorragender Zeichner

Jetzt stellt Peter Gaymann in Bayreuth aus. Bei weitem nicht nur Bilder aus seinem „Huhniversum“, sondern auch Plastiken, Objekte, Reisezeichnungen und Karikaturen, die sich mit Künstlern, Kunstvermarktern und Kunstbetrachtern beschäftigen, aber auch den Kunstwerken selber: Seine Hühner hat er in Bildern bekannter Meister untergebracht. Exklusiv für Bayreuth zeichnete er auch noch über die Breite der inneren Ausstellungswand. Eine vielseitige Ausstellung, die vor allem eines zeigt: Gaymann ist der hervorragende Zeichner, als den ihn Kunstmuseumschefin Marina von Assel ankündigte.

Reif für die Insel

Die Ausstellung heißt „Reif fürs Museum“. Gaymann dachte dabei an „reif für die Insel“, aber nur ein bisschen, denn eigentlich geht’s ihm noch mehr darum, warum es Karikaturisten schwerer haben als andere Künstler. Museumsreife erlangen Maler viel leichter rein als Zeichner, die auch noch unterhalten wollen „Ich meine, das ist doch die selbe Unterscheidung wie bei der E- und U-Musik“, sagt Gaymann. E, das steht für ernsthaft, und U für unterhaltsam. Besser ist E. Doch was in Deutschland ernst genommen werden will, das muss sich auch so aufführen. Deswegen vielleicht auch die Reisezeichnungen: Sie sind relativ unbekannt, sie sind vorzüglich, ja eigentlich sogar eine echte Überraschung. Aber es könnte auch sein, dass Gaymann sie auch deswegen präsentiert, damit jeder sieht: Der kann ja ganz ernsthaft!

Spotten über die Kunst-Welt

Es kann auch ganz ernsthaft über die Kunstwelt spotten, die ja oft wirklich eine Kunstwelt ist, künstlich, mit ganz eigenen Gesetzen. Gaymann schafft es Kenner und Banausen gleichermaßen zu amüsieren. Ist ja schon ein Spaß, wenn auf einmal ein Huhn in einem Giotto-Bild auftaucht oder in einer dramatischen Licht- und Schatteninszenierung von Caravaggio. „Kunst mit Hühneraugen“ nennt Gaymann diese seine eigen-artigen Bearbeitungen. Wer über einen eigenen Schatz an klassischen Bildern in seinem Gedächtnis verfügt, wird das Spiel mit Anspielungen sehr mögen.

Wer wiederum mit moderner Kunst wenig anfangen kann, wird lachen können, weil er sich in seinem gesunden Menschenverstand bestätigt fühlen darf. Haben wir’s doch immer geahnt, dass viele Künstler noch den größten Müll als Kunst verkaufen.

Anregung zum Denken

Weil’s gut und locker und flockig gezeichnet ist, geht auch das eine oder andere Klischee mal an. Vor allem aber, weil Gaymann überhaupt keinen Frontalangriff auf die moderne Kunst und ihre Protagonisten startet, sondern die Sache differenzierter sieht. Sein Ziel sind Bildungshuberei, Durchkommerzialisierung und Ahnungslosigkeit. Das Lachen soll ein Stück weit aus der selbst verschuldeten Abhängigkeit von der Meinung anderer befreien. Eine Anregung zum Denken, gegeben von jemandem, der Kunst liebt, aber auch ihre Absurditäten kennt. „Es muss einem nicht alles gefallen, und wenn es von einem noch so berühmten Künstler stammt“, sagte Peter Gaymann beim Aufbau seiner Ausstellung zum Kurier. „Man kann auch mal etwas für Quatsch halten.“ Gaymann will Kunst vom Sockel holen. „Ein bisschen lockerer Umgang, das wäre schön. Da darf schon mal jemand sagen, das kann ich auch. Er kann‘s ja mal probieren.“

Den letzten Satz hat er übrigens mit einem so hinterkünftigen Lächeln gesagt, dass man annehmen darf, er könne das Ergebnis in vielen Fällen voraussagen.

INFO: „Peter Gaymann. Reif fürs Museum“: Die Ausstellung in der Ausstellungshalle des Neuen Rathauses ist bis 24. Juni zu sehen.

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