NKD-Prozess: Ankläger spricht von „übler Nachrede“ und verlangt von Verteidigern Entschuldigung Staatsanwälte schießen zurück

Von Manfred Scherer
Im Prozess um die Untreue beim Bindlacher Textildiscounter NKD haben die Staatsanwälte gegen die Verteidiger Vorwürfe erhoben. Foto: Ritter Foto: red

Der juristische Grabenkampf im NKD-Prozess geht weiter. Einer der Ankläger, Oberstaatsanwalt Peter Glocker, hat die Anwälte des wegen schwerer Untreue angeklagten ehemaligen NKD-Geschäftsführers Michael Krause der üblen Nachrede bezichtigt und ihnen ein Strafverfahren in Aussicht gestellt.

 
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Der Fall des Verschwindens von 3,7 Millionen Euro aus dem Vermögen der NKD im Jahr 2012 ist reich an bemerkenswerten Höhepunkten: Ein Verteidiger, der – seine Robe von sich werfend – unter Protest den Sitzungssaal verlässt. Ein Staatsanwalt, der die Fassung verliert, weil ein Angeklagter trotz Erlaubnis des Gerichts mit einem Mobiltelefon telefoniert. Befangenheitsanträge gegen das Gericht, die ausführlich begründet, aber als unbegründet abgelehnt werden.

Staatsanwalt Glockers „üble Nachrede“-Vorwürfe gegen die Krause-Verteidigung an diesem Dienstag, dem 18. Verhandlungstag beziehen sich auf Anträge, die die Verteidiger Volker Beermann, Tobias Liebau und Marc Wandt gestellt hatten, um für die Verteidigung untragbare Prozesshindernisse zu klären. Die Anwälte wollten die Ablösung von Glockers Sitzungskollegen Uwe Demuth, weil sie glauben, Demuth habe bewusst verschwiegen, dass ein für die Verteidigung wichtiger Zeuge in Dubai verhaftet worden war. Auch die Behauptungen, Krauses Hauptverteidiger Beermann werde illegal abgehört und Demuth habe Emails von NKD-Verantwortlichen zu Ungunsten der Krause-Verteidigung gelöscht, bezeichnete Glocker als üble Nachrede. Ohne Entschuldigung in öffentlicher Verhandlung behalte sich der Leiter der Hofer Staatsanwaltschaft, Gerhard Schmitt, die Einleitung eines Verfahrens gegen die Anwälte vor. Ob eine Entschuldigung kommt, ist unklar.

Ein Höhepunkt im Fall der verschwundenen 3,7 Millionen war die Einlassung des ehemals als Manager des Jahres geadelten Hauptangeklagten, der drei Tage lang redete und eine – schier unglaubliche – Spionagegeschichte erzählte. Eine Geschichte von Geheimwissen über Hersteller- und Mitbewerber-Einkaufspreise, das Krause auf konspirativen Wegen erhalten haben will. Mit dem „Sonderwissen“ will Krause die NKD-Einkaufspreise entscheidend gesenkt haben. Eine Kernfrage des Prozesses: Ist Michael Krause seine Geschichte zu widerlegen?

Die Ankläger meinen: Es handelt sich um ein Märchen. In Wahrheit sei das Geld von Krause und dem mitangeklagten Prokuristen Uwe K. aus der NKD heraus auf das Konto der NKD-Tochter Sun Fortune in Hongkong und von dort an eine Beratungsfirma Zarando geschleust worden. Zarando soll eine Scheinfirma sein, hinter der Krauses Jugendfreund Michael J. stecken könnte – jener J., der in Dubai verhaftet worden war und den die Verteidiger so gerne als Zeugen gehört hätten.

Krause sagt, die Interpretation der Ankläger sei falsch – der Jugendfreund musste sich konspirativ verhalten, denn die eingekauften Infos seien lebensgefährlich – sowohl für den, der sie kauft als auch den, der sie kauft.

Eine noch wichtigere Frage ist weniger spektakulär, nämlich diese: Ist der NKD überhaupt ein Schaden entstanden? Mehrere Zeugen haben bestätigt, dass die nach Hongkong transferierten 3,7 Millionen auf Provisionsforderungen der Hongkong-Tochter Sun Fortune verrechnet wurde. Formal könnte das bedeuten: Kein Schaden bei der NKD, also auch keine Untreue. Deshalb hatte die 3. Wirtschaftsstrafkammer einen Ausweg gesucht und geglaubt, ihn in einem rechtlichen Hinweis gefunden zu haben: Dass statt Untreue eine Verurteilung wegen Betrugs in Betracht kommt. Das fußt auf der Zeugenaussage der Geschäftsführerin der Sun Fortune. Die hatte angegeben, sie habe sich vorgestellt, dass die Erklärungen des Geschäftsführers Krause, man kaufe kriegsentscheidende Information, wahr sein könnten.

Das bestätigte am Dienstag ein ehemaliger Sun Fortune-Manager nicht. Der Mann hatte eng mit der Chefin zusammengearbeitet und dabei mit ihr noch vor der letzten und größten der vier Überweisungen an die Zarando gesprochen. Thema: Die Zahlungen ohne erkennbare Gegenleistungen hätten mit dem Gebaren eines „redlichen Kaufmanns“ nichts zu tun. Nach Ansicht der Verteidigung kann nunmehr von einer Täuschung der Geschäftsführerin durch Vorspiegelung falscher Tatsachen – und somit von einem möglichen Betrug nicht mehr die Rede sein.

Der Zeuge sagte überdies, dass er als langjähriger Einkäufer auf dem Textilmarkt in Asien Krauses Märchen nicht glaube: „So schwer ist das nicht, an Preise von Herstellern oder Mitbewerbern heranzukommen.“

Der Prozess wird fortgesetzt.

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