Der grau-braune Schleier lichtet sich Restauratoren geben dem Opernhaus seine ursprüngliche Farbigkeit zurück

Vier, drei, zwei – es geht doch schneller als gedacht: Die 13 Restauratoren im Markgräflichen Opernhaus kommen auf den oberen Rängen flott voran. Das ändert zwar nichts an der veranschlagten Restaurierungszeit von vier Jahren bis 2017, gibt aber wichtigen Raum, um plötzlich auftretende Überraschungen und Probleme lösen zu können. Und die gibt es nicht zu knapp in dem Weltkulturerbe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Rang vier ist fast fertig, Rang drei ist abgeschlossen, auch in Rang zwei sind die 13 Restauratoren in diesem ersten Dreivierteljahr der Restaurierungszeit schon weit fortgeschritten“, sagt Melissa Speckhardt, die zusammen mit Martin Hess die restauratorische Fachbauleitung bei der Sanierung des Welterbes Opernhaus innehat. Wegen der großen Hitze in den vergangenen Wochen musste das Team die Arbeiten im vierten Rang abbrechen und auf den zweiten Rang ausweichen – zu groß war die Gefahr für die Gesundheit, denn das Holzschutzmittel Lindan, das großzügig in den 70er Jahren in der kompletten Holzkonstruktion des Opernhaus vom barocken Innenraum bis ins Dachgebälk verstrichen worden war um das Holz zu konservieren, dünstet bei Hitze stärker aus als bei kühlen Temperaturen.

„Das Holzschutzmittel ist allerdings auch eine der Ursachen für das Aussehen des Innenraums: Es erzeugt einen grauen, dunklen Schleier und beeinträchtigt das Erscheinungsbild. Zusammen mit der Übermalung der 30er Jahre wird das Holzschutzmittel jetzt abgetragen“, sagt Speckhardt. Es ist eine Arbeit, die Zentimeter für Zentimeter vor sich geht – und für die die Restauratoren viel Fingerspitzengefühl brauchen, um sich im hellen Licht von LED-Lampen auf die originale Bemalung vorzutasten. Und vor allem rechtzeitig aufzuhören mit der Abnahme, wenn das Original zum Vorschein kommt.

„Man brauchte eine gewisse Einarbeitungszeit, deshalb haben wir auch im dritten Rang begonnen, wo die größten Schäden zu verzeichnen waren“, sagt Melissa Speckhardt, die bereits seit mehr als zwei Jahren im Opernhaus tätig ist und die Restaurierung vorbereitet hat. „Es ist aber sehr schnell gegangen, bis alle 13 Restauratoren sich eingearbeitet hatten. Erstaunlich ist, dass die Flächen sich so ähneln, obwohl jeder ja eine andere Arbeitsweise hat“, sagt Speckhardt.

Das Problem, vor dem die Restauratoren stehen: Die Überfassung aus den 30er Jahren, die Festigung aus den 70er Jahren und das Holzschutzmittel „haften stärker an der originalen Farbe als diese Farbe am Holzuntergrund“, wie es Michael Erhard vom Staatlichen Bauamt Bayreuth – wo alle Fäden der 18,8 Millionen Euro teuren Sanierung des Welterbes zusammenlaufen – formuliert. Die Übermalung ist es auch, die zu großen Spannungen und Abplatzungen in dem prächtigen, komplett aus Holz gebauten Innenraum geführt hat, den Giuseppe Galli Bibiena im Auftrag von Markgräfin Wilhelmine gestaltet hat.

Obwohl viele Fehlstellen zu verzeichnen sind, obwohl beispielsweise die originalen Türen im dritten Rang komplett in den 30er Jahren erneuert wurden, „ist die meiste Malerei aus dem 18. Jahrhundert perfekt erhalten“, sagt Speckhardt.

Allerdings lässt sich nach Abnahme der obersten Schichten durchaus festhalten: Die vielen Generationen von Besuchern sind alles andere als pfleglich mit dem heutigen Welterbe umgegangen. „Im dritten Rang etwa haben wir Hühnerknochen gefunden, es wurde also offenbar auch gegessen während der Vorstellungen“, sagt Speckhardt. In den Logen habe man auch Spuren von Kleiderhaken gefunden, „die die Leute scheinbar von daheim mitgebracht haben, um ihre Klamotten aufzuhängen“.

Nach der Abnahme der Übermalung folgt „dann im nächsten Schritt die Retusche, um Fehlstellen so ausgleichen zu können, dass es auf die Entfernung nicht auffällt“, wie Erhard sagt. Dieses Vorgehen ist mit dem Landesamt für Denkmalpflege in der vergangenen Woche ebenso wie mit Vertretern der Icomos-Kommission, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, abgesprochen worden. Man habe sich, wie Restauratorin Speckhardt sagt, für „die Strichretusche entschieden. Dabei unterlegen wir zum Beispiel die Grünflächen mit Nickeltitangelb, einem leuchtenden Gelb, auf dem wir dann die ehemalige Farbigkeit der Flächen aufbauen“.

Allerdings werde nicht jede Fehlstelle auf Teufel komm raus ergänzt, „weil das Auge die Flächen von sich aus auf die Entfernung schließt“, wie Speckhardt sagt. Ziel ist, bis zum Jahr 2017 ein gealtertes Original präsentieren zu können, in dem „so wenig wie möglich und so viel wie nötig ergänzt wurde“, sagt Speckhardt – ein Spagat für die Restauratoren, zu bewältigen in der gleichen Zeit, die einst Giuseppe Galli Bibiena hatte: Rund vier Jahre.

Fotos: Waha

Autor

Bilder