Der frohe Glaube an die Kultur

Von Katharina Fink
Malwida von Meysenbug, Freundin von Richard Wagner. Illustration: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Foto: red

Sie war mit Wagner befreundet, kämpfte gegen den Krieg und für die Gleichberechtigung, wohnte eine Zeitlang in Bayreuth - und hätte beinahe als erste Frau den Nobelpreis gewonnen: Maldwida von Meysenbug. Heute vor zweihundert Jahren, am 28. Oktober 1816, wurde die Pionierin der Frauenrechte geborgen.

 
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Jedes menschliche Wesen hat Anspruch auf eine Erziehung, die es fähig macht, auf sich selbst zu ruhen.“ Was heute so ganz selbstverständlich klingt, so ganz auf der Höhe der Zeit, wurde vor über hundert Jahrenin den „Memoiren einer Idealistin“ gefordert. Dieses Buch stammt aus der Feder einer Frau, die am 28. Oktober vor 200 Jahren in Kassel geboren wurde: Malwida von Meysenbug. Idealistin, Sozialistin, erste Frau, die für einen Nobelpreis nominiert wurde, Trauzeugin Richard Wagners und Cosima von Bülows, eine Europäerin und eine Kämpferin für die Verständigung der Völker.

Eine Frau mit Ideen fürs Heute, wie Marlis Wilde-Stockmeyer sagt. Sie ist Vorsitzende der Malwida-von-Meysenbug-Stiftung, die die Erinnerung an die bedeutende Frau seit 30 Jahren wachhält und ihr Werk zeitgemäß und kritisch betrachten will. Vehementes Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau, für Frieden, gegen Kriege und alles Militärische, für Freiheit, auch für die Entwicklung der Persönlichkeit des einzelnen Menschen und gegen Konventionen und Dogmen zeichneten Meysenbug aus: „Typisch für Malwida von Meysenbug und ungewöhnlich für eine Frau im 19. Jahrhundert war, dass sie Privates und Öffentliches in ihrem Werk so eng verbindet.“

Wurzeln in einer konservativen Familie

Diese ungewöhnliche Frau wurde am 28. Oktober vor 200 Jahren in Kassel geboren, als Malwida Rivalier. Den Adelstitel erhielt die Familie aufgrund der Verdienste des Vaters, der Minister des Kurfürsten war. Als sich die Stimmung gegen die konservative Regierung wandte, verließ der Vater Kassel im Gefolge des Kurfürsten. Die Mutter dagegen entkam mit dem Mädchen den politischen Unruhen nach Detmold. Dort lernte Malwida mit Mitte 20 den Theologen und politischen Schriftsteller Theodor Althaus kennen – der Mann mit der „Stirn der Denker, der Märtyrer“ wurde ihre erste Liebe. Schon diese Beziehung zu einem Demokraten irritierte die Familie. Malwida sollte sich lebenslang mit den Ideen des Sozialismus, der Demokratie und der Emanzipation beschäftigen – was das Verhältnis zu ihrer adeligen und konservativen Familie belastete.

1848 erlebte die 32-Jährige die Revolution und den Einzug des Vorparlaments in die Frankfurter Paulskirche. Sie widmete sich ihren Studien an der „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ in Hamburg, bis diese Einrichtung aufgelöst wurde. Mittlerweile verfügte Malwida von Meysenbug über beste Kontakte zu führenden Demokraten – ein Umstand, der sie zum Ziel von Nachforschungen und Schikanen machte. Sie floh nach London, wo sie mit Garibaldi und Mazzini zwei führende Figuren der italienischen Einigungsbewegung kennenlernte und die Kinder des russischen Philosophen und Schriftstellers Alexander Herzen unterrichtete. Ihre Art des Zusammenlebens beschrieb sie als frei gewählte Form der Familie.

Wagner traf sie in Paris

Von London aus ging es nach Paris, wo sie Wagner kennenlernte. Zeitweilig lebte sie in Bayreuth, an der Dammallee, später in Rom. Von Meysenbugs schriftstellerische Tätigkeit intensivierte sich, die Themen waren stets: die Emanzipation der Frau, die Um-Ordnung der Gesellschaft. 1872 reiste sie nach Bayreuth, um bei der Grundsteinlegung für das Festspielhaus zugegen zu sein. Im Bayreuther Modell sah sie ein Sinnbild ihrer Ideen zum Theater als „edelstem Kulturmittel für das Volk, überall in Deutschland. „Das Geld fände sich schon, wenn man ernstlich wollte.“

Wenige, aber qualitätvolle Aufführungen sah sie, „und zwar mit so billigen Preisen, daß auch die Unbegütersten daran teilnehmen und durch den Einfluß hoher Kunst zur Gesittung geführt werden könnten. Das wären Kulturaufgaben für die Regierungen, die besser wirken würden gegen Roheit und Verbrechen als Gefängnisse und Zuchthäuser“. So glücklich und froh hat nicht jeder seinem Glauben in die Kultur Ausdruck verliehen. Sie lernte Friedrich Nietzsche kennen, den sie förderte – und der sich später von ihr distanzierte, als sie an ihrer Freundschaft zu Wagner festhielt. In Bayreuth wohnte sie an der Dammallee übrigens mal in engster Nachbarschaft zu Wagners erstem Domizil innerhalb der Stadt.

Feind dem Militarismus

1876 erschien die erste Ausgabe der dreibändigen „Memoiren einer Idealistin“. Fortan galt ihr Leben ihrem schriftstellerischen und politischen Engagement. Sie schrieb Romane, Erzählungen und Artikel. Sie konzentrierte sich auf die Lage der Frauen – für die noch kein Wahlrecht vorgesehen war. Auch den Militarismus jener Zeit griff sie vehement an.

Sie lernte Romain Rolland kennen, mit dem sie zeitlebens eng befreundet war. Ihr letztes großes Werk, „Lebensabend einer Idealistin“, erschien 1898. Drei Jahre später war sie als erste Frau überhaupt für den Literaturnobelpreis nominiert – den allerdings der französischen Lyriker und Philosoph Sully Prudhomme erhielt. Erst acht Jahre später kam einer Frau, Selma Lagerlöff, die Nobel-Ehre zu. 1903 verstarb von Meysenbug in Rom. Sie hinterließ ihre Schriften und Gedanken. Für sie war klar, was klar sein sollte, bis heute aber – Stichwort Arbeitslohn – der Erfüllung harrt: „Die Frau ist so gut Staatsbürger wie der Mann“.

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