"Wir sind auch mal gescheitert"
Seit 1971 haben Pfarrer und Mitarbeiter nie daran gezweifelt, dass Jungen und Mädchen mit und ohne Behinderung gemeinsam aufwachsen sollten. Aber es lief nicht immer alles glatt: "Wir haben viel Lehrgeld gezahlt und sind auch mal gescheitert", sagt Fähler. Bei einem Kind hatte das Team damals angenommen, es fehle ihm nur an Liebe - dabei war das Kind autistisch, wie später klar wurde. "Wir dachten, wir können das. Wir waren heilfroh, als die Familie weggezogen ist. In den 70er Jahren kannten wir den Ausdruck Autismus gar nicht."
Montessori für gemeinsames Lernen
Im Lauf der Jahre wurde die Betreuung immer professioneller. Mit der Anerkennung folgten auch die Standards, Personalschlüssel und Ausbildungsvorgaben, die in allen anderen Kindergärten gelten. Heute besuchen 17 Kinder den Kindergarten der evangelisch-reformierten Kirche, fünf davon mit Behinderungen. Die Einrichtung arbeitet nach der Montessori-Methode. "Das ist ganz toll für behinderte und Regelkinder", sagt Kindergartenleiterin Sylvia Jahn. "Es gibt keinen Leistungsvergleich." Und jedes Montessori-Lernspielzeug ist so entwickelt, dass ein Kind selbst merkt, ob es alles richtig gemacht hat.
Keine Scheu vor Behinderungen
Eins hat sich in all den Jahren nicht geändert: "Die Kinder hatten kein Problem und keine Berührungsängste mit Behinderung", sagt Jochen Fähler. "Das hat uns sehr beeindruckt." Sylvia Jahn hat die gleiche Erfahrung gemacht: "Kindern im Kindergartenalter fällt gar nicht auf, dass jemand behindert ist. Sie kennen es von sich selbst, dass sie noch nicht alles können oder dass sie manchmal wütend sind." Wenn etwas auffalle, dann die körperlichen Andersheiten: "Wir hören öfter mal: 'Der läuft aber komisch'. Aber dann ist das eben so. Mit dieser Antwort sind die Kinder auch zufrieden." Die Kleinen hätten oft mehr Geduld als die Erwachsenen, wenn ein anderes Kind verhaltensauffällig sei. Jungen und Mädchen mit Down-Syndrom hätten sogar eine besondere Empathie, sagt Jahn. "Sie erkennen sofort, wenn jemand traurig ist."
Anfangs waren Eltern auch Betreuer
Schon von Beginn an gab es in dem Kindergarten Elterndienste, die Mütter und Väter übernahmen einen Teil der Betreuung. Anfangs ging es nicht ohne sie. "Über Versicherungsfragen zum Beispiel hat man sich damals keine Sorgen gemacht", sagt Fähler. Da hat eine Mutter einen VW-Bus mit Kindern vollgeladen und ist ins Grüne gefahren." Heute ist das undenkbar.
Pfarrer Jochen Froben. Foto: Andrea Pauly
Die Kinder in einer anderen Situation erleben
Die früher elementaren Elterndienste sind mittlerweile eine freiwillige Sache, die jedoch die meisten Eltern gerne nutzen, sagt Sylvia Hahn. Auch Simon Froben, seit 2005 Pfarrer der Gemeinde, hat seine Kinder im Kindergarten mitbetreut und sie dadurch in einer anderen Situation erlebt als zuhause.
Aus der wilden Zeit ist eine gute Zeit geworden
Seit langem gelten für den Kindergarten die gleichen gesetzlichen Vorgaben, der gleiche Personalschlüssel und die gleiche Finanzierung wie für jeden anderen auch. "Es gibt Schulungen und Förderung. Das ist toll. Aber bis hin in die Abrechnung und die Verwaltung ist auch vieles übergeregelt", sagt Simon Froben. "Aus der wilden Zeit ist eine Zeit geworden, in der es auch viel Gutes gibt."
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