Bayreuths größtes Konzert des Jahres Der meistgeliebte und meistgehasste Geiger der Welt

Von Florian Zinnecker
 Foto: red

David Garrett ist ein großes Märchen, und dieses Märchen beginnt nicht mit „Es war einmal“, sondern mit sehr viel Geigenunterricht. Das Ende des Märchens stand von Anfang an fest, der kleine David sollte ein berühmter Geiger werden, sein Vater wollte es so, weil der selbst früher gern ein berühmter Geiger geworden wäre. Was nicht ging, weil er zu spät begonnen hatte, das zu wollen, mit 12, 13. David sollte das nicht passieren.

 
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Deshalb, so erzählte Garrett einmal in einem Interview, bekam erst sein älterer Bruder eine Geige. Er versteckte sich unter dem Bett, wenn er üben sollte. Deshalb bekam David die Geige. Mit vier. Und übte, trat auf, wurde berühmt. Als Wunderkind.

Am Samstag gastiert Garrett auf dem Bayreuther Volksfestplatz, es ist das größte Konzert des Jahres, wenigstens nach der Besucherzahl: 9700 Zuschauer werden erwartet, fünfmal so viele wie beim Richard-Wagner-Geburtstagskonzert vor drei Wochen. Am gleichen Tag spielt in der Oberfrankenhalle das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. David Garrett tritt gegen Andris Nelsons an, Wundergeiger gegen Wunderdirigent.

Meistgeliebt und meistgehasst

Mit dem Wunderkind, das er einst war, hat Garrett aber nicht viel mehr gemeinsam als seinen Namen und sein Talent. Er sei der meistgeliebte und meistgehasste Geiger der Welt, schrieb einmal die „Zeit“. Der neue David Garrett ist am Schreibtisch entwickelt worden wie eine Boygroup. Dass er so geliebt und gehasst wird – das war der Plan. Er ist eine Inszenierung, keine schlechte, und die Inszenierung macht auch vor seiner Vergangenheit nicht halt. Nur sein Können, das ist echt.

David Garrett, das Wunderkind, hörte auf. Die Geschichte geht so: Er sollte mit 15 die Capricen von Paganini einspielen, er konnte zwei, aber die Plattenfirma wollte alle 24. David Garrett konnte nicht mehr, wollte nicht mehr, hatte Schmerzen, die Grenze war erreicht. Aber ein „Nein“ stand nicht zur Debatte, die Platte erschien, mit 24 Capricen.

Hemd und Mund offen

Es war seine letzte bei der Deutschen Grammophon. Der neue David Garrett steht bei Sony unter Vertrag, zwischen der letzten und der ersten lag eine Krise nach der anderen.

Der neue David Garrett ist ein Geiger, den es ohne Nigel Kennedy, ohne André Rieu, ohne Vanessa Mae so nicht gäbe. Vanessa Mae, klein, Asiatin, stand in Kleid und Stiefeln im Regen und spielte Vivaldi. Das Kleid war durchnässt, der Regen künstlich, die Geige weiß. Und der Vivaldi war mit Bässen unterlegt.

So macht es Garrett jetzt auch. Die Haare lang und blond gefärbt, das weiße Hemd halb offen, der Mund auch.

Geige ist kein Requisit

Die Musik firmiert unter dem Label Crossover und ist unglaublich erfolgreich. Er spielte den „Hummelflug“ von Rimsky-Korsakow, inzwischen ein Angeberstück für Showvirtuosen, und brach den Tempoweltrekord.

Dann ging seine Geige kaputt. Nach einer Show rutschte er auf der Bühnentreppe aus und fiel in seine Stradivari, ein Versicherungsfall, er wirkte in den Fernsehinterviews danach so, als habe er sich ein Bein gebrochen. Sie ist eben nicht nur ein Requisit, die Geige. Sie ist fast schon ein Körperteil. Schlecht ist sie auch nicht, die Inszenierung – sie ist einfach nur konsequent.


Den ausführlichen Artikel lesen Sie in der Mittwochsausgabe (12. Juni) des Kuriers.

Foto: dpa