CSU: Streit um Wahlrechtsreform

Die CSU will die Wahlrechtsreform rückgängig machen. Archivfoto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Der Streit um die Wahlrechtsreform eskaliert - der Frontverlauf ist allerdings ungewöhnlich. CSU-Chef Horst Seehofer liegt mit seiner eigenen Landtagsfraktion im Clinch und wirft ihr eine verantwortungslose Politik zum eigenen Nutzen vor.

 
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Im Streit um eine Wahlrechtsreform hat CSU-Chef Horst Seehofer seiner Landtagsfraktion eine verantwortungslose Politik nur zu ihrem eigenen Nutzen vorgeworfen. «Ich pflege eine Koalition mit den Bürgern. Und wenn man die absolute Mehrheit hat, kann man nicht durch eine Änderung des Wahlrechts ein Wahlrecht verabschieden, dass vor allem einem nutzt: der Christlich-Sozialen Union», sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag am Rande der Sitzung des Landtags.

Die Pläne der Fraktion sehen vor, dass bei Kommunalwahlen wieder ein Auszählverfahren angewendet wird, das tendenziell größere Parteien begünstigt. «Es geht für mich um meine politische Grundüberzeugung», betonte Seehofer seine kategorische Ablehnung der Pläne. Zudem wisse er genau, welche Folgen ein solches Handeln für die CSU hätten: «Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen. Wir sind in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl, wer dafür die Verantwortung übernehmen will, soll sie übernehmen. Ich tue es jedenfalls nicht.»

Zuvor hatte die CSU-Fraktion in ihrer Sitzung erneut kurz über die geplante Wahlrechtsreform diskutiert. Demnach soll der Antrag trotz der Kritik Seehofers am Mittwoch in den Innenausschuss eingebracht werden, bereits im April solle er dann im Landtag diskutiert werden.

Darum geht es:

Die Landtags-CSU will eine Ende 2010 einstimmig beschlossene Kommunalwahlrechtsreform rückgängig machen - und hat damit den Zorn der Opposition auf sich gezogen. Sie will bei Kommunalwahlen wieder ein Auszählverfahren anwenden, das tendenziell die größeren Parteien begünstigt - also in Bayern vor allem die CSU selbst: Ziel des CSU-Antrags ist es, dass künftig nicht mehr nach dem heute fast überall gängigen Hare-Niemeyer-Verfahren ausgezählt wird, sondern nach dem sogenannten d'Hondt'schen Höchstzahlverfahren.

Dieses gilt eigentlich als überholt und wird heute fast nirgendwo in Deutschland bei Kommunalwahlen mehr angewandt: nach einer Übersicht der Experten von wahlrecht.de nur noch im Saarland und in Sachsen.

Die Grünen kritisierten den CSU-Vorstoß mit scharfen Worten. «Die CSU weiß, dass die Sitzverteilung nach Hare-Niemeyer gerechter ist, und sie weiß auch, dass das Verfahren nach d'Hondt kleine Parteien benachteiligt», sagte der kommunalpolitische Sprecher Jürgen Mistol. Der CSU gehe es nur darum, «ihre Machtstellung zu verfestigen».

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann verglich die CSU mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump: «Die CSU verfährt nach der billigen Methode Trump. Errungenschaften der Vorgängerregierung – an der sie selbst beteiligt war – werden mit der Arroganz der Macht kassiert.» Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger warf der CSU einen «klaren Fall von Machtmissbrauch» vor. Sie trete «den Wählerwillen mit Füßen».

Tatsächlich hatte die CSU bei der Reform 2010 noch selbst argumentiert, dass das Verfahren nach d'Hondt zwar ein von der Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehenes Verfahren sei, aber tendenziell die größeren Parteien und Wählergruppen begünstige. «Das Verfahren nach Hare-Niemeyer bildet demgegenüber den Wählerwillen hinsichtlich kleinerer Parteien und Wählergruppen besser ab.»

Die geplante Rolle zurück begründet die CSU nun damit, dass «bei einem weiteren Erstarken populistischer Parteien die Gefahr der Zersplitterung» von Kommunalparlamenten bestehe, so dass deren Arbeit erschwert werde. Diese Argumentation nannte Mistol «durchsichtig». Tatsächlich hatte die CSU der Wahlrechtsreform 2010 nur zugestimmt, weil sie in der damaligen Koalition mit der FDP dazu gezwungen war.

Der CSU-Innenexperte Florian Herrmann betonte: «Die CSU setzt sich für starke und arbeitsfähige Kommunalparlamente ein.» Die Bürger wünschten sich diese «als vitale und handlungsfähige Einheiten». Seit 2010 aber seien kleine Gruppen überproportional in die Gremien eingezogen. «Anders als bei Landtags- und Bundestagswahlen gibt es bei Kommunalwahlen keine Fünf-Prozent-Hürde. Deshalb müssen wir die Zersplitterung von Entscheidungsgremien wie früher über das bewährte Sitzverteilungssystem regeln», argumentierte der CSU-Politiker.

Der Hintergrund: Grundsätzlich soll bei Verhältniswahlen jede Partei so viele Sitze im jeweiligen Parlament bekommen, wie es dem Anteil der Stimmen der Partei entspricht. Dies geht aber in der Realität und vor allem bei kleinen Parlamenten praktisch nie auf, so dass die verbleibenden Sitze nach bestimmten Verfahren verteilt werden müssen.

dpa

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