Cosplayer sind selten in der Region: Harald Schwemmer ist einer von ihnen Schrille Perücken und lange Kleider

Von Luisa Degenhardt
Der 30-jährige Harald Schwemmer ist Cosplayer. Er liebt jede Art von Verkleidung und schneidert seine Kostüme selbst. ⋌Foto: Luisa Degenhardt Foto: red

Lange Kleider, schrille Perücken und ausgefallene Accessoires: Cosplayer sind die Meister des Verkleidens. Harald Schwemmer ist einer von ihnen — seit fünf Jahren widmet er sich seinem ungewöhnlichen Hobby. Und muss dabei auch mit viel Kritik umgehen.

 
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Wenn Harald Schwemmer zu Trixie wird, verwandelt er sich in einen anderen Menschen. Nicht nur äußerlich. Da sind zwar das blaue Kleid mit den Ärmeln aus durchsichtiger Spitze, der lilafarbene, breitkrempige Hut sowie die hellblauen Schuhe mit Schleifchen und schwindelerregendem Absatz. Doch da ist auch ein Harald Schwemmer, der als Trixie viel selbstbewusster scheint. Der kokett lächelnd mit gefalteten Händen für das Foto posiert.

Der 30-Jährige ist Cosplayer. Was bedeutet, dass er sich gerne verkleidet, nicht nur zur Faschingszeit. Beim Cosplay gibt es die verschiedensten Stilrichtungen. Eine heißt Lolita und kennzeichnet mädchenhafte Kleider.

Stöbern auf Stoffmärkten

Bei den Kostümen des Steampunk spielen die Mechanik und der viktorianische Kleidungsstil eine große Rolle. Visual Kei geht eher in die Emo-Richtung, was eine jugendkulturelle Modeerscheinung bezeichnet. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Manche Cosplayer verkleiden sich als Pokémon, andere als Ananas, Drachen oder Krieger. Die Vorlagen stammen aus Filmen, Serien, Büchern oder der Realität.

Schwemmer bevorzugt den Lolita-Stil. Zu dieser Richtung gehört auch sein Trixie-Kostüm — ein Charakter aus der Kinderserie „My Little Pony“. Es ist sein liebstes. Harald Schwemmer liebt sein ungewöhnliches Hobby. „Ich mag, dass man in verschiedene Rollen schlüpfen kann“, sagt er.

Ausbildung zum Schneider

Er näht seine Kostüme meistens selbst, hat eine Ausbildung zum Schneider gemacht. Dazu geht er viel auf Stoffmärkte und kauft Reste auf. Gerade macht er ein Männerkostüm, einen schwarzen Mantel mit goldenem Saum. Die Vorlagen findet er in Cosplay-Magazinen. Für ein Kostüm braucht er etwa eine Woche.

Sechs Verkleidungen hat er bereits, allesamt Frauenkostüme. „Von den weiblichen Charakteren her gibt es mehr und die haben schönere Sachen“, antwortet Schwemmer auf die Frage, warum er als Cosplayer bisher nur Frauenkleider trägt.

Bisher nur Frauenkleider

Seit fünf Jahren ist er nun Cosplayer. „Ich bin durch Zufall darauf gekommen.“ Beim Stöbern im Internet ist er darauf aufmerksam geworden und wollte das Cosplay ausprobieren. Seitdem fährt er manchmal am Wochenende zu Treffen. Dort hat er schon viele Kontakte geknüpft. Stolz holt er sein Poesiealbum, das er bei einem der Treffen dabei hatte. Wenn er es ansieht, beginnt er zu strahlen. Denn darin finden sich Manga-Zeichnungen anderer Verkleidungsfans und Sprüche wie „hammer Kostüm“.

Elke Kormann ist seine Betreuerin im ambulant betreuten Wohnen. Als sie ihn vor acht Jahren kennengelernt hat, war er noch ein ganz anderer. Damals zog er nach Auerbach und begann in der Schneiderei von Regens Wagner zu arbeiten.

Er ist lernbehindert und war damals sehr introvertiert. „Meine Hauptaufgabe war, dass er mehr Selbstbewusstsein bekommt“, sagt Kormann. Dazu hat sie viel mit ihrem Schützling unternommen: Sie haben zusammen seine Wohnung geputzt, sind weggegangen, Kormann hat ihn in eine Gruppe bei Regens Wagner integriert. „Am Anfang hatte er Probleme, mit den anderen zu sprechen“, meint Kormann. Aber er hat sich verändert. „Das fällt ihm mittlerweile ganz leicht.“

Nach und nach aufgetaut

Kormann erzählt, dass Haralds Vater von seinem Hobby anfangs nicht so begeistert war. Doch sie findet es toll. „Für mich ist das cool, wenn sich jemand so etwas traut.“ Wenn er mit den hohen Hacken durch seine Wohnung läuft, sagt sie: „Ich könnte das nicht. Er kann sogar damit rennen.“ Anfangs habe er gar nicht über sein Hobby reden wollen. Doch nach und nach sei er aufgetaut, ein paar Mal kam er sogar verkleidet nach Michelfeld.

Da hat er auch einige blöde Kommentare zu hören bekommen. Solche wie „ist denn schon wieder Fasching“. Manchmal, sagt Harald Schwemmer, erklärt er den Leuten, was es mit seiner Kostümierung auf sich hat. Manchmal geht er einfach weiter.

Doch Harald Schwemmer steht zu seinem Hobby. Auch wenn er damit in Auerbach ein ziemlicher Exot ist. Einen anderen Cosplayer außer ihm gibt es in der Stadt nämlich nicht.

Beim Werkstattfasching von Regens Wagner hat er den ersten Platz gemacht. Wenn er sich in Schale schmeißt, muss alles passen. Dann wird mit dem Dreitagebart kurzer Prozess gemacht — weil Kleid und Bart nicht zusammenpassen. Heute fehlt nur noch die Perücke für die perfekte Trixie. Insgesamt hat er drei. Eine türkise für Trixie, eine rote und eine blonde.

Elke Kormann sagt, dass das Cosplay Harald viel selbstbewusster gemacht hat. Sie sagt auch, dass sich die Rollenspiele eignen, um bestimmte Gespräche zu üben. Die dann auch im „echten Leben“ zustande kommen. Doch für sie haben die Treffen noch einen anderen Sinn: „Da kommen die zusammen, die aus der Realität mal rauskommen wollen. Sie können sich hinter einer Maske verstecken.“ Das macht es leichter, Kontakte zu knüpfen. Sie vergleicht das Cosplay mit einer modernen Märchenwelt.

Harald Schwemmer gibt zu, dass das Kostümspiel für ihn zum Teil eine Flucht aus der Realität ist. Doch wohl fühlt er sich in beiden Welten. „Man muss ja in beiden leben“, sagt er und lacht.