Bundestags-Direktkandidat Südthüringer CDU schickt Maaßen ins Rennen

, aktualisiert am 01.05.2021 - 08:15 Uhr

Die Südthüringer CDU hat sich klar entschieden: Mit 86 Prozent der Stimmen nominiert sie den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zum Bundestagskandidaten – trotz Gegenwind aus der Parteispitze. Der Rheinländer will jetzt zur Stimme Südthüringens werden.

 
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Suhl - Als Michael Heym am Freitagabend den Saal des Congress Centrums Suhl betritt, ist er guter Dinge. In den nächsten eineinhalb Stunden wird hier der CDU-Bundestagskandidat für den Wahlkreis Schmalkalden-Meiningen/Sonneberg/Hildburghausen/Suhl gewählt. Heym ist als Meininger Landtagsabgeordneter schon lange im politischen Geschäft und einer der 43 Delegierten seiner Partei, die den Kandidaten nominieren werden. Er weiß, wen er wählen wird. Sein Wunschkandidat ist Hans-Georg Maaßen, weil er im zutraut, das Direktmandat zu holen. Nach dem Masken-Skandal und den Bestechungsvorwürfen gegen den zurückgetretenen Suhler Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann ist der Ruf der CDU lädiert. Heym ist zuversichtlich, dass Maaßen mit seinen konservativen Wertekompass die Union im Wahlkampf zum Sieg führen kann.   Und er ist sicher, dass viele im Saal genauso denken wie er. „Mein Tipp: 80 Prozent oder mehr stimmen für Maaßen“, prognostiziert Heym  freimütig.
 
86 Prozent – also 37 Delegierte - werden es am Ende sein, die den umstrittenen früheren Verfassungsschutzpräsidenten wählen, den einige für einen Rechtsaußen halten. Ralf Luther, 22 Jahre bis zu seinem Ruhestand ein ebenso erfolgreicher wie beliebter Landrat in Schmalkalden-Meiningen, hält ihn ganz und gar nicht dafür. Wer sich mit Luther unterhält, der spürt seine Sorge vor einem Wahlsieg der AfD. Der 68-Jährige erzählt von der zurückliegenden Landtagswahl in Schmalkalden, wo die etablierten Parteien gute Kandidaten aufstellten. Doch den Sieg fuhr ausgerechnet der unbekannte AfD-Mann ein.

„Die AfD hätte auch einen Besenstil mit dem Parteilogo dran aufstellen können. Der wäre auch gewählt worden“, sagt Luther bitter. Ein solcher Tiefschlag müsse jetzt bei der Bundestagswahl unbedingt verhindert werden – mit Maaßen sei das möglich.  „Er ist unsere einzige Chance, das Direktmandat für die CDU in Südthüringen zu holen“, findet  Luther. Alle Parteien redeten davon, die AfD zurückdrängen zu wollen. „Wir tun etwas dafür, ganz pragmatisch.“ Er habe kürzlich die Gelegenheit zu einem 20-minütigen Gespräch mit dem früheren Spitzenbeamten gehabt. „Er ist sehr sachlich, unheimlich belesen und klug. Er setzt die richtigen Akzente, um die Wahl zu gewinnen und dafür zu sorgen, dass die AfD in unserer Region nicht die Oberhand gewinnt“, findet Luther.

Mahnende Hinweise kümmerten Wahlkreisvertreter wenig

Maaßen ist umstritten. Wegen seiner Haltung zu Flüchtlingsfragen, wegen mancher Äußerung. Er ist ein Merkel-Kritiker und das Gesicht der rechtskonservativen Werteunion.  Der Thüringer CDU-Chef Christian Hirte hatte sich gegen seine Nominierung ausgesprochen, auch andere Spitzenpolitiker der Union. Die Südthüringer Christdemokraten kümmert das aber wenig. Diese Standfestigkeit gefällt Maaßen. „Sie haben entschieden und niemand anders. Das ist ein gutes Zeichen für die Demokratie“, rief der Jurist und Rechtsanwalt  den Delegierten nach der klaren Entscheidung im Suhler Simson-Saal zu. Der 58 Jahre alte Pensionär hatte zuvor  in seiner Bewerbungsrede betont, er  wolle Botschafter und Interessenvertreter der Südthüringer in Berlin sein und sich bei seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten in der hiesigen Region eine Wohnung nehmen. Er kenne den politischen Betrieb und werde nicht als Anfänger von der Hinterbank aus agieren.

Er stellte sich in seiner Bewerbungsrede als Vertreter eines antisozialistischen, aber sozialen Konservatismus vor, im Sinne seiner politischen Vorbilder Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß. Er mache sich große Sorgen um den Zustand Deutschlands und die Demokratie. Maaßen grenzte sich erneut von der AfD ab. „Ich habe wiederholt erklärt, dass ich eine Zusammenarbeit mit der AfD entschieden ablehne.“ Die  CDU brauche wieder Profil und dürfe keine Angst vor Widerspruch haben, sagte er mit Blick auf die schlechten Umfragewerte. Die Partei dürfe  sich nicht an Grün herankuscheln, betonte Maaßen. Er stehe für die konservative CDU, wolle der AfD so viele Stimmen wie möglich abjagen und auch Nichtwähler gewinnen.  Er trete an, weil er sicher sei, die Wahl im September auch gewinnen zu können. Die Südthüringer Christdemokraten setzen große Hoffnung auf den früheren Verfassungsschutzchef, der in Berlin und Mönchengladbach wohnt.
 
Ralf Liebaug, der Vorsitzende des stärksten Südthüringer CDU-Kreisverbandes Schmalkalden-Meiningen,  hatte Maaßen als aussichtsreichen Ersatzkandidaten nach dem Hauptmann-Skandal mit  ins Gespräch gebracht. Die Sehnsucht, die konservative Seite der CDU wieder stärker zu betonen, ist in der Südthüringer Union  weit verbreitet. Nicht wenige sehen darin den Schlüssel zum Wahlerfolg. „Unser Anspruch ist es, den Wahlkreis im September zu gewinnen. Und wenn wir gewinnen, dann gewinnt nicht die AfD und nicht die Linkspartei“, betont Liebaug  seitdem immer wieder.  In Suhl warb er für die Nominierung  des Ex-Geheimdienstlers zum Direktkandidaten: „Man kennt ihn. Und er wird ernst genommen. Das sind die besten Voraussetzungen für einen Bundestagsabgeordneten.“ Maaßen benutze eine klare, deutliche Sprache, die vielen im politischen Geschäft abhandengekommen sei.

An der Spitze seines Verbandes war Liebaug mit der Personalie Maaßen von Anbeginn auf offene Ohren gestoßen, auch aus Hildburghausen vernahm er Zustimmung, ebenfalls, wenngleich verhaltener, aus Sonneberg. Nur die Suhler CDU tat sich schwer, ausgerechnet. Dort ist Liebaug Büroleiter des CDU-Oberbürgermeisters André Knapp. Und Knapp war es, der die Einheimischen-Karte ausspielte. Der Stadtchef schlug Hardy Herbert aus Bad Salzungen vor. Als CDU-Stadtverbandsvorsitzender stehe er für eine konservativ-liberale Politik, die in Südthüringen verwurzelt ist. „Es sollte jemand aus der Region sein, der uns im Bundestag vertritt.“

Gleichwohl zeigte Knapp Verständnis für die Unterstützer Maaßens. „Die konservative Seele der CDU verlangt nach jemandem aus diesem Spektrum.“ Diese gehöre auch zur Bandbreite einer Volkspartei. Trotzdem sei für ihn die regionale Verwurzelung ausschlaggebend, deshalb werde er für Hardy Herbert stimmen, kündigte er vor der Sitzung an. Aus dem Suhler Verband wurde als weiterer Anwärter der Ministerialbeamte Hans-Arno Simon aus Erfurt vorgeschlagen, der aber zugunsten Herberts auf eine Kandidatur verzichtete. Simon sagte, er habe die Kandidatur Maaßens zunächst für einen Aprilscherz gehalten. Er halte ihn nicht für den besten Kandidaten für Südthüringen und unterstütze Herbert.

Der Rechtsanwalt und Steuerberater aus Bad Salzungen ging als Außenseiter ins Rennen und betonte seine starke Verwurzelung in der ländlichen Region und seine starke Heimatliebe in der Vorstellung. Auf ihn entfielen bei der Wahl nur sechs Stimmen. Der Bad Salzunger bedauerte zwar, dass die zurückliegenden Wochen nicht ausgereicht hätten, um sich überzeugend zu präsentieren. Am Ende gab er sich aber als souveräner Verlierer: „Ich denke, das klare Signal bei dieser Wahl ist das Beste für die CDU.“

Maaßen streitet bei der Bundestagswahl im September mit zwei prominenten Gegnern um die Gunst der Wähler. Die SPD wird die Biathlon-Legende Frank Ullrich ins Rennen schicken, die Linken den stellvertretenden DGB-Vorsitzenden von Hessen-Thüringen,  Sandro Witt. Die AfD nominierte den Sonneberger Kommunalpolitiker Jürgen Treutler.
 
Die CDU-Veranstaltung stieß auf großes Medieninteresse und bot womöglich einen Vorgeschmack auf künftige Maaßen-Auftritte. Fernsehsender und Pressevertreter aus ganz Deutschland reisten nach Suhl, um über den Wahlausgang zu berichten, darunter Journalisten von Spiegel, Cicero, Rheinische Post, Deutsche Presseagentur und Berliner Zeitung, von ARD, ZDF, ntv und RTL. Uwe Möllerhenn, Delegierter aus der Rhön, staunte über den Medienandrang. „Der Presseauflauf lässt jeden Landesparteitag blass aussehen“, meinte er lachend.

Scharfe Kritik und klare Kante

Von Grünen und SPD kam scharfe Kritik an der Nominierung Maaßens. Die aus Thüringen stammende Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, schrieb auf Twitter: «Mit #Maaßen öffnet die CDU ihre Türen nach rechts.» CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet müsse dringend die Frage beantworten, ob und wie er dagegen klare Kante zeigen werde. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner wertete die Personalie Maaßen auf Twitter als Signal, dass sich die CDU aus der Mitte entferne.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, bezeichnete Maaßen als «Ideologen und Hetzer». Mit der Nominierung überschreite die CDU eine Grenze nach rechtsaußen, schrieb Schneider, der Thüringer ist, auf Twitter. Die Landes-SPD twitterte ebenfalls, mit Maaßen fische die CDU am rechten Rand. «Wir schicken die ostdeutsche Sportlegende Frank Ullrich gegen #Maaßen ins Rennen und überlassen ihm nicht den Wahlkreis», erklärte die SPD mit Hinweis auf den früheren Weltklasse-Biathleten.

Die Linken-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sagte den Funke-Zeitungen: «Die Brandmauer nach rechts ist weg.» Die demokratischen Parteien diesseits der Union sollten jetzt alles tun, um zu verhindern, dass ein Maaßen im nächsten Bundestag sitzt.»

Maaßen kündigte an, er werde im Wahlkampf den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, unterstützen. «Wir stellen uns hinter unseren Kanzlerkandidaten.» Zu seinem Verhältnis zu Laschet sagte der 58-Jährige: «Ich glaube nicht, dass wir so weit auseinander sind.» Diskussion zeichne eine Volkspartei wie die CDU aus. hi/er/dpa

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