Bürgermeister reden Minister ins Gewissen

Von Moritz Kircher
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, hier beim Kurier-Redaktionsgespräch, sprach in Hirschaid mit Bürgermeistern über ihre Sorgen. Archivfoto: Andreas Harbach Foto: red

Wenn Bayerns Innenminister Joachim Herrmann mit oberfränkischen Bürgermeistern am Tisch sitzt, klopft ihm kaum jemand auf die Schulter. Unterkünfte für Asylbewerber, die Straßenausbaubeitragssatzung und die leeren kommunalen Kassen sind Probleme, die zur Sprache kommen, wie sich bei einem Treffen von Vertretern des Bayerischen Gemeindetages in Hirschaid (Landkreis Bamberg) zeigte.

 
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Straßenausbaubeitragssatzung

Beim Zankapfel Straßenausbaubeitragssatzung (SABS) fanden der Minister und die Bürgermeister nicht zueinander. Grundsätzlich müssen Gemeinden in Bayern diese Satzung haben, mit der Haus- und Grundstücksbesitzer an den Kosten einer Grundsanierung einer Straße beteiligt werden können. Nur besonders wohlhabende Gemeinden dürfen auf eine SABS verzichten. Und München.

Die Ausnahme für die Hauptstadt sei "für uns Landgemeinden ein dicker Kloß im Hals", sagte der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Gemeindetages, Egon Herrmann. Das widerspreche dem Ziel der Staatsregierung, gleiche Lebensbedingungen in ganz Bayern zu schaffen. Vor dem Bürger sei die Ausnahme für die Landeshauptstadt nicht zu rechtfertigen, klagten einige Bürgermeister in der Runde. "Das Beispiel München hat uns wirklich wehgetan", sagte der Pottensteiner Bürgermeister Stefan Frühbeißer.

Minister Herrmann entgegnete: "Da bin ich in der Tat etwas anderer Meinung." Eine SABS stehe für München in keinem Verhältnis zum Verwaltungsaufwand. Und die möglichen Einnahmen durch eine Satzung seien "Peanuts im Vergleich zur Summe, die München mit der Grundsteuer einnimmt." Er gehe davon aus, dass es in Oberfranken keine Gemeinde gibt, die einen ähnlich hohen Grundsteuersatz erhebe, wie München. Damit begründet der Minister eine Ausnahme für die Landeshauptstadt.

Stabilisierungshilfe

Hoch verschuldeten Gemeinden gewährt der Freistaat finanzielle Unterstützung - die sogenannte Stabilisierungshilfe. Allerdings nur unter der Auflage, dass die Gemeinden sparen und ihre Einnahmen verbessern. Egon Herrmann forderte von Minister Herrmann, den Gemeinden ein größeres Stück vom Steuerkuchen abzugeben, damit sie keine Stabilisierungshilfe brauchen. "95 Prozent der bayerischen Kommunen sind in dieser Situation", entgegnete der Minister. Der Schuldenstand der Gemeinden im Freistaat sinke seit fünf Jahren.

Daher sieht er keine Notwendigkeit, an dem System der kommunalen Finanzierung etwas zu ändern. Um auf die "spezielle Situation in Oberfranken" einzugehen, sei es besser, dort gezielt zu helfen, statt den kommunalen Finanzausgleich von Grund auf zu ändern. Herrmann weiter: "Wir bringen sehr viel Geld in die Region." Etwa die Hälfte der Stabilisierungshilfe in ganz Bayern fließe nach Oberfranken.

Asyl

Über die Folgen des Zustroms von Flüchtlingen machte sich der Himmelkroner Bürgermeister Gerhard Schneider Gedanken. "Wir bekommen völlig neue Probleme, nachdem wir jetzt viele Syrer bekommen." Bei diesen sei absehbar, dass Asylanträge genehmigt werden. Doch dann werde auf dem Land der Wohnraum knapp. "Ich müsste zehn bis 15 Wohnungen pro Jahr zur Verfügung stellen", sagte Schneider. "Die habe ich nicht."

Noch dramatischer werde sich die Situation in kleinen Orten mit großen Gemeinschaftsunterkünften entwickeln, schätzt der Kulmbacher Kreisvorsitzende des Bayerischen Gemeindetages. Denn wenn Flüchtlinge anerkannt würden, seien sie gehalten, aus den Sammelunterkünften auszuziehen und sich eine eigene Wohnung zu suchen. Hier seien am Ende die Bürgermeister in der Verantwortung und mangels Wohnraum wohl überfordert.

"Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten sehr pragmatisch agieren", sagte der Minister. "Vielleicht auch auf Sicht fahren." Denn niemand könne abschätzen, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln. Waren es noch im Oktober bis zu 5000 Menschen, die täglich über die Grenze kamen, seien es derzeit noch rund 150. Wenn der Platz da sei, könnten anerkannte Flüchtlinge vorerst auch in den Sammelunterkünften bleiben. Nichtsdestotrotz sieht Herrmann auch die Notwendigkeit, den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. "Wohnungsneubau brauchen wir auf jeden Fall", sagte Herrmann.

Das Fazit von Stefan Frühbeißer

Ergebnisse hat sich der Bayreuther Kreisvorsitzende von dem Treffen mit dem Innenminister nicht erwartet. Die Gemeinden müssten vielmehr kontinuierlich deutlich machen, "dass es in vielen Teilbereichen eine Schere zwischen armen und reichen Kommunen gibt, die immer weiter auseinander geht". Mit der Aussage Herrmanns, dass es den Gemeinden in Bayern im Durchschnitt gut gehe, ist Frühbeißer nicht zufrieden. Denn das verstelle den Blick auf die strukturellen Probleme der armen Kommunen.

Da helfe auch keine Stabilisierungshilfe, die Frühbeißer als eine Soforthilfe bezeichnete. "Aber das ändert nichts daran, dass man strukturelle Verbesserungen braucht." Sein Rezept: Hilfe zur Selbsthilfe geben. "Die Stabilisierungshilfe ist nur eine Sofortmaßnahme, ein Löschen eines Brandes, bevor ein Flächenbrand entsteht."

Frühbeißer schlägt andere Lösungen vor als der Minister. Die extremen Schwankungen beim kommunalen Finanzausgleich müssten durch eine neue Berechnungsgrundlage beendet werden. Und vor allem müssten Gemeinden dort unterstützt werden, wo ihre Stärken liegen. In Pottenstein ist das der Tourismus. Wenn dort der Tourismus gefördert würde, "dann haben wir die Chance, uns aus eigener Kraft weiterzuentwickeln". Die wichtigste Aufgabe aus Frühbeißers Sicht: "Wir müssen auf die Gemeinden zugeschnittene Unterstützung geben und nicht mit der Gießkanne versuchen, Brände zu löschen."

Das Fazit von Gerhard Schneider

"Der Dialog zwischen Ministerium und Gemeinden war sehr gut", bilanzierte der Kulmbacher Kreisvorsitzende des Bayerischen Gemeindetages nach dem Treffen in Hirschaid. "Wir stehen vor großen gemeinsamen Herausforderungen, wenn man zum Beispiel an die Wohnungsproblematik im Asylbereich denkt", sagt Schneider. "Hier ist ein riesiges Konfliktpotenzial da", sagt er. Und der Minister habe ehrliche Antworten gegeben.

Auch bei der finanziellen Ausstattung der Gemeinden sieht Schneider den Freistaat auf dem richtigen Weg. Bayern habe in den letzten Jahren die Mittel für den kommunalen Finanzausgleich aufgestockt. "Damit können viele Gemeinden ganz gut leben." Trotzdem gebe es Gemeinden, die besondere Hilfen brauchen. Da sei die Stabilisierungshilfe ein taugliches Mittel, das auch über die ursprünglich angedachte Dauer von fünf Jahren verlängert werden solle, wie von der Staatsregierung mittlerweile durchsickert.

In Sachen Stabilisierungshilfe ist Schneider also auf der Seite des Ministers. Er halte es für richtig, gezielt den finanzschwachen Gemeinden zu helfen, statt gleich das gesamte System zu verändern. "Ich glaube nicht, dass für 100 Gemeinden in Oberfranken für 2000 Gemeinden in ganz Bayern der Finanzausgleich geändert wird."

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