Briefkästen bleiben leer Postzusteller zwei Tage im Warnstreik

Sie waren bestens gelaunt, die Zusteller aus Naila, Selb, Marktredwitz und Speichersdorf, die sich am Freitag in Himmelkron zur Streikversammlung trafen. Foto: Gunter Becker

Die Zusteller von vier Zustellbezirken in Oberfranken sind dem Aufruf zum zweitägigen Warnstreik der Gewerkschaft Verdi gefolgt. Damit wollen sie wie viele andere Kollegen deutschlandweit Druck auf die Tarifverhandlungen ausüben. Verdi fordert 15 Prozent mehr Gehalt und Lohn.

 
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In Teilen Oberfrankens bleiben am Samstag, 28. Januar, die Briefkästen leer. Auch Pakete werden nicht zugestellt. Die Zustellerinnen und Zusteller der Zustellbezirke Selb, Naila, Marktredwitz und Speichersdorf der Deutschen Post sind bereits am Freitag ab 6.30 Uhr dem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt und in einen Warnstreik, der bis Samstag, 24 Uhr, dauert, getreten. Am Freitagmorgen trafen sich rund 100 Zusteller in Himmelkron im Gasthaus Opel zur Streikversammlung.

Forderung ist nicht überzogen

Nach zwei Verhandlungstagen, an denen die Vertreter der Deutschen Post nicht einmal ein Angebot vorgelegt hätten, sei es an der Zeit gewesen, Druck auszuüben, sagte Gewerkschaftssekretärin Nicole Rufin, im Verdi-Bezirk Oberfranken-Ost zuständig für den Bereich Postdienste, Speditionen und Logistik. Schließlich sei das hier keine Tanzveranstaltung. Die Kolleginnen und Kollegen müssten wieder ihre Rechnungen bezahlen können, sagte sie unter Beifall der Streikenden.

Um die galoppierende Inflation ausgleichen zu können, sei die Forderung der Gewerkschaft – 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten – nicht überzogen. Die Post habe in den beiden vergangenen Jahren Milliardengewinne erwirtschaftet. Damit sei die Forderung der Gewerkschaft, die sich für alle Beschäftigten auf rund eine Milliarde Euro summiere, für die Post leistbar.

Leiharbeiter verdienen mehr

Dass die Beschäftigten der Deutschen Post deutlich zu wenig verdienen, zeige der Vergleich mit privaten Zustellfirmen. Diese zahlten ihren Mitarbeitern bei gleicher Tätigkeit bis zu 14 Prozent mehr Lohn, sagte Rufin. Selbst Leiharbeitnehmer in den Verteilzentren der Deutschen Post verdienten bis zu 300 Euro mehr.

In den vergangenen Jahren habe man, so die Gewerkschaftssekretärin weiter, moderaten Abschlüssen zugestimmt. Jetzt, in Zeiten hoher Inflation, sei ein höherer Abschluss aber absolut notwendig. Man wolle zwar nicht in die Erzwingung gehen, sagte Rufin, stehe aber bereit, die Aktionen auszuweiten. Denn: „Man muss sich holen, was einem zusteht.“

Kein Geld für Auto und Rücklagen

Die Zustellerinnen und Zusteller unterstützen die Forderung ihrer Gewerkschaft voll und ganz. „Mit unserem Einkommen kannst du keine Rücklagen bilden“, sagt Melih. „In diesen Zeiten schon zwei mal nicht.“ Er verdiene rund 1680 Euro netto im Monat und bliebe damit wie die meisten seiner Kollegen unter 2000 Euro. Sein Vorteil: Er kann, wie sein Kollege Martin, zu Fuß oder mit dem Rad zum Arbeitsplatz kommen. Ein Auto, sagt Martin, könne er sich nicht leisten. Wer wie sein Kollege Johnny eine vierköpfige Familie ernähren muss, kommt nur schwer über die Runden. Auch er verdient unter 2000 Euro, muss davon einen Kredit abzahlen, steigende Energiekosten schultern. „Ohne ein zweites Einkommen durch die Ehefrau oder einen Nebenjob können wir nicht existieren“, sagt der Zusteller.

Hohe körperliche Belastung

Was den Zustellern neben ihrem Einkommen noch gemeinsam ist: Die hohe körperliche Belastung durch ihre Arbeit. Jeden Tag liefere er durchschnittlich 100 Pakete aus, in der Vorweihnachtszeit bis zu 150, sagt Melih. Ein Paket darf bis zu 31,5 Kilogramm schwer sein. Rückenschmerzen, Probleme mit den Knien und Handgelenken seien weitverbreitet, Berufskrankheit eben, sagt eine Kollegin, die seit über 30 Jahren im Postdienst tätig ist und als einzige die Gehaltsschwelle von 2000 Euro überschreitet. Ihr Vorteil: Sie trat in die Post ein, bevor diese in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Ab Montag werden die Zusteller wieder Post und Pakete ausfahren. Es werde ein harter Tag werden, sagen sie. Deutlich anstrengender als sonst. Schließlich müssen sie zusätzlich zu den täglichen Sendungen auch die liegen gebliebenen Pakete und Briefe ausfahren. Vielleicht erhalten sie von den Kunden dann das, was der Arbeitgeber Deutsche Post laut Rufin den Kollegen seit Jahren vorenthält: Wertschätzung.

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