Risiken aus gemeinsamer Geldpolitik schlagen durch
Die Notenbanken des Eurosystems hatten in den vergangenen Jahren in großem Umfang Staats- und Unternehmensanleihen gekauft, um die Konjunktur anzukurbeln und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Viele dieser Papiere werfen relativ niedrige Zinsen ab, zugleich müssen die Notenbanken ihrerseits Geschäftsbanken inzwischen wieder deutlich höhere Zinsen für geparkte Gelder zahlen.
Die Bundesbank hatte schon unter Nagels Vorgänger Jens Weidmann Milliarden für mögliche Risiken aus der gemeinsamen Geldpolitik unter Führung der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückgelegt. Im Geschäftsjahr 2022 nutzte die Bundesbank rund eine Milliarde Euro aus ihrer Risikovorsorge, um einen Verlust zu vermeiden. Die noch vorhandene sogenannte Wagnisrückstellung in Höhe von 19,2 Milliarden Euro löste die Bundesbank nun komplett auf. Darüber hinaus wurden rund 2,4 Milliarden Euro aus Rücklagen entnommen. Somit verbleiben den Angaben zufolge noch Rücklagen von knapp 700 Millionen Euro.
Nagel: Kampf gegen Inflation noch nicht gewonnen
"2023 schlagen die Leitzinsanhebungen voll durch", erläuterte Nagel. Die Euro-Währungshüter hatten im Kampf gegen die hohe Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Folge die Leitzinsen im Euroraum nach oben gesetzt. Die Zinswende machte sich auch in der Bilanz der EZB bemerkbar: Für 2023 wies die EZB erstmals seit 2004 einen Verlust aus. Wie schon ein Jahr zuvor fiel daher die Ausschüttung an die nationalen Notenbanken im Euroraum aus. "Die EZB-Verluste werden früher oder später die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Bundesbank belasten", führte Mauderer aus.
Nagel bekräftigte: "Auch wenn die Versuchung groß sein mag: Für Zinssenkungen ist es zu früh." Die Inflation sei zwar sowohl in Deutschland als auch im Euroraum auf dem Rückzug. Aber noch sei das Ziel nicht erreicht. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Über Jahre hatte das Bundesfinanzministerium im Bundeshaushalt traditionell einen Bundesbankgewinn in Höhe von 2,5 Milliarden Euro eingeplant. Noch 2019 durfte sich der damalige Ressortchef und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den höchsten Bundesbank-Gewinn seit der Finanzkrise freuen: 5,85 Milliarden Euro.