Besser lernen: So klappt‘s

Von Renate Allwicher
Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir lernen? Mit dieser Frage beschäftigen sich unter anderem die Wissenschaftler Tomas Goucha und Alfred Anwander vom Max-Planck-Institut in Leipzig, hier mit Hilfe von Aufnahmen eines Magnet-Resonanz-Tomographen. In jedem Fall müsse Wissen spannend sein, damit wir es uns merken, sagt Ralf Hofmann, der darüber in Bayreuth einen Vortrg hielt. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa Foto: red

„Lernen macht unheimlich viel Spaß!“ Das ist ein Satz, den am Tag der Zwischenzeugnisse manch ein Schüler kaum glauben mag. Ralf Hofmann ist aber überzeugt davon. Sein Credo: „Ohne Spaß geht Lernen überhaupt nicht.“ Sein Tipp an alle, die im zweiten Schulhalbjahr noch einmal Gas geben wollen: „Schreibt euch mehr Spickzettel.“

 
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Ralf Hofmann nennt sich selbst Merkmeister. In Zusammenarbeit mit Hirnforschern und Psychologen, entwickelte er praktische Tipps zum Lernen und Merken, das immer auch Spaß machen könne. Sein wichtigster Tipp zur Zeit der Zwischenzeugnisse lautet jedoch: „Schulnoten sind im Leben nicht alles. Erfolgserlebnisse sind aber wichtig. Wenn es in der Schule mal nicht so läuft, dann holt sie euch woanders, zum Beispiel im Sport.“ Dann falle es auch wieder leichter, den Schulstoff mit Interesse und Humor anzugehen - und ein paar guten Tricks.

So funktioniert unser Gedächtnis

„Unser Gedächtnis funktioniert hervorragend“, sagt Hofmann. Allerdings merkt es sich leider nicht das, was wichtig ist. Auf unser Gehirn wirken pro Sekunde 1,4 Millionen Eindrücke. Die müssen durch einen Filter – nur ein Bruchteil gelangt in das Langzeitgedächtnis. Und zwar all das, was wir interessant, spannend, komisch oder außergewöhnlich finden. Der Trick ist also: Alles wichtige, das wir uns nicht merken können, müssen wir mit Hilfsmitteln als interessant, spannend, komisch oder außergewöhnlich markieren.

Das Gehirn austricksen

Unser Hirn will letztlich unterhalten werden, sagt Hofmann. Wenn ich mir zum Beispiel die fünf größten Städte Deutschlands in ihrer Reihenfolge merken soll und das bestenfalls auch noch langfristig, brauche ich dafür eine spannende Geschichte. Die könnte folgendermaßen lauten: „Ich sammle Altkleider. Klingele an einer Tür, es öffnet eine Bärin (Berlin). Sie wirft mir urplötzlich einen Hamburger entgegen. Sie trägt ein Dirndl, in der Tatze hält sie einen Maßkrug (München). Plötzlich läuft auch noch Lukas Podolski im Karnevalskostüm (Köln) vorbei. Er sieht krank aus – und benimmt sich auch krank: Er reißt nämlich den Gurt aus seinem Auto heraus (Frankfurt). Nun trabt auch noch eine Stute durch den Garten (Stuttgart).“ Verrückte Welt. Oder eben spannend, komisch und außergewöhnlich. Wichtig: Jeder sollte sich seine Geschichte selbst ausdenken.

Spickzettel und ihre Geschichte

Wer einen Spickzettel schreibt, kreist den Lernstoff ein, erklärt Hofmann. Zunächst werde der Lernstoff automatisch in Bekanntes und Unbekanntes getrennt. Anschließend das Unbekannte sortiert: Welches sind die Schlagworte, die gleich einen ganzen Sachverhalt im Gedächtnis abrufen? Aus diesen Schlagworten gilt es, eine Geschichte zu entwickeln. Nicht irgendeine, sondern eine spannende, außergewöhnliche, interessante und komische. Gerne auch eine völlig abstruse. Wichtig ist nur, dass sie im Gedächtnis bleibt. Dann kann der Spickzettel zu Hause bleiben. Hofmann: „Niemand verbietet, einen Spickzettel zu schreiben. Verboten ist es nur, ihn zu benutzen.“

Funktioniert auch für Vokabeln

Bei Fremdsprachen helfe es meist, das Wort in seine Silben zu zerlegen und Bilder dafür zu suchen, erklärt Hofmann. Das englische Wort Witness zum Beispiel in wit und ness. „Den Schülern fällt dazu meist Witwe und Nessie, das Ungeheuer ein. Wenn nun eine Witwe die Nerven verloren hat, ihren Mann umbrachte und mit der Leiche auf den See rausrudert, um ihn ins Wasser zu schmeißen, wo Nessie ihn schnappt: Dann ist das eine Geschichte, die mir die Schreibweise von witness immer im Kopf hält. Und wenn ich als Zeuge am Ufer stehe und all das beobachte, weiß ich auch noch die deutsche Übersetzung.“ Klingt nach Mehraufwand? Stimmt, räumt Hofmann ein. Es klinge aber nur so. Denn auf diese Weise müsse man die Information nur einmal bearbeiten, weil sie sich sofort verfestigt. Und, anders als der Kurzzeitspeicher, könne der Langzeitspeicher im Gehirn nicht volllaufen. Im Gegenteil: „Je mehr Geschichten ich weiß, desto mehr Geschichten kann ich aufnehmen“, sagt Hofmann.

Per Briefkasten vom Kurz- in den Langzeitspeicher

Menschen können sich in der Regel nur sieben Dinge merken, dann steigen sie aus. Deutlich mehr gehe mit Hilfe des Briefkastensystems. Dafür gilt es zunächst, sich zehn Körperteile auszusuchen, die als sogenannte Briefkästen dienen. Jedes Ding, zum Beispiel von einer Einkaufsliste, muss nun mit dem entsprechenden Briefkasten verknüpft werden. Als Hilfsmittel dienen – natürlich – Bilder oder Geschichten. Wer mit Windeln als Knieschoner oder einer Mehlpistole im Bauchnabel umherläuft, wird beim Einkauf beides nicht vergessen. Höchstens beim übernächsten Einkauf wieder diese Bilder im Kopf haben – weil die neuen Geschichten weniger spannend waren. „Das kann ein Problem sein“, räumt Hofmann ein.

Warum Erwachsenen das Lernen manchmal leichter fällt

Manchmal verzweifelten Eltern daran, dass sie selbst den Lernstoff nach einmaligem Durchlesen im Kopf haben, die Kinder aber nach drei Wiederholungen immer noch nicht, berichtet Hofmann. Er beruhigt: Das sei kein böser Wille der Kinder. Der wichtigste Faktor für die Anhäufung neuen Wissens sei Vorwissen. Bildlich könne man sich das Gedächtnis eines Erwachsenen wie ein Netz vorstellen, in das neue Fakten an passenden Orten einhaken. Kinder müssen dieses Netz erst entwickeln, für sie sei das Lernen schwieriger. Eine Methode sei dafür tatsächlich die klassische Wiederholung. Eine andere spannende Geschichten.

Info: Ralf Hofmann hält Kurse zum besseren Lernen und Merken in ganz Süddeutschland. In der vergangenen Woche war er beim Tag des Merkens zu Gast an der Grundschule Meyernberg. Mehr Informationen unter www.merktechniken.de

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