Berufseinstiegsbegleitung Mittelschule: Ende eines Erfolgsmodells

In der achten Klasse der Mittelschule beginnt die enge persönliche Beratungstätigkeit der Berufseinstiegsbegleiter und dauert bis in die Ausbildung hinein. Ein „Erfolgsmodell“, sagten Praktiker. Foto: /red

45 Schülerinnen und Schüler an Mittelschulen in Bayreuth und dem Landkreis profitieren in diesem Schuljahr noch von der Unterstützung durch Berufseinstiegsbegleiter. Sie sind die letzten Schüler. Der Freistaat stellt die Finanzierung ein. Nach zwölf Jahren endet damit ein Erfolgsmodell.

 
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Die Chancen von Schülerinnen und Schülern für den Übergang von der Mittelschule in die Ausbildung zu verbessern: das war und ist – noch – die Aufgabe von so genannten Berufseinstiegsbegleitern. Doch trotz der Erfolge, die dieses „gute Unterstützungsinstrument“ (Robert Eitler, Rektor der Altstadtschule) seit zehn Jahre vorweisen kann, wird diese Fördermaßnahme im nächsten Schuljahr eingestellt. Der Freistaat zieht sich aus der Finanzierung zurück.

Bedauern ist groß

Finanziert wurde das 2012 eingeführte Bildungsangebot „Berufseinstiegsbegleitung“ mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit. Am Ende des Schuljahres 2018/19 lief die Finanzierung aus, der Freistaat sprang ein. Das Programm wurde zwei Mal verlängert, sagt Thomas Oetter, Bereichsleiter bei der Agentur für Arbeit. Zu Beginn des Jahre 2021 kündigte die Staatsregierung dann an, dass sie aus der Co-Finanzierung des Förderprogramms aussteigen werde. Die aktuell 45 Teilnehmer in Mittelschulen des Landkreises und der Stadt Bayreuth sind damit die letzten, die von Berufseinstiegsbegleitern betreut werden. Das Bedauern ist groß.

Erfolgreiches Instrument

Zum Beispiel bei der Handwerkskammer: Die Handwerkskammer für Oberfranken (HWK) bedauere das Aus für die Berufseinstiegsbegleitung (BerEb) durch den Freistaat Bayern sehr. „Damit wird in Zeiten, in denen jede Initiative für mehr Auszubildende und für die berufliche Bildung gebraucht wird, ein aus unserer Sicht erfolgreiches Instrument eingestellt“, teilt Johanna Erlbacher, Abteilungsleiterin Berufsbildung, Technologien, Technologiezentren, mit. Und das, obwohl durch die „Corona-Jahre“ und seit März 2020 vor allem Schülerinnen und Schüler der Mittelschulen mit Benachteiligungen zu kämpfen hätten und besonders stark unter den eingeschränkten Möglichkeiten der Berufsorientierung leiden würden. Erlbacher: „Man nimmt damit einem Teil der Jugendlichen die Perspektive und lässt ein Instrument zur Fachkräftesicherung im Handwerk fallen.“ Die HWK habe in den Jahren 2009 bis 2016 Berufseinstiegsbegleitung gemacht und dabei pro Jahr rund 50 Schülerinnen und Schüler neu in eine Betreuung aufgenommen. Jede Maßnahme beginne in der achten Klasse und dauere bis zu sechs Monate über den Schulabschluss hinaus.

Benachteiligte Schüler

Der Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV): Die bayerische Berufsvertretung der Lehrer bezeichnet in einer Stellungnahme die Berufseinstiegsbegleitung als einen „wichtigen Bestandteil der Förderung benachteiligter Schüler auf der Schwelle von der Schule ins Berufsleben“. Damit würden Übergänge begleitet und auftretende Probleme gelöst. Neben konkreter Hilfe für den Bewerbungsprozess erhielten die Schüler auch Unterstützung bei schulischen Problemen, die sonst eine zielorientierte Vorbereitung auf den Schulabschluss und den Einstieg in die Berufsausbildung erschweren würden. In Kooperation mit externen Partnern würden die Jugendlichen von geschultem Personal Schritt für Schritt und vor allem sehr individuell vorbereitet. Berufliche Orientierung sei besonders für Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen von größter Bedeutung, da diese aufgrund ihres häufig schlechteren Schulabschlusses weniger Chancen auf dem Ausbildungsmarkt besitzen.

„Tolle Sache“

Die Schulleiter: Robert Eitler von der Altstadtschule bezeichnet das Instrument der Berufseinstiegsbegleitung als eine „tolle Sache“, da es Schüler gezielt unterstütze durch enge persönliche Betreuung. Die sei gerade jetzt, nach der Pandemie und dem Lockdown, besonders wichtig. Diese Zeit habe Spuren hinterlassen und dazu geführt, dass noch mehr Schüler diese Unterstützung benötigen. Umso erstaunter sei er, dass dieses „gute Unterstützungsinstrument“ gerade jetzt wegfallen soll. Berufsberater allein könnten den Wegfall nicht kompensieren und Eltern seien mit der Situation oft überfordert. Der Rektor der Mittelschule in Eckersdorf, Jochen Großmann, bezeichnet die Berufseinstiegsbegleitung als ein „gutes und ausgereiftes Programm“, weil der Hauptaugenmerk auf der Praxis liege. Schüler erhielten – unter anderem – Unterstützung beim Schreiben von Bewerbungen und bei der Suche nach dem richtigen Beruf. Was das Programm noch auszeichne: Die Begleiter betreuen die Schüler bis ins erste Jahr der Ausbildung hinein. Und eine hohe Erfolgsquote.

Letzte Förderphase

Das beweisen auch die Zahlen der Handwerkskammer: Wie Johanna Erlbacher mitteilt, seien von den 20 Teilnehmenden, die 2021 die Berufseinstiegsbegleitung abgeschlossen haben, 18 weitervermittelt worden. Von diesen 18 Schülern hätten neun eine Ausbildung im Handwerk begonnen. Am 1. März 2022 habe die nun letzte Förderphase begonnen, die im Herbst 2024 enden werde. Aktuell würden darin 19 Schüler begleitet.

Höhere Kosten

Auch wenn Handwerkskammer, Lehrerverband und Schulleiter fordern, die Berufseinstiegsbegleitung fortzusetzen: sie wird nicht weitergeführt. Nach aktuellem Stand sei es nicht geplant, im Schuljahr 2022/23 weitere neue Plätze für die Berufseinstiegsbegleitung anzubieten, teilt das Schulamt mit. Es gebe Alternativen. So werde den Schulen im Rahmen der Planung für das Schuljahr 2022/2023 auch das Modul „Talente fördern“ empfohlen. Dieses Modul beziehe sich auf eine ähnliche Zielgruppe wie die Berufseinstiegsbegleitung. Den betroffenen Schülern könne damit „ein bewährtes Angebot im Zuge der Berufsorientierung gemacht werden, in dessen Rahmen sie in einer kleinen Gruppe die notwendigen Kompetenzen erwerben können, die ihnen den Übergang in eine Ausbildung erleichtern“. Das sehen die Praktiker hingegen anders: Schulleiter Eitler hebt wie die HWK besonders ein Manko hervor: die fehlende intensive, persönliche Betreuung. Außerdem, fügt Johanna Erlbach hinzu, fielen für die meisten anderen Angebote deutlich höhere Kosten an. Für die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen etwa viermal so hoch.

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