Georg Riesner (62) sagt, er habe schon kurz nachdenken müssen. „25 Jahre sind eine lange Zeit.“ Aber die Szenen, die sich im November abgespielt haben, haben sich bei Georg Riesner eingebrannt. „Natürlich habe ich das alles damals im Fernsehen verfolgt. Die Rede von Genscher. Am nächsten Tag waren die ersten Züge voll mit Flüchtlingen in der Stadt.“ In der Stadt – „in den Geschäftsstellen auf dem Land hat man davon so gut wie nichts mitbekommen“, sagt Gundi Haas, die Pressesprecherin der Sparkasse.

Riesner war damals Marktbereichsleiter Stadtmitte bei der Stadtsparkasse Bayreuth. „Ich war zuständig für die beiden Geschäftsstellen am Markt und am Luitpoldplatz – beides Häuser, die es jetzt nicht mehr gibt. Die Hauptstelle am Luitpoldplatz, in der ich über 30 Jahre war, wird ja auch gerade abgerissen.“ Und in eben dieser Geschäftsstelle haben die Mitarbeiter der Sparkasse das Anstehen ums Begrüßungsgeld hautnah mitbekommen.

Erst hat es die Sparkasse nicht betroffen. Denn an den ersten Tagen wurde der Begrüßungs-Hunderter – so viel bekamen die Ost-Bürger nach Beschluss des Bundestages vom 26. August 1987 einmal jährlich bei einem Besuch im Westen – von der Stadtverwaltung ausgezahlt. „Die Mitarbeiter der Sparkasse hatten große Mühe, in den ersten Tagen nach dem Mauerfall in die Sparkasse zu kommen. So dicht gedrängt standen die Menschen vor dem Rathaus. Geduldig wartend. In Dreier-, Viererreihe. Die Schlange zog sich bis hinter zur Evo“, erinnert sich Riesner. „Eiskalt war das damals. Viele, vor allem ältere Menschen, haben sich in die Tiefgarage geflüchtet, um sich aufzuwärmen.“

Es habe nicht lange gedauert, bis der Hilferuf aus der Stadtverwaltung gekommen sei: die Stadtsparkasse möge bei der Auszahlung des Begrüßungsgeldes behilflich sein. „Ich hatte das damals zu organisieren, dass wir Samstag und Sonntag die Kassen öffnen, weil ich die Schlüsselgewalt hatte. Aber es war nicht schwer, Mitarbeiter zu motivieren. Da hat keiner gefragt, ob sie dafür Überstunden aufschreiben können. Die waren sofort bereit, mitzumachen.“ Es ging ja um ein Ereignis, das in der Form keiner für möglich gehalten hätte. „Und nach 14 Tagen oder drei Wochen war das alles wieder abgeflaut.“

Riesner sagt, er sei „völlig überrascht gewesen von dieser Unaufgeregtheit, mit der die Leute angestanden sind. Kein Geschrei, kein Gedränge. Das war alles irgendwie so gedämpft.“ Allerdings sei es schön gewesen, die Menschen zu beobachten, wie sie die Sparkasse verlassen haben: „Das Glücksgefühl der Menschen hat man sehen können.“ Für einige Geschäfte im Umkreis um die Sparkasse seien die ersten Tage im November die perfekten Umsatzbringer gewesen. „Ich würde wetten: die haben das Geschäft ihres Lebens gemacht. Speziell das Kaufhaus Bilka in der Kanalstraße. Das haben die Bürger aus dem Osten als eines der ersten angesteuert mit dem Hunderter – und sich eingedeckt.“

Doch es ging nicht nur ums Begrüßungsgeld bei der Sparkasse. Es war auch Ziel, die neuen Bürger an sich zu binden. „Als die ersten Flüchtlinge bei der Bundeswehr und in der Grenzschutz-Kaserne ankamen, hat der Chef einige Mitarbeiter rausgeschickt, um den Leuten anzubieten, dass sie Konten eröffnen könnten. Der Vorstand war sehr marktorientiert damals.“ Riesner erinnert sich auch an eine Familie, die gleich 1989 ein Konto bei ihm eröffnet hat: „Die Tochter der Familie hat ein oder zwei Jahre später bei uns als Serviceangestellte angefangen.“

Mehr als 1,5 Milliarden Mark Begrüßungsgeld – die Angaben schwanken – sind bundesweit ausgezahlt worden. Engpässe habe es in Bayreuth keine gegeben. Johann Rebel, Chef der Bundesbank in Bayreuth, sagt, man habe ein Mal samstags öffnen müssen. „Sonst war die Bargeldversorgung immer gesichert.“ Riesner bestätigt das: „Wir wussten nach der ersten Woche, wie viel Geld wir brauchen. Dann hatten wir genug im Vorrat.“