Schütz-Passion mit problematischen Bach-Chorälen Solisten und Chor der Christuskirche überzeugen auch in heiklen Passagen – Meditative Eröffnung der Karwoche

Sönke Remmert
 Foto: red

BAYREUTH. Am Samstag wurde in der evangelischen Christuskirche die Karwoche mit einem meditativen, jedoch stilistisch nicht ganz unproblematischen Passionskonzert eingeleitet. Die Kantorei der Christuskirche, das Ensemble Psallite, die Solisten Daniel Weber (Tenor), Volker Schwarz (Bass) sowie Christine Heimrich (Orgel) boten unter der Gesamtleitung von Ulrike und Richard Lah Musik des Frühbarock sowie des 19. und 20. Jahrhunderts.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Eingeleitet wurde der Abend mit dem Choral für Orgel a-Moll von Cesar Franck (1822-1890). Dieses Stück, das als quasi-sinfonische Dichtung über den Kreuzweg gedeutet werden kann, bot in Christine Heimrichs Interpretation eine feierliche, würdevolle Einleitung des Passionsabends.

Zu einer wahren Entdeckung wurde die Kantate „Was habe ich euch getan“ von Volker Wangenheim (geb. 1928). Es handelt sich um eine äußerst eindringliche Dialogkomposition zwischen Christus und der Menschheit über Schuld und Kreuzigung. Vor allem die Souveränität bei den – vor allem in den hohen Lagen – oft sehr heiklen Chorpassagen ist hervorzuheben. Viele der recht beklemmenden Phrasen im ausgedehnten Solo-Abschnitt scheinen von orientalischer Musik ebenso beeinflusst zu sein wie von Melismen, wie man sie aus frühbarocken Passionen kennt. Die Darbietung dieses Abschnitts durch Volker Schwarz weckte Neugier, weitere Kompositionen Wangenheims kennenzulernen.

Unprätentiöser Stil

Hauptwerk des Abends war indes die Johannespassion von Heinrich Schütz (1585-1672). Im Gegensatz zu Johann Sebastian Bach verzichtet der 100 Jahre ältere Meister – mit Ausnahme des Schlusschors – auf kommentierende Choräle und Arien, sondern setzt voll und ganz auf den Bibeltext. Daniel Weber als Evangelist wurde mit seinem unprätentiösen Gesangsstil seiner Rolle als Quasi-Erzähler voll gerecht. Beim Christus des Volker Schwarz spürte man: Hier singt – obgleich der Evangelist Johannes die Gottgleichheit Christi und die Vorbestimmtheit der Kreuzigung betont – ein wirklich leidender Mensch. Dies entspricht bei Betrachtung der Melodik und vor allem des Schlusschors, sehr wohl den Intentionen des Komponisten. In den Nebenrollen des Pilatus und des Hohepriesters war auch Richard Lah als eindringlicher Solist zu erleben. Hervorragend wirkte die chorische Leistung in den dramatischen Turbae.

Als nicht ganz unproblematisch muss man jedoch die Einfügung zahlreicher Choräle in das Werk durch Ulrike und Richard Lah betrachten. Zwar erklärte Jürgen Finkbeiner, der Liturg des Abends, die Choräle seien zum Mitsingen für die Gemeinde gedacht. Auffällig ist aber: Alle eingeschobenen Choräle stammen aus J. S. Bachs Johannespassion. Zwar waren in der Barockzeit Passions-Pasticii, die aus unterschiedlichen Werken zusammengesetzt waren, keineswegs unüblich. Auch Johann Sebastian Bach bediente sich dieser Methode. Dessen berühmte Johannespassion entstand jedoch rund 60 Jahre nach Schütz’ Komposition. Sie gehört mit ihrer instrumentalen Pracht sowie ihren Chorälen und Arien einer stilistisch völlig anderen Umgebung an als die Historienwerke von Schütz.

Komplexer als Bach-Choräle

Nicht zuletzt ist der einzige Choralsatz in Schütz’ Johannespassion, das abschließende „O hilf, Christe, Gottes Sohn“, musikalisch viel komplexer und polyphoner gearbeitet als die Bachchoräle. Der Einschub bach’scher Choralsätze in eine Passion von Schütz muss deshalb als Stilbruch charakterisiert werden. Dazu kommt: Bachs Choräle nehmen, wie viele seiner Arien, schon den Auferstehungsgedanken vorweg, während Schütz’ Schlusschoral bei der Betrachtung des Todes Jesu verharrt und lediglich moralische Schlussfolgerungen beisteuert. Das Ziel etwa, Schütz’ Passion im Sinne der Auferstehung zu kommentieren, wäre angemessener, als durch einen solchen Stilbruch etwa durch die anschließende Aufführung einiger Motetten österlichen Charakters zu realisieren.

So muss man konstatieren, dass dieser Passionsabend trotz der unstreitigen Qualitäten der Solisten sowie des Chores durch die stilferne Einbindung am Ende einen zwiespältigen Eindruck hinterließ.

Foto: la