AOK: Millionenbetrug bei Arzt-Abrechnungen

Von Peter Rauscher
Zu viel abgezweigt? Die AOK Bayern hat wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug in zwei Jahren 400 Mal die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Foto: Tobias Hase/dpa-Archiv Foto: red

Durch Betrug und falsche Abrechnungen ist der AOK Bayern seit 2004 ein Schaden von 60 Millionen Euro entstanden. Bayerns größte Krankenkasse hätte aber Ideen, wie man den Betrügern besser das Handwerk legen könnte.

 
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Ein Beispiel aus Oberfranken schilderte in München Dominik Schirmer, AOK-Beauftragter zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen: Ein Arzt rechnet Leistungen ab, die er nicht erbracht hat. Es geht um die fingierte Einschreibung von Patienten in so genannte „Disease-Management-Programme“, für die es von den Krankenkassen mehr Geld gibt. Nach Prüfung von Abrechnungen und der Befragung von Versicherten schaltet die AOK Bayern die Kassenärztliche Vereinigung ein. Außerdem unterrichtet sie am 3. August die Staatsanwaltschaft. Es geht dabei insgesamt um Forderungen der AOK in Höhe von rund 50.000 Euro und der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 1,2 Millionen Euro gegen den Arzt. Das Ermittlungsverfahren läuft noch, eine Rückzahlung der falsch abgerechneten Summen ist noch nicht erfolgt. Gegen den drohenden Entzug seiner Zulassung klagt der Arzt vor dem Bayerischen Landessozialgericht.

60 MIllionen Euro zuviel gezahlt

40 Millionen der falsch abgerechneten 60 Millionen Euro hat die AOK Bayern nach eigenen Angaben wieder zurückholen können. Es könnte aber mehr getan werden, um Abrechnungsbetrug zu verhindern, glaubt Matthias Jena, Vorsitzender des AOK-Verwaltungsrats. Es sei „völlig untragbar“, dass betrügerische Pflegedienste ihren Standort in ein anderes Bundesland verlegen könnten, ohne dass die dortigen Kassenmitarbeiter Informationen über die Vergangenheit der Pflegedienst-Chefs erhielten. Die Politik müsse ein bundesweites Zentralregister einrichten, in dem gespeichert werde, wer durch Betrug aufgefallen sei, forderte die AOK.

Zugleich verlangt Jena, dass die Landesverbände der Pflegekassen sich polizeiliche Führungszeugnisse vorlegen lassen dürfen vom Inhaber eines Pflegedienstes, der leitenden Pflegekraft und ihrer Stellvertretung. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) erklärte dazu, ihr Ressort werde prüfen, „ob es Anlass gibt, generelle Schlussfolgerungen zu ziehen und zum Beispiel Rechtslücken zu schließen“.

Arzt sammelt Versichertenkarten ein

Kriminelles Verhalten gebe es in allen Bereichen des Gesundheitswesens, erklärte die AOK. Schirmer, nannte als weiteres Beispiel einen Arzt, der sich nicht nur von Patienten, sondern auch von deren Angehörigen ihre Krankenversicherungskarten habe geben lassen, um Untersuchungen und Therapien abzurechnen, die er gar nicht erbracht habe.

Tricks der Pflegedienste

Bei Pflegediensten komme es vor, dass sie für Behandlungen mehrere Anfahrten abrechneten, obwohl die entsprechenden Leistungen alle beim gleichen Besuch erbracht würden, berichtete Schirmer. Ein Sanitätshaus habe minderwertige Billig-Matratzen zur Vermeidung von Hautschäden ausgeliefert, der AOK dann aber den Preis für teure Produkte in Rechnung gestellt.

Nach Einschätzung Schirmers gehen Betrüger „nicht nur dreist und unanständig vor, sondern auch immer professioneller“. So würden in der Pflege Leistungen meist auf Papier dokumentiert, was für die Kassen nur mit großem Aufwand zu kontrollieren sei. Gleichzeitig würden Pflegedienste Computerprogramme einsetzen, um herauszufinden, wie sie Falschabrechnungen so gestalten könnten, dass sie nicht zu erkennen seien. Schirmer forderte eine weitreichende Verpflichtung der Pflegedienste, ihre Leistungen digital zu dokumentieren.

5000 Verdachtsfälle in zwei Jahren

Allein in den Jahren 2014 und 2015 habe die AOK mehr als 5000 Verdachtsfälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bearbeitet, 3400 Fälle davon wurden abgeschlossen. Bei rund 60 Prozent dieser Fälle habe es habe es straf- oder zivil- oder sozialrechtlichen Handlungsbedarf gegeben, teilte die Lasse mit Fast 400 Mal sei wie in dem oberfränkischen Fall die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. 1320 Fälle seien am Ende als Fehlverhalten einzustufen gewesen, 270 Fälle waren laut AOK Abrechnungsfehler. Gesamtschaden in den beiden Jahren: 8,5 Millionen Euro, rund 5,6 Millionen Euro habe die AOK zurückerhalten.

 

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