Angestellte zweigte jahrelang Geld ab – Für die Rückzahlung von fast 200 000 Euro verkaufte sie ihr Eigenheim Milde für Untreue im Klinikum

Von Manfred Scherer
Das Bayreuther Schöffengericht hat eine ehemalige Mitarbeiterin der Klinikum verurteilt. Foto: Britta Pedersen dpa/lbn Foto: red

Sie wollte ein schönes Leben, ein trautes Heim, einen gepflegten Garten. Sie zahlte mit Geld, das ihr nicht gehörte. Fast 200 000 Euro veruntreute eine Angestellte des Klinikums. Dafür verurteilte das Schöffengericht eine Bayreutherin am Dienstag zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Die wahre Strafe aber hat die 53-Jährige schon vor dem Prozess bekommen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Im Nachhinein scheint es, als ob sie sehnlich auf jenen Tag gewartet hatte: Die gelernte Betriebswirtin bekam Anfang Juli ein Schreiben eines Vorgesetzten, in dem der sie aufforderte zu erklären, wo das Geld ist. Noch ehe in dem Krankenhaus weitere Ermittlungen gemacht werden mussten, schrieb sie zurück: „Ich muss einräumen, dass ich die Gelder unrechtmäßig auf mein Konto gebucht habe.“ Und weiter schrieb sie: „Ich möchte den Schaden voll ausgleichen.“

Das Krankenhaus hat sein Geld wieder

Und so kam die 53-jährige Angeklagte mit besten Voraussetzungen als Angeklagte vor das Schöffengericht: Das Klinikum hat sein Geld wieder. „Schadenswiedergutmachung in solchen Fällen von Untreue und in solchen Höhen sind äußerst selten, denn meist haben untreue Täter veruntreutes Geld verbraucht“, meint der Schöffengerichtsvorsitzende Torsten Meyer am Schluss in der Begründung für das milde Urteil.

Eine Tochter aus gutem Hause

Bei der Beweisaufnahme zuvor allerdings wurde klar, dass die Angeklagte seit dem Sommer 2016 einen hohen Preis gezahlt hatte. Sie verlor ihren gut dotierten Posten bei der Klinikumsverwaltung. Seit 1990 arbeitete sie dort und verwaltete Geld von Krankenversicherten. Sie prüfte die Ansprüche von Versicherten, die von der so genannten Beihilfe Zuzahlungen zu bekommen hatten.

Der Ehemann merkte nichts

Nach ihrem Motiv gefragt, sagte die Frau: „Das ist kompliziert zu erklären.“ Mit vereinten Kräften erreichten Richter Meyer, Staatsanwältin Ramona Eichelsdörfer und Verteidiger Martin Reymann-Brauer, dass die 53-Jährige sich öffnete und aus ihrem Leben berichtete: Als Tochter aus gutem Hause hatte man ihr eingetrichtert, sie müsse „etwas darstellen“ im Leben. Nach der Scheidung ihrer ersten Ehe ging sie eine zweite ein. Sie und ihr Mann lebten in einem Eigenheim. Während in der Nachbarschaft die Häuser renoviert wurden, lief bei der Angeklagten der Keller mit Wasser voll. „Unser Garten war falsch angelegt. Wir haben ihn neu anlegen lassen.“ Auf die erstaunte Frage eines der Laienrichter, ob denn ihr Ehemann nichts von den ungewöhnlich hohen Geldeingängen auf ihr Konto bemerkt habe oder warum ihr Ehemann sich nicht wunderte, dass sie die Garten- und Hausrenovierung so locker habe bezahlen können, antwortete die Angeklagte: „Er hatte keine Vollmacht für mein Konto. Gefragt hat er mich natürlich schon. Ich erzählte ihm, das Geld sei von meiner Mutter – die ist nämlich nicht unvermögend.“

Ein Leben in Trümmern

Doch dann flog die 53-Jährige auf und ihr Leben lag in Trümmern. Obwohl die Angeklagte heute sagt: „Als es vorbei war, war das wie eine Befreiung“, wurde das schlechte Gewissen von etwas anderem abgelöst – möglicherweise von einem Gefühl der Schande. Verteidiger Reymann-Brauer deutet es im Prozess an: Seine Mandantin habe einen Suizid versucht, befinde sich noch in Behandlung. Das Haus, in das das veruntreute Geld gesteckt worden war, wurde verkauft. Die Angeklagte verließ die Wohngegend und lebt heute woanders in Bayreuth zur Miete – zusammen mit ihrem Ehemann. Sie lebt von Hartz IV. Sie sagt, noch halte ihr Mann zu ihr.

Bei den Plädoyers waren sich die Staatsanwältin und der Verteidiger einig: Bewährung ist möglich.

Der Kritik des Verteidigers, im Klinikum sei es seiner Mandantin licht gemacht worden, weil es „über Jahre“ offenbar „null Revision“ gegeben habe, hielt der Gerichtsvorsitzende in der Urteilsbegründung dies entgegen: Der Fall sei geradezu beispielhaft für die Untreue. Der Angeklagten seien die Taten zwar leicht gemacht worden, aber dies zeige auch, wie sehr sie das in sie gesetzte Vertrauen missbraucht habe.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Bilder