Andrea Kraus und Kerstin Sakalow sprechen über ihre Arbeit in einer Kinderkrippe Krippe hat als Notlösung ausgedient

Von Ulrike Sommerer
Keine Notlösung sondern ein Ort sozialen Lernens - so sehen Andrea Kraus (links) und Kerstin Sakalow eine Kinderkrippe. Die beiden arbeiten in der Krippengruppe des Nemmersdorfer Kindergartens Wichtelschiff. Jesus sei in dieser Krippe übrigens noch sehr präsent. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Jesus hat sein Erden-Dasein dort begonnen, wo auch heute fast jedes Kind sehr viel Zeit verbringt: in der Krippe. Erzieherin Andrea Kraus (45) und Kinderpflegerin Kerstin Sakalow (30) arbeiten in der Krippengruppe des Nemmersdorfer Kindergartens Wichtelschiff und tun längst mehr, als Windeln zu wechseln.

 
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Bis Weihnachten sprechen wir jeden Tag über ein Bibelzitat, das Pfarrer Otto Guggemos ausgesucht hat. Die heutige Bibelstelle:

 

Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.

Lukas 2,12

Maria und Josef hatten keinen Raum in der Herberge, heißt es in der Bibel. Ihr Kind in eine Krippe zu geben, war für sie damals also eine Notlösung. Wie ist das heute?

Kerstin Sakalow: Anfangs vielleicht schon. Krippen entstanden ja aus der Idee, dass viele Eltern früher anfangen mussten, zu arbeiten. Heute ist es keine Notlösung mehr. Vielen ist der Sozialkontakt unter den Kleinsten schon sehr wichtig. Es gibt zwar Angebote wie Miniclub oder Krabbelgruppen. Krippen sind hier zusätzliche Angebot für Eltern, die entweder einen anderen Krippenplatz für ihr Kind brauchen, weil die Eltern arbeiten müssen, oder weil die Kinder schon früh Sozialkontakte entwickeln sollen, miteinander aufwachsen dürfen und Kompetenzen erwerben.

Wie hat sich denn die Betreuung der Kinder in den Krippen verändert?

Andrea Kraus: Ich komme aus der ehemaligen DDR, dort sind Kinder ja schon im Alter von acht Wochen in die Krippe gekommen.

Wie sah denn die Betreuung der Kinder in den Krippen der ehemaligen DDR aus?

Kraus: Wir hatten in der DDR in einer Krippengruppe drei Erzieher für 18 Kinder, wir haben in  Kleingruppen gearbeitet, hatten ein Erziehungsprogramm mit musikalischer Erziehung, Gesundheitserziehung und pädagogischer Didaktik. Das war fundiert. Krippe war allerdings von Kindergarten streng getrennt. Für die Krippe gab es eine gesundheitliche Ausbildung, ich habe zum Beispiel eine medizinische Fachschule besucht. In den Krippen waren ja viel häufiger Kinder krank, weil sie schon so klein, im Alter von acht Wochen, kamen. Die Kindergärtner in der DDR haben eine pädagogische Ausbildung gehabt, das wurde damals sehr getrennt.

Wie sieht die Ausbildung heute aus?

Sakalow: Ich habe meine Ausbildung vor 14 Jahren gemacht. In der Schule wurde ich damals eigentlich auf den Kindergarten vorbereitet: Wir haben Praktika im Kindergarten gemacht. Wir durften zwar auch in die Krippenarbeit hineinschnuppern. Aber vor 14 Jahren gab es noch gar nicht so viele Krippen. In der Schule haben wir dann das Wickeln gelernt, das schon. Aber ich habe in meiner Ausbildung nicht so viel Einblick in die Krippe bekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Als ich dann zu arbeiten anfing, habe ich durch Zufall eine Stelle in einer neu eröffneten Kinderkrippe in München bekommen. In München gab es damals schon häufiger Krippen als hier bei uns in Bayreuth.  Mir haben die Jahre in München sehr gut getan. Die Erzieher dort hatten schon viel Erfahrung mit der Arbeit in Kinderkrippen und ich bin da hinein gewachsen. Ich habe dann die Stelle gewechselt und bin wieder zurück nach Bayreuth, wo nach und nach auch Krippen entstanden. Allerdings war das da noch alles im Umbau, oft aus der Not heraus. Kindergartengruppen mussten schließen, weil es nicht mehr genug Kinder gab, deshalb wurde Platz für kleinere Kinder geschaffen.

An Jesu Krippe standen seine Mutter Maria und deren Mann Josef. Stehen die Eltern nach wie vor an der Seite der Krippe?

Kraus: Das ist nach wie vor so. (lacht) Wir legen sehr großen Wert auf eine Erziehungspartnerschaft. Eine Partnerschaft zwischen Eltern und Erziehern. Wir führen in der Krippe beispielsweise auch viel mehr Gespräche mit Eltern, als später mit den Eltern der Kindergartenkinder.

Bei Jesus standen außerdem Ochs, Esel, Hirten, die Weisen aus dem Morgenland ... Stehen den heutigen Krippenkindern noch weitere Personen zur Seite?

Sakalow: Viele Eltern hier auf dem Land haben das Glück, dass Großeltern mit im Haus oder in der Nähe wohnen. Das ist schön und für die Eltern auch eine riesengroße Hilfe. Es gibt natürlich auch Eltern, bei denen das nicht so ist. In diesen Fällen ist es dann ganz wichtig, dass Kontakte zu anderen Eltern geknüpft werden. Die knüpft man dann oft hier in der Kinderkrippe, weil sich Freundschaften bilden. Da kann dann auch einmal eine andere Familie einspringen, wenn Not am Mann ist, nachmittags oder in den Ferien. Diese Menschen sind dann für die Kinder auch sehr wichtig. 

Kraus: Für die Kinderkrippe ist auch der Träger ganz wichtig. Dann kommen die Kinder oft mit Praktikanten in Kontakt, die von Schulen kommen und hier arbeiten. Von außen gesehen sind sehr viele für die Krippenkinder da. Auch das Dekanat, der Kirchenvorstand... 

Die engste Beziehung haben die Kinder ja zu ihren Erziehern. Wie schaffen Sie es, diese Beziehung aufzubauen?

Sakalow: Das beginnt mit der Eingewöhnung während der die Eltern noch viel Zeit im Kindergarten verbringen.  Es ist nicht so, dass die Kinder gebracht und abgegeben werden, die Eltern wieder gehen und das Kind bei fremden Personen alleine lassen. Wir bauen die Beziehung zum Kind ganz langsam auf. Die erste Zeit gehen wir zum Beispiel beim Wickeln mit, sehen zu, wie die Eltern das machen, stellen uns neben sie, fangen Gespräche mit Eltern und Kind an.  Wichtig ist, dass man Zeit mitbringt, den Druck nimmt. Der ist allerdings oft da, weil die Eltern ja im Kopf haben, dass sie in soundso vielen Wochen wieder in die Arbeit müssen und das mit der Krippe dann klappen muss. Wir versuchen trotzdem, dass Eltern und Kinder langsam bei uns ankommen können.

Ein regelrecht intimer Kontakt entsteht dabei ja beim Wickeln. Jesus wurde in der Krippe in Windeln gewickelt, Sie wickeln ja auch. Gibt es eigentlich noch Stoffwindeln?

Sakalow: Es gibt einzelne Fälle. Aber auch die Stoffwindeln haben sich ja verändert. Ich habe noch die ganzen Faltmethoden gelernt, jetzt gibt es sogar Stoffwindeln mit Druckknöpfen.

Kraus: Wer mit Stoffwindeln wickelt, macht das aus Überzeugung, der Umwelt zuliebe. Das ist kein Vergleich mehr mit früher. In der DDR hatten wir große Becken, in denen wir die Windeln grob sauber waschen mussten. Da musste erst einmal alles heraus geschrubbt werden. Die Windeln wurden von der Krippe gestellt, nicht von den Eltern. Säckeweise sind die Windeln dann abgeholt und in die Wäscherei gebracht worden.

Die Menschen, die Jesu an der Krippe besuchten, brachten ihm Geschenke mit. Welche Geschenke gibt es heute für Krippenkinder?

Kraus: Wir schenken ihnen Werte und Wertschätzung. Sie bekommen soziale Kontakte, erleben Rituale, die Sicherheit geben. Das ist auf jeden Fall auch ein Geschenk an die Kinder. Die Kinder schließen hier Freundschaften. Kompetenzen, die sie hier erwerben, oder Selbstständigkeit sind auch große Geschenke an die Kinder. Natürlich gibt es auch richtige Geschenke bei uns in der Kinderkrippe, zu Ostern, zu Nikolaus, zum Geburtstag, im Advent.

Sakalow: Die Krippenzeit ist auch eine gute Vorbereitung auf den Kindergarten. Wenn ein Kind mit drei oder vier Jahren in den Kindergraten kommt, trifft es zum ersten Mal auf 25 andere Kinder, es ist laut und es hat sehr viele Eindrücke zu verarbeiten. Das ist am Anfang wirklich viel. Hier ist es in einer kleinen Gruppe schon mal wie eine Übung. Hier ist es auch sehr laut und sehr wild und Spielsachen können von einem anderen weggenommen werden. Solche Situationen kennen die Kinder ja von Zuhause nicht. 

Warum gelten Mütter, die ihr Kind in die Krippe geben, gemeinhin als Rabenmutter?

Kraus: Ich denke, das ist nicht mehr so. Die Elternzeit ist ja nur noch ein Jahr lang, das ist doch allen bewusst.

Sakalow: Manchmal kommen von Großeltern solche Vorwürfe. Schließlich war es früher ja nicht so. Früher waren viele mit im Haus und viele konnten sich kümmern, aber das hat sich einfach geändert. Ich denke, wenn Eltern gute Erfahrungen damit gemacht haben, ihr Kind in die Krippe zu geben, und sehen, wie positiv sich ihr Kind entwickelt, dann stehen sie der Krippe auch positiv gegenüber. 

Kraus: Es kommt immer auch auf die Einstellung der Eltern an. Wenn ich sehe, dass mein Kind in der Krippe gut aufgehoben habe, habe ich auch als Mama eine positive Einstellung dazu. Ich bringe mein Kind dann hierher, weil es ihm gut geht, nicht, weil ich es abschiebe, weil cih arbeiten gehen möchte. Da hat sich schon etwas im Denken gewandelt.

Wie gegenwärtig ist Jesus denn heute noch in der Krippe?

Kraus: Bei uns sehr. Wir legen in unserem evangelischen Kindergarten großen Wert auf eine christliche Erziehung. Wir beten jeden Morgen zusammen, jetzt in Adventszeit erklären wir den Kindern den Weg nach Bethlehem und immer wieder erzählen wir biblische Geschichten - natürlich kleinkindgerecht mit Bildern und mit Puppen, wie man sich das vorstellt.

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