Thema Piratenpartei: Ohne Anführer geht es nicht

Von Martin Ferber

Anders als alle anderen wollten sie sein. Keine strenge Hierarchie, sondern das gleiche Mitspracherecht für jeden. „Likedeeler“ wurden sie genannt, „Gleichteiler“, weil sie ihre Beute gerecht untereinander aufteilten. Und doch kamen die Vitalienbrüder, die um 1400 als Piraten den etablierten Kaufleuten der Hanse den Kampf angesagt hatten, ohne Anführer nicht aus. In die Geschichtsbücher sind Klaus Störtebeker und Gödeke Michels als Piratenchefs eingegangen.

 
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Auch die modernen Nachfahren von der Piratenpartei, die als Freibeuter der Politik den etablierten Parteien den Kampf angesagt haben, wollen anders sein als alle anderen. Keine strenge Hierarchie, kein oben und unten, sondern das gleiche Mitspracherecht für jeden bei allen Entscheidungen. Niemand soll zu mächtig werden. Und so wehren sie sich mit den modernen Mitteln der Kommunikation gegen ihre eigenen Anführer. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen: In dieser Woche schmissen völlig frustriert zwei Landesvorsitzende, Lars Pallasch aus Baden-Württemberg und Michael Hensel aus Brandenburg, die Brocken hin; gleichzeitig läuft seit Mittwoch eine Online-Umfrage des Bundesvorstands unter den Mitgliedern, ob es auf dem Parteitag zu vorgezogenen Neuwahlen der Parteispitze kommen soll.

Es ist der Fluch des eigenen Erfolges. Die Triumphe bei den Landtagswahlen kamen für die Newcomer viel zu schnell und überdeckten die gravierenden inhaltlichen Leerstellen und die gewaltigen personellen Probleme. Die Neigung der Partei, die fehlende Programmatik als Ausdruck von besonderer Offenheit zu verkaufen und ausschließlich auf die „Schwarmintelligenz“ zu setzen, erwies sich im politischen Alltagsgeschäft schnell als Nachteil. Erst recht führte die geradezu manische Sucht der Piratenbasis, auf jede Äußerung ihrer Spitzenleute mit einer Flut von „Shitstorms“ zu reagieren und das eigene Führungspersonal mit Wonne zu demoralisieren, zu den nun offen zutage tretenden Personalquerelen.

Ohne Anführer geht es nicht. Das mussten vor gut 30 Jahren schon die Grünen in einem langen und bitteren Prozess lernen. Eine Partei braucht, selbst wenn sie auf offene Strukturen und breite Mitwirkung der Basis setzt, eine Führungsgruppe, die das Mandat hat, für die Gesamtpartei zu sprechen. Und eine Partei braucht, um langfristig bestehen zu können, einen programmatischen Markenkern und ein klares Profil, mit dem sie sich von den anderen absetzen kann. Nur gegen alles zu sein, ist auf Dauer zu wenig.

Die Personalquerelen zwingen die Freibeuter schneller als ihnen lieb ist, sich zu entscheiden. Sie können so bleiben, wie sie sind, dann aber verschwinden sie ganz schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit. Oder sie werden doch eine Partei wie die anderen auch, mit Köpfen und Konzepten. Wo ist der Klaus Störtebeker, wo der Joschka Fischer der Piraten?