Anas F. widerspricht Vorwürfen Umstrittener Bayreuther Imam sagt: „Ich habe nichts zu verheimlichen“

Von und Frank Schmälzle
Von der Bayreuther Al Taqwa-Moschee aus soll Imam Anas F. versucht haben, salafistische Strukturen aufzubauen. Das jedenfalls glaubt der Verfassungsschutz. Bayreuther Religionswissenschaftler widersprechen. Foto: Harbach Foto: red

Der Imam der Bayreuther Al Taqwa-Moschee steht im Visier des Verfassungsschutzes. Weil er salafistische Strukturen aufgebaut haben soll, drohte ihm die Abschiebung. Er widerspricht den Vorwürfen. Ein Beschluss des Bayreuther Verwaltungsgerichtes gibt ihm recht. Vorerst.

 
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Anas F. (29), ehemaliger Vorbeter in der Bayreuther Al Taqwa-Moschee, sagte dieser Zeitung: „Ich habe mit dieser Debatte nichts zu tun. Die Vorwürfe überraschen mich selbst.“ Er sei, das betonte er, unschuldig. Woher die Vorwürfe kamen, wisse er nicht.

Die Vorgeschichte:

Die Vorwürfe stammen bereits aus dem Jahr 2012. Ins Blickfeld des Ausländeramtes war er damals geraten, weil er Kontakte zur als extrem geltenden Islamischen Gemeinschaft Milli Görus gehabt hatte – was er auch einräumte. Außerdem soll er in einer Freitagspredigt zu Spenden für den Kampf in Somalia und Syrien aufgerufen haben.

Nach Darstellung der Staatsschützer soll er gesagt haben, man könne die Kämpfer an diesen Bürgerkriegsschauplätzen entweder persönlich unterstützen, also selbst dort kämpfen, oder durch Spenden. Für die Staatsschützer stand fest: Als salafistischer Prediger gefährde er die freiheitlich demokratische Grundordnung „in aggressiv kämpferischer Weise“. Im März dieses Jahres sollte er ausgewiesen werden. Dagegen klagte er erfolgreich.

Das Gerichtsverfahren:

Das Verwaltungsgericht Bayreuth sah alle Vorwürfe gegen F. als unbegründet an – er durfte bleiben. „Wir haben das Eilverfahren gründlich gemacht“, sagt Dietmar Lang, Richter am Verwaltungsgericht. Sogar persönlich durfte F. auftreten, was selten ist bei einem Eilverfahren. Weil die Vorwürfe „nicht ganz einfach“ seien, „wollten wir uns ein Bild von ihm machen“, sagte Richter Lang.

Der Beschluss des Gerichtes liest sich wie eine Reinwaschung von F. Es sah keine Anhaltspunkte dafür, dass F. die demokratische Ordnung gefährde. „Das besondere Vollzugsinteresse“, ihn deswegen abzuschieben, sei „nicht erkennbar“. Mit Gewalt, terroristischen Aktivitäten, mit der Einführung des strengen islamischen Rechtes in Deutschland, der Scharia, sei er genauso wenig einverstanden wie mit dem heiligen Krieg oder mit der Unterdrückung der Frau.

Als Beleg führte F. an, seine Frau studiere an der Uni Bayreuth. Eines seiner Kinder besuche einen nicht-islamischen Kindergarten. F. bekennt sich zwar zur Scharia, habe aber erklärt, dass man „das annehmen müsse, was im jeweiligen Land vorgegeben sei“. Was das Bayreuther Gericht ihm glaubte, die Staatsschützer ihm aber als taktisches Manöver auslegten.

In der beanstandeten Freitagspredigt sei es um ein Opferfest gegangen. Der Spendenaufruf sei ausschließlich für humanitäre Zwecke gewesen. Als Beweis legte er eine Stellungnahme eines Islamwissenschaftlers aus Bayreuth vor. Auch kein Problem hatte das Bayreuther Verwaltungsgericht damit, dass der als extremistisch eingestufte Salafisten-Prediger Pierre Vogel in der Al Taqwa-Mosche aufgetreten ist und dazu aufgerufen hat, für die neue Moschee zu spenden.

F. kam 2004 aus Marokko nach Deutschland. Er heiratete, bekam zwei Kinder, studierte Germanistik und Kulturwissenschaften, verdiente sein Geld als Vorbeter und Arabisch-Lehrer an der Al Taqwa-Moschee in Bayreuth. Zu dieser Zeitung sagte er: „Ich habe nichts zu verheimlichen.“ F. ist seit 2007, seit neun Jahren also, der Vorsitzende des Vereins Islamisches Zentrum Bayreuth (Taqwa-Moschee). Dort ist er aber nicht mehr als Prediger. Seit diesem Jahr arbeitet er in einer Moschee in Schwandorf.

Der Verfassungsschutz:

Beim Verfassungsschutz schweigt man zum Thema „Imam in Bayreuth“, weil es ein laufendes Verfahren sei. Allerdings heißt es hinter vorgehaltener Hand, er sei kein „unbeschriebenes  Blatt“. Und man sei sicher, dass er salafistische Strukturen in der Region habe aufbauen wollen.

Ob F. wirklich abgeschoben wird, entscheidet sich in einer Hauptverhandlung. Wann die stattfindet, steht noch nicht fest. Er sagte: Die Argumentation, er baue an salfistischen Strukturen in der Region, „hat nicht Hand und Fuß“.

Die Forderung nach Klarheit:

Wenn das so ist, warum distanziert sich die Gemeinde der Al Taqwa-Moschee in Bayreuth mit Imam Anas F. an der Spitze nicht öffentlich von IS und anderen islamistischen Terror-Bewegungen? „Genau das erwarte ich jetzt von ihm“, sagt Christoph Bochinger, Professor für Religionswissenschaften an der Universität Bayreuth. Andere haben es vorgemacht: Islamische Verbände in Deutschland sind bereits auf Distanz gegangen.

Bochinger kennt den Imam. Vor Jahren hatte F. bei ihm studiert. Ja, sagt Bochinger, schon damals hatte F. „eine klare salafistische Position“. Aber Salafisten sind nicht gleich Terroristen. Bochinger: „Bei den Neo-Salafisten gibt es unterschiedliche Gruppen und Schattierungen. Und nur ein Teil von ihnen unterstützt solch grauenhaften Bewegungen wie den IS.“

F., der aus Maroko stammt, sollte abgeschoben werden, dagegen klagte er. Vor dem Verwaltungsgericht hatte F. beteuert, er sei gegen Gewalt sei. Doch: „Die Grenzen zwischen den Strömungen im Neo-Salafismus sind fließend“, sagt Bochinger. Eine öffentliche Klarstellung, wofür der Imam steht, würde also helfen. „Gleiches würde ich von meiner Kirche und von jeder anderen erwarten, wenn irgendwo auf der Welt verrückt gewordene Glaubensgenossen solche Greueltaten begehen“, sagt Bochinger. Vor Missbrauch sei keine Religion gefeit.

Die falsche Wahrnehmung:

Die Taten des IS nennt Bochinger „eine riesige Katastrophe – auch für die muslimische Gemeinschaft in Deutschland.“ Muslime stünden in der Öffentlichkeit unter Generalverdacht, zu einer pluralistischen, freiheitlich-demokratische Ordnung nicht fähig zu sein. Ein falsches Bild, sagt Bochinger und zitiert Zahlen des Verfassungsschutzes. Extreme Positionen würden nur 0,1 Prozent der Muslime in Deutschland vertreten, also etwa 4000 von mindestens vier Millionen Menschen. „Wir dürfen nicht alle Muslime in einen Topf werfen“, sagt der Religionswissenschaftler. „Aber genau das passiert gerade.“

Die menschliche Sorge:

Bernt Schnettler macht sich Sorgen. Um den Imam und seine Familie. Er hält es zumindest für nicht ausgeschlossen, dass F. nach all den Vorwürfen angefeindet oder gar attackiert werden könnte. „Dabei sind die Vorwürfe gegen ihn völlig haltlos“, sagt der Professor für Kultur- und Religionssoziologie an der Universität Bayreuth. Er hat sich mit dem Fall F. befasst – und kommt zu dem Ergebnis: „Dem Mann wird das Wort im Mund herumgedreht.“

Die Anschuldigungen beruhen laut Schnettler vor allem auf einem heimlichen Mitschnitt einer Predigt. Mitgeschnitten von Leuten, die in die Gemeinde eingeschleust worden seien. Und die Predigt werde grob missverstehen.

Die Eindrücke der Stadträte:

Gülcin Sahin hat ihren eigenen Eindruck von der Al Taqwa Moschee, in der vor allem arabisch-stämmige Menschen beten. Die Grünen-Stadträtin, deren Familie aus der Türkei kommt, hat die Glaubensgemeinschaft besucht. Streng gehe es dort zu, sagt sie. Auffallend streng.

Sie war auch dabei, als Salafisten-Prediger Piere Vogel auf Einladung der Al Taqwa-Moschee in Bayreuth sprach. „Mir war das unheimlich“, sagt die Stadträtin. Für sie stelle sich die Frage, welchen Stellenwert dort Verfassungskonformität habe. Anders als zu den anderen beiden islamischen Gemeinden in Bayreuth hat Jürgen Wolff zur Al Taqwa-Moschee keinerlei Kontakte. „Sie sind zugeknöpft“, sagt der Koordinator des Arbeitskreises Ausländerarbeit in Bayreuth. Was er aus dieser Moschee hört, nennt er „sehr problematisch.“

Halil Tasdelen hat Kontakte zu Gläubigen der Al Taqwa-Moschee. Und der SPD-Stadtrat sagt: „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.“ Ein paar junge Männer, die der Gemeinde angehören, spielen beim ASV Laineck Fußball. Dort ist Tasdelen Vorsitzender. Und er sagt: „Das sind nette, sympathische Jungs. Hilfsbereit und gut integriert.“

Dass sie lange Bärte tragen, sei noch lange kein Grund, sie zu verdächtigen. „Das ist eine Modeerscheinung.“ Ihn stört, was auch Religionswissenschaftler Bochinger kritisiert: „Dass der gesamte Islam und Terrorismus in einem Atemzug genannt werden, ist schlicht und einfach nicht gerechtfertigt.“

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