Amtsgericht findet nicht heraus, warum eine 40-Jährige urplötzlich zwei Männer attackierte Das Rätsel um eine Pfeffersprayerin

Von Manfred Scherer
Foto: dpa-Archiv Foto: red

Um Mitternacht in Bayreuth kann einem alles passieren. Auch, dass zwei fast einsneunzig große Mannsbilder plötzlich und scheinbar grundlos von einer Frau niedergemacht werden. Ein derartiges Geschehen versucht zurzeit Amtsrichter Torsten Meyer aufzuklären. Sein Strafprozess gegen eine mutmaßliche Pfeffersprayerin ist ins Stocken geraten.

 
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Der Wirkstoff aus dem Pfefferspray heißt Capsaicin. Manche lieben es, in Form von scharfen Soßen auf die Pizza. Niedriger konzentriert wirkt es im Essen auf die Mundschleimhäute und ruft ein angenehmes Brennen hervor. Höher dosiert wirkt es im Pfefferspray auif die Augenschleimhäute. Wer es einmal abbekommen hat, der beschreibt die Wirkung als höllisches Brennen - man könnte meinen, dass einem die Augäpfel herausfallen.

Attacke am Weg zum Taxistand

Es war Sonntagnacht, am 12. Februar. Schauplatz war der Baumsaal am Markt. Die zwei Mannsbilder waren am Heimweg, oder besser gesagt auf dem Weg zum Taxistand. Denn der Alkohol ließ das Steuern eines eigenen Autos nicht mehr zu.

Ein Nachtschwärmer geht zu Boden

Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft wurden die zwei Nachtschwärmer plötzlich von einer 40-jährigen Frau angerufen. Sie sollten ja nicht näher kommen. Dann folgte die Attacke. Einer der Männer soll einen Sprühstoß voll ins Gesicht bekommen haben. Die Folge: Er ging zu Boden. Sein Trinkkumpan wurde nicht voll getroffen, aber auch er soll ein Brennen in den Augen gespürt haben. Die Frau, die aus dem Dunkeln angegriffen hatte, soll danach die zwei Männer mit gezückter Spraydose belauert haben. Der eine wand sich am Boden vor Schmerzen, der andere traute sich nicht, seinem Kumpel zu helfen.

Erlösende Augenspülung

Erst Beamte einer Polizeistreife befreiten die Männer aus der Belagerung. Der eine musste ins Krankenhaus. Er dürfte die Augenspülung als Erlösung empfunden haben.

Das Spray gilt als gefährlich

Jemandem mit Pfefferspray in die Augen zu sprühen, kann rechtlich gesehen eine gefährliche Körperverletzung sein, meint die Staatsanwaltschaft. Das Spray wird als Waffe oder gefährliches Werkzeug eingestuft. Die Wirkung des Sprays als körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung. Die Sprayerin wurde angeklagt.

Die Staatsanwältin will Beweisaufnahme

Im Prozess konnte Amtsrichter Meyer nicht den Grund für die Attacke herausfinden. Denn die Sprayerin blieb dem Verfahren fern. Ein Polizist, der als Zeuge geladen war, sagt: "Das hab' ich mir fast gedacht, dass sie nicht kommt." Auch der Vorladung zur polizeilichen Vernehmung sei die Frau nicht gefolgt. Verteidiger Andreas Angerer warf einen Blick auf die zwei Opfer und versuchte eine andere Verfahrenserledigung anzuregen: Angesichts des Erscheinungsbildes der zwei Männer, beide groß und breit, einer mit einem Rauschebart, könne er sich vorstellen, dass seine Mandantin vielleicht schon große Angst gehabt habe. Ob nicht eine Einstellung des Verfahrens oder eine Erledigung über einen Strafbefehl möglich wäre...? Dem trat Staatsanwältin Ramona Eichelsdörfer mit Vehemenz entgegen: "Wir verhandeln hier eine gefährliche Körperverletzung. Ohne Anhörung der Angeklagten und der Zeugen mache ich da nicht mit."

Briefkasten oder doch nicht?

Doch, wo war die Frau? Verteidiger Angerer sagt, er habe seine Mandantin bislang auch nur einmal gesprochen. Telefonanrufe des Amtsrichters auf zwei unterschiedliche Nummern der Angeklagten - sie soll Unternehmensberaterin sein - wurden nur durch Bandansagen beantwortet. Vielleicht hatte die Angeklagte die Ladung zum Prozess nicht bekommen? Mysteriös: der Postbote hatte die Ladung mangels Briefkasten bei der nächsten Poststelle niedergelegt, die Benachrichtigung für diese Niederlegung aber dann in den Briefkasten geworfen.

"Eine seltsame Geschichte", meinte der Richter und stellte in den Raum, dass die Angeklagte psychisch beeinträchtigt sein könne. Die Staatsanwältin empfahl zu recherchieren, ob die Frau sich möglicherweise in einer Therapie befinde.

Das Rätsel bleibt vorerst ungelöst. Das Verfahren wurde ausgesetzt. Wenn die Justiz die Sprayerin gefunden hat, gibt es einen neuen Versuch.

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