Amfortas: "Bin ein positiver Mensch"

Von Wolfgang Karl

So hinfällig wirkt er gar nicht, im Gegenteil: Ryan McKinny wirkt im Interview lockler, entspannt und ziemlich fit. Auf der Bühne ist er Amfortas, ein Gralskönig als Schmerzensmann. Im normalen Leben ist er ein "positiver Mensch", sagt er. Ein Amfortas, dem der Gral von Bayreuth Freude gibt.

 
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Herr McKinny, wie kamen Sie zu Richard Wagner?

Ryan McKinny: Als ich angefangen habe zu studieren, habe ich eine Bayreuther Aufnahme des Parsifal von 1951 gehört. Ich fand dieses Art zu singen so unglaublich, gerade die Partie des Amfortas. Da dachte ich mir: Ja, das muss ich machen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme. Ich habe dann gleich angefangen, den Gesang bei Wagner zu studieren. Das waren sicher zehn Jahre, bis ich die ersten Aufführungen gesungen habe. Ich finde das wichtig: Man sollte etwas gut studieren, bevor man auftritt. Nicht 20 Jahre Mozart singen und dann plötzlich wechseln.

Sie setzen vor allem auf Wagner.

McKinny: Genau. Ich singe auch andere Rollen, aber meine Lieblingsrollen finde ich bei Wagner.

Was fasziniert Sie an diesen Rollen, an den Charakteren?

McKinny: Alles, die Musik, aber besonders die Emotionen, das große Drama. Am Beispiel des Amfortas: Dass er so leidet, dass diese Musik so traurig ist, das empfinde ich als anrührend.

"Der Kern ist das Mitgefühl"

In Europa haben wir ein Bild vom US-Amerikaner als Optimisten. Wie passt da die Faszination für die Leidensfigur Amfortas, dem nurmehr der Tod Erlösung bringen kann?

McKinny: Ja, ich bin ein positiver Mensch. Aber als positiv empfinde ich auch diese Oper. Es geht um Mitgefühl. Hoffentlich bekommen wir das hin, das in unserer Inszenierung auch zu transportieren. Beim "Parsifal" geht es auch um vielerlei Religiöses, aber der Kern, den es rüberzubringen gilt, der ist für mich das Mitgefühl.

Das ist doch auch, was die meisten Religionen verbindet: Das Mitgefühl.

McKinny: Ja, genau. Es ist für mich auch das wichtige Thema in allen Opern von Richard Wagner. Auch beim „Holländer“, zum Beispiel. Gerade habe ich in Berlin die Rolle des Kurwenal gesungen – und auch bei „Tristan und Isolde“ ist das Thema des Mitgefühls wieder da. Es ist auch viel einfacher, in die Rolle zu finden, wenn man Mitgefühl mit dem Charakter hat. Einen eher seichten Charakter zu geben, fällt mir nicht leicht.

"Man macht sich Sorgen"

Weil das Leben oft kompliziert ist?

McKinny: Ja. Ich habe eine Familie mit zwei Kindern. Als Vater macht man sich auch Sorgen um die Welt, um die Zukunft. Mitgefühl mit anderen zu haben, hilft. Man möchte nicht, dass jemand leidet. Das gilt im Kleinen, wie im Großen.

Macht Ihnen  eine Person wie Donald Trump Sorgen?

McKinny: …ja, da kann ich sagen, dass er ein „fool“ (Dummkopf, Anm. der Redaktion) ist. Das ist auch ein wichtiger Punkt: In den USA streiten wir über so viele Themen, aber dabei hört niemand dem anderen zu. Alle schreien rum im Fernseher – dabei sollten sie lieber schweigen und zuhören. Man muss nicht immer die eigene Meinung wichtig nehmen. Auch bei meinen Kindern erlebe ich das: Wenn meine Tochter etwas macht, dass ich nicht gut finde, kann ich ihr sagen. „Tu das nicht.“ Oder ich kann sie fragen, warum sie das getan hat, wie sie sich damit fühlt. Das passiert gerade in der Politik gar nicht.. Da wird befohlen.

"Geben, was ich geben kann"

Womit wir auch wieder beim Parsifal sind…

McKinny: …und dem Thema Dogma, ja.

Die Gesellschaft dieser Gralsritter ist erstarrt in religiösen Dogmen, woran Amfortas letztendlich scheitert…

McKinny: Das ist das Problem mit Amfortas. Er kann die Erstarrung einfach nicht durchbrechen. Als Sänger hilft es, einfach einmal an nichts zu denken, nur zu sein und durchzuatmen. Auf der Bühne muss ich völlig loslassen können. Ich muss versuchen, Amfortas zu sein und dem Publikum zu geben, was ich geben kann.

Dabei ist ein Sänger ja nicht automatisch Schauspieler. Wie sehr bilden Sie sich darstellerisch? Wie finden Sie in Ihre Rolle?

McKinny: Das ist für mich sehr wichtig. Ich muss ja gleichzeitig darstellen und singen. Meine Frau ist Schauspielerin. Sie arbeitet viel mit mir daran, einen Zugang zum Charakter zu finden. Bei Amfortas eben dieser Gedanke des Mitgefühls. Da geht es dann darum, etwas an der Rolle zu finden, dass auch für mich in meinem Leben eine Rolle spielt. Ich kann ja nicht plötzlich zu einer anderen Person werden. Vielmehr muss ich Ryan und Amfortas zusammenbringen.

Wagners Figuren sind psychologisch sehr feinfühlig gestaltet. Macht das die Werke von Richard Wagner besonders interessant für Sie?

McKinny: Das ist für mich das Beste an den Geschichten Wagners. Es gibt keine Rollen bei ihm, die einfach gut, oder böse sind. Dazu diese Bilder in der Musik: Das hat so viele Schattierungen. Das ist einfach schön.

"Hier zu sein ist ein Traum"

Liest man ihre Vita, tauchen Namen auf wie Berlin, Houston oder Buenos Aires. Lauter Metropolen. Wie geht es Ihnen in Bayreuth?

McKinny: Es ist so unglaublich schön, auf dieser Bühne zu singen. Houston ist meine Heimat, aber hier zu sein ist ein Traum für mich. Die Akustik ist wunderschön. Dazu kommt noch, dass ich in einer Oper singe, die Wagner nur für dieses Haus komponiert hat. Einfach unglaublich.

Und die Stadt Bayreuth ist ihnen nicht zu klein?

McKinny: Nein, das finde ich sehr schön. Gerade im Sommer ist es wundervoll, mit meiner Familie in einer kleinen Stadt zu sein, nicht in den großen Städten. Meine Kinder gehen jeden Tag auf den Abenteuerspielplatz. Das haben wir nicht in den USA. Man kann hier die Kinder ohne Sorge allein draußen spielen lassen. In den USA würde man die Polizei rufen, wenn sie dabei die Zeit vergessen. Hier fahren wir viel Rad, zum Beispiel ins Kreuzsteinbad. Das ist wirklich schön.

"So viele nette Leute"

Auch ein entspanntes Arbeiten?

McKinny: Man kennt schon eine Reihe von Kollegen. Zum Beispiel singt Iain Paterson den ersten Wotan im Rheingold. Wir kennen uns schon vom Rheingold in Houston. Oft singen diejenigen, die am Anfang kleinere Rollen singen später die größeren Partien: Eine Brunhilde hat früher vielleicht einmal eine Walküre gesungen. Das ist anders als bei den italienischen Opern. Die Menschen, die Wagner singen, sind ganz nette Leute. Man ist eng miteinander. Das ist sehr schön.

Also tatsächlich kein so harter Konkurrenzkampf, wie man ihn an anderer Stelle in der klassischen Musik hat? Woran liegt das?

McKinny: Nun, es gibt nicht so viele Sänger, die sich auf Wagner spezialisieren. Ich finde, wir sind eigentlich alle Freunde. Als Kurwenal bin ich in Berlin für Iain eingesprungen, weil er Wotan an der Staatsoper gesungen hat. Jetzt singt er hier Kurwenal und ich werde ihn dabei anfeuern. Es ist angenehm, mit so vielen netten Leuten zu arbeiten.

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