Ambulante Betreuung von psychisch Kranken: ein Angebot der Christus-Gemeinde hilft Die Angst vor dem Alltag

Von
Horst Lindner betreut von der Christus-Gemeinde Creußen aus psychisch kranke Menschen ambulant. Foto: Ralf Münch Foto: red

„Was steht an?“, fragt Ergotherapeut Horst Lindner von der Christus-Gemeinde Creußen. Er unterstützt psychisch kranke Menschen ambulant zu Hause. So können sie in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und erhalten doch Unterstützung, um ihren Alltag zu bewältigen, der oft so schwer geworden ist.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Lindner hat keine Patienten, sondern Klienten oder zu Betreuende. So auch die 57-Jährige irgendwo aus dem südlichen Landkreis, bei der er zweimal in der Woche ist. Sie will nicht erkannt werden, hat Angst vor der Reaktion ihrer Familie. „Ich bin mit meinem Alltag nicht mehr zurecht gekommen, hatte Angstzustände, eine akute Krise“, erklärt sie. Das Ganze kam im Erwachsenenalter, nach der Scheidung. Vorher hat sie eine Lehre gemacht, dann sich ausschließlich um die Familie, die Kinder gekümmert. „Es war eine schleichende Entwicklung“, sagt sie. Irgendwann konnte sie nichts mehr machen. „Ich saß nur noch auf dem Sofa“, sagt sie, jedes Wort abwägend. Keiner soll sie erkennen. Eines Nachts sind die Angstzustände zu groß, eine Nachbarin bekommt das mit und holt den Notarzt, sie kommt ins Bezirkskrankenhaus. Dort schlägt man ihr vor, ambulant betreutes Wohnen in Anspruch zu nehmen. Nach kurzer Überlegung und einem ersten Kennenlernen von Lindner willigt sie ein. Sie will in ihrer Wohnung bleiben und alleine ist das derzeit nicht zu schaffen.

Viele nutzen Angebote in größeren Städten

Für ein Jahr erst mal erhält sie von Horst Lindner Unterstützung. „Die Christus-Gemeinde hat sich für dieses Angebot entschieden, weil uns bewusst war, dass es gerade am Land dort eine Versorgungslücke gibt“, sagt der 50-Jährige. Viele Betroffene nutzen deshalb die Angebote in größeren Städten. Früher haben Diakonissen bei der Christus-Gemeinde soziale Arbeit geleistet. Seit sie nicht mehr da sind, klafft dort eine Lücke, die ehrenamtlich kaum zu schließen ist. Also entschloss sich die Gemeinde, hier Hilfe anzubieten. Sehr lange wurde geplant und organisiert, wie das ablaufen könnte.

„Wir versuchen uns zu vernetzen, haben unter anderem Kontakt mit den gesetzlichen Betreuern“, erklärt Lindner. Die Tätigkeiten der gesetzlichen Betreuer unterscheiden sich deutlich von seinen Aufgaben, beugt er einem häufigen Missverständnis vor. „Aber wir ergänzen uns gut“, sagt er.

Kostenträger ist meistens der Bezirk

Für die Gewährung von Hilfen im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) gelten bestimmte Voraussetzungen, unter anderem das Vorliegen einer chronischen psychischen Erkrankung. Kostenträger ist in den meisten Fällen der Bezirk. Dessen Sozialdienst begutachtet die Klienten und deren Lebenssituation und bewilligt einen entsprechenden Betreuungsschlüssel. Drei Stunden wöchentlich sind es bei der Klientin von Lindner zurzeit.

„Meine Aufgabe ist schwierig zu definieren, es kommt auf den Menschen an, der vor mir sitzt“, so Lindner. Oft sind die Menschen einsam, viele kontaktgehemmt. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Begleitung nach außen, nennt er es. Das heißt Begleitung beim Einkauf oder zu Ärzten. Das Zweite ist die Unterstützung bei der Wohnungspflege. Mit seiner Klientin wollte er zum Beispiel gerade noch saugen. „Sie ist gut organisiert, kann noch viel selber“, sagt Lindner. Aber sie braucht eben jemanden, der sie bei manchem begleitet.

Gesprächssituation verändert sich im Laufe der Zeit

Der Ergotherapeut, der seit über 20 Jahren im psychiatrischen Bereich arbeitet, spricht viel mit den Klienten, setzt sich mit deren Krankheit auseinander. Die Gesprächssituation verändere sich aber im Laufe der Zeit, hat er festgestellt – schließlich lernt man sich gegenseitig immer besser kennen. Seine Klientin, bei der er zurzeit ist, hofft, dass er auch nach dem bewilligten Jahr weiter kommt. Es tut ihr gut. Zweimal die Woche – damit kommt sie zurecht. Sie schläft viel, nimmt Beruhigungsmittel. „Ich bin tagsüber so müde, weil ich nachts oft nicht schlafen kann“, sagt sie. Da liest sie dann oder hört CD.

Nimmt Lindner die Sorgen und Nöte, die er bei seiner Arbeit erfährt, mit nach Hause? „Doch, schon“, sagt er, aber irgendein Fließbandjob würde ihn viel mehr belasten. Er hat gelernt, damit umzugehen und sich ein Gegengewicht in der Freizeit geschaffen.

Ein Gegengewicht in der Freizeit

Lindner macht viel Sport und er hat Hochlandrinder hinter dem Haus. Das hilft ihm. Doch jetzt muss er erst mal seine Klientin weiter unterstützen. Sie will noch ihren Haushalt weiter machen.

Info: Optio – eine Initiative der Christus-Gemeinde Creußen, optio.cg-creussen.de, Horst Lindner, 0176/70061701.

Autor