Am Ende droht eine Verwaltungsreform

Von Moritz Kircher
Der Eckersdorfer Verwaltungsleiter Bernhard Brosig erlebt in der täglichen Arbeit und bei Bewerbungsgesprächen allerhand. Foto: Andreas Harbach Foto: red

„Faule Sau“ und „Schlaftablette“ – solch eine anonyme Beschimpfung musste sich der Eckersdorfer Verwaltungsleiter Bernhard Brosig erst kürzlich wieder gefallen lassen. Der Umgangston der Bürger mit ihren Rathausangestellten werde immer ruppiger, sagt er. Irgendwann wolle den Job keiner mehr machen, warnt Brosig. Wenn nicht gegengesteuert werde, müssten irgendwann vielleicht Rathäuser geschlossen werden. Für einen drohenden Fachkräftemangel in der Verwaltung sehen Brosig und Kollegen weitere Gründe – und Lösungswege.

 
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Treffe man ihn zufällig mal am Arbeitsplatz an, räkele sich Brosig auf seinem Schreibtischstuhl, behauptet der anonyme Briefschreiber. Die Schimpftirade gegen den Verwaltungsleiter endet mit den Worten: „Das Sie sich nicht schämen, am Monatsende den Gehaltsscheck anzunehmen.“ (Schreibfehler im Original).

Die Zahl der offenen Stellen steigt

„So etwas bekommen wir immer wieder mal“, sagt Brosig – ein Verwaltungsleiter, der beispielsweise den komplizierten Förderantrag für den Breitbandausbau in der Gemeinde ganz alleine verfasst hat, wo andere für mehrere Tausend Euro Honorar Fachleute hinzuziehen mussten. „Die Bürger können zu Recht von uns verlangen, dass wir unsere Arbeit machen“, sagt er. „Aber die Leute wollen immer mehr und flippen gleich aus, wenn man mal Nein sagen muss.“

In den bayerischen Verwaltungen häufen sich die offenen Stellen. Gesammelt werden sie im „Bayerischen Staatsanzeiger“. Waren es vor ein paar Jahren etwa 30 bis 40 Stellen, die dort auf einmal ausgeschrieben waren, sind es aktuell 142. Will niemand mehr in den öffentlichen Dienst? Und wenn dem so ist, sind pöbelnde Bürger der einzige Grund?

Die Auswahl wird kleiner

Im Weidenberger Rathaus war kürzlich eine Stelle in der Finanzverwaltung zu besetzen. Außerdem hat Verwaltungs- und Ausbildungsleiter Klaus Bauer gerade erst zwei neuen Azubis einen Vertrag gegeben. „Wir haben einen überschaubaren Bewerberkreis gehabt“, sagt er rückblickend.

Die Qualität derjenigen, die die Jobs in Weidenberg nun haben, sei sehr gut. Die Auswahl an geeigneten Bewerbern werde aber seit Jahren kleiner. „Die Luft wird dünner“, sagt Bauer. Deshalb sei man im Rathaus dazu übergegangen, zumindest die Azubi-Stellen langfristig zu planen und mehr junge Leute selbst auszubilden.

Sicherheit, Tarifgehalt und zumeist eine sehr wohnortnahe Tätigkeit

Einen Grund für die sinkende Bewerberzahl sieht Bauer im derzeit allgemein guten Arbeitsmarkt. „Wenn die Wirtschaft boomt, lacht man über den öffentlichen Dienst.“ Er betont allerdings die Vorzüge, die der Arbeitsplatz Rathaus zu bieten habe: Sicherheit, Tarifgehalt und zumeist eine sehr wohnortnahe Tätigkeit.

Michael Benz, Sprecher des Landratsamtes Bayreuth, stellt fest, dass geeignete Bewerber nicht mehr von alleine kommen. Die Behörde sei verstärkt auf Berufswahlveranstaltungen präsent und zeige dort die „Vielseitigkeit der Aufgaben im Landratsamt“. Man wolle damit verbreiteten Vorurteilen bei Schülern entgegenwirken, „dass die Arbeit in einer Verwaltung sehr eintönig und langweilig ist“. Offenbar mit Erfolg. Denn während am Landratsamt die Zahl der Bewerbungen auf offene Stellen kontinuierlich zurückgeht, seien die Bewerberzahlen bei den Ausbildungsplätzen im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht angestiegen.

Bald kommt die Ruhestandswelle

Der Fachkräftemangel ist im Landratsamt „noch kein ernstes Problem“, sagt Michael Benz. In den 1970er Jahren seien aber viele neue Stellen in der Verwaltung geschaffen worden. Benz warnt: „Diese Mitarbeiter treten nun so langsam geballt in den Ruhestand.“ Das könne bei einer alternden Bevölkerung zu einem ernsten Fachkräftemangel führen.

Deshalb verweist Klaus Bauer auf die Bedeutung der Ausbildung: „Wichtig ist, dass Kommunen ausbilden, um den Bedarf für die nächsten Jahre zu decken.“ In etwa zwischen dem Jahr 2000 und heute sei da in den Rathäusern zu wenig geschehen. „Da fehlt eine ganze Generation“, stellt der Verwaltungsleiter fest.

Ohne Rathaus vor Ort keine Bürgernähe

Ist der Fehler also schon gemacht? „Im Moment bin ich noch halb optimistisch“, sagt Bernhard Brosig. Seit Jahren bildet er in Eckersdorf Fachangestellte aus. „Über Bedarf“, wie er betont. Und jeder finde dank der guten Ausbildung eine andere Stelle.

Brosig mahnt an drei Stellen ein Umdenken an: Bei der Bevölkerung, die ihre hohen Ansprüche zurückschrauben müsse. Bei der Politik, die bessere Rahmenbedingungen für die Arbeit in der Verwaltung schaffen müsse. Und bei der Verwaltung selbst, die mehr ausbilden solle. „Wenn niemand mehr da ist, der die Verwaltung macht, dann wird es keine Verwaltung mehr geben“, warnt Brosig. Und dann sei eine Reform die zwingende Folge: ein Rathaus für immer größere Gemeindeverbünde. Und damit ginge zwangsweise weniger Bürgernähe einher.

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