Akustik-Probleme im Land des Lächelns

Von Frank Piontek
Das "Land des Lächelns" und das Gefühlt der Fremdheit in Bayreuth: Andre Nevans hatte seine Probleme in der Stadthalle. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Globalisiserung in der Operette: Franz Lehárs "Land des Lächelns" spielt gekonnt mit dem Reiz des Exotischen - was in den Augen eines Chinesen durchaus auch Wien sein kann. Das Theater Hof gastierte mit dem Operettenklassiker in der Stadthalle. Und fremdelte ein wenig mit dem kühlen Haus und seiner Akustik.

 
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Ohne Richard Tauber hätte Franz Lehár einige seiner größten „Schlager“ niemals geschrieben, und ohne Lehár hätte der große Sänger nicht seine sensationelle Karriere gemacht. Wer heute „Dein ist mein ganzes Herz“ hört, hat meist den unvergleichlich sicheren und warmen wie strahlenden Klang der Tenorstimme Richard Taubers im Ohr. Es stimmt, was Thomas Koebner in „Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters“ schrieb: „Wer Taubers Portamento, flexibles Rubato, lyrische Intensität nicht trifft, verfehlt den Charakter und die Qualität des Werks.“ Des Werks – nicht nur der Partie!

In Hof steht mit Andre Nevans ein Sänger auf der Bühne, den dieselbe oft benachteiligt. Selbst von der zweiten Parkettreihe aus verschwindet die Stimme bisweilen in den an sich von Roland Vieweg gut organisierten Klangmassen des Lehárschen Operettenorchesters, das oft – und bezwingend schön und flackernd – zur Oper tendiert. Statt den Tenor einfach an die Rampe zu stellen, wo er mit seiner vor allem in der Höhe gut ausgebildeten und operettenmäßig sensitiven Stimme die Herzen und vor allem die Ohren der Zuhörer erreichen würde, muss er allzu oft hinten stehen oder zur Seite singen, wo alles verloren geht. Schon an diesen Stellen merkt man, dass die Akustik der Stadthalle nicht durch „preiswerte“ Retuschen verbessert werden kann. Im idealen Hofer Theater klingt der Tenor vermutlich ein wenig anders als in der Stadthalle, in der so Vieles indifferent verpufft. Und doch: wenn die Regie den Sänger der berühmten „Nummern“ nach vorn stellt, ahnt man, was für ein Potenzial noch in ihm steckt.

Die "komische" Geliebte mal anders

Überlegungen über das gute „Konzept“, das die beiden Regisseure Francois de Carpentries und Karine van Hercke dem unkonventionellen Stück angedeihen ließen, werden im Gegensatz zur musikalischen Schicht unwichtig, wo sie an diesem Abend zu denken gibt. Allerdings ist es Debrah Hays, die hörbar von der Oper kommt, zu danken, dass sie als Einspringerin den Abend erst möglich macht. Erstaunlich aber ist einzig Tanja Christine Kuhn. Zwar singt sie die Mi nicht so, wie sie noch 1930 gesungen wurde: gelind karikierend. Mi ist traditionell die „komische“ Geliebte im Quartett der beiden Operettenpaare, die doch auch von Lehár und seinen Librettisten mit einem gehörigen Schuss Tragik ausgestattet wurde. Kuhn ist nicht allein eine großartige Soubrette, auch eine Tragödin, die das Finale der Oper – pardon: der Operette – packend gestaltet. Die Regie denunziert die erotische Zuneigung des „Chinagirls“ und des Wiener Besuchers (Thilo Andersson als Graf Ferdinand von Pottenstein) nicht, sondern nimmt sie herzbewegend ernst.

Es lächelt Mao

Das Regieteam verortet das Werk in seiner Entstehungszeit. Also sehen wir auf einen Prospekt mit Mao-Bildnis, im Stil der chinesischen Propagandakunst. Vor den strahlend in die Zukunft laufenden Volksmassen schwingen vier Rotgardistinnen ihre hübschen Beine. Dem Prinzen wird nicht die Gelbe Jacke, sondern das Rote Buch verliehen, das seine Volksgenossen schon in die Höhe heben. Die historisierende Idee aber funktioniert, weil Lehárs Musik und Dramaturgie dem Politbild nicht grundsätzlich widerspricht. Es ist ja schon schön, dass die zahlreichen asiatischen Sänger des Chors endlich einmal in „authentischen“ Kostümen auftreten dürfen. Der ästhetische Reiz ist vorhanden, das Orchester klingt prachtvoll - nur die vielschichtigen Charaktere von Sou-Chong und seiner europäischen Frau leiden unter Defiziten, für die sie nur teilweise verantwortlich sind.

Manchmal ist Operette eben nur eine Frage des richtigen Standpunkts.