Abschied nach 40 Jahren als Landarzt: Dr. Alexander Zimmermann geht nach Graz – Ein Bild für die Stadt Creußen: Landarzt verabschiedet sich

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Dr. Alexander Zimmermann, ehemaliger Landarzt in Creußen, verlässt nach fast 40 Jahren die Stadt und schenkt ihr zum Abschied ein Bild mit kuriosem Hintergrund. Foto: Frauke Engelbrecht Foto: red

Nach fast 40 Jahren ist der Lebensabschnitt für Dr. Alexander Zimmermann in Creußen zu Ende. Er kennt viele Bürger der Stadt ganz genau, denn er war ihr Hausarzt. Bis 2014 hat er praktiziert. Nun zieht es ihn in die Heimat seiner Lebensgefährtin, nach Graz in der Steiermark, wo er einst selber Abitur – Matura – machte. Zum Abschied übergibt er Creußen ein Bild, das hier bleiben muss, sagt er.

 
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Zimmermann kann viel erzählen. Geboren wurde er in Tübingen, am längsten zur Schule ging er aber in Graz, hier war sein Vater Opernsänger. Der 72-Jährige wollte immer etwas Naturwissenschaftliches machen, eigentlich Physik studieren. In seiner Bundeswehrzeit entschied er sich dann aber für Medizin. Das Studium machte er in Erlangen, war kurz auch in Montpellier dazu. 1971 schloss er mit dem medizinischen Staatsexamen ab. Es folgten einige Jahre klinische Ausbildung in Nürnberg, er war in der Pathologie und der Chirurgie. Sein Chef ermöglichte es ihm damals, eine völlig neue diagnostische Methode im Raum Nürnberg einzuführen, nämlich die Ultraschalluntersuchung. Heute eine Standarduntersuchung. „Eigentlich sollte ich habilitieren“, sagt Zimmermann. Aber es kam anders.

Zeitdruck in der Klinik

Dr. Einhard Weber, ebenfalls ehemals Arzt in Creußen und vorher Kollege an der Nürnberger Klinik, machte ihn auf den Standort am Roten Main aufmerksam. Ein Unglücksfall führte schließlich dazu, dass Zimmermann nach Creußen kam. Der Betreiber der am meisten besuchten Allgemeinarztpraxis, Dr. Günther Schmidt, war bei einem Autounfall auf der Fahrt zu einem Patienten ums Leben gekommen. Ein Interessent für die Praxisübernahme fand sich lange nicht. Zimmermann wollte durch den großen Zeitdruck in der Klinik endlich was anderes machen. Das Angebot, die Praxis von Schmidt zu übernehmen war akzeptabel für ihn und so begann am 1. Juli 1977 seine Karriere als Landarzt.

Von der Sprechstundenhilfe getrennt

Zimmermann lacht, als er sich erinnert. „Wir hatten 2000 bis 2500 Patienten im Quartal“, sagt er. Und er wurde von der damaligen Sprechstundenhilfe mit einem Stapel Rezepte empfangen. Die hatte sie einfach mal so ausgefüllt mit den Medikamenten, die sie für geeignet hielt. „Die sollte ich unterschreiben“, sagt Zimmermann. Hat er natürlich nicht. Er wollte alle Patienten erst mal selber sehen. Von der Sprechstundenhilfe hat er sich dann getrennt, sie passten nicht zusammen. Und auch die Patienten musste er umerziehen. „Die sind gekommen wie sie wollten“, sagt er. Mittwochnachmittag, wenn er von Hausbesuchen zurückkam, waren sie da, obwohl überhaupt keine Sprechstunde war. „Oft haben auch welche nachts wegen irgendwelchem Blödsinn angerufen“, erzählt er weiter. Da war die Frau, die ihm erzählte, sie könne nicht schlafen, ob sie ihm helfen könne. Er hat ihr dann empfohlen mal auf den Sophienberg zu laufen. Und auch sonst hat er manches erlebt. Da waren die Sportler, die ein Rezept für griechisch-römische Bäder von ihm haben wollten. „Die wollten auf Krankenkassenkosten in die Sauna“, sagt Zimmermann lachend. Solche Sachen hat er abgeschafft.

Er will das Haus verkaufen

Zimmermann hatte immer gut zu tun, kam mit den Leuten aber gut zurecht. Er hatte eine enge Beziehung zu den Patienten. „Das war kein Zufall mit dem Landarzt, ich würde es jederzeit wiedermachen“, ist er sich sicher. Privat musste er einiges durchmachen, bei einem seiner Söhne wurde ein Nierentumor festgestellt. Aber er wurde wieder gesund. Irgendwann ging seine Ehe in die Brüche, aber jetzt lebt er seit zehn Jahren mit Hermine Wippel zusammen. Sie stammt aus Graz und dahin zieht es beide nun zurück. 2014 hat Zimmermann seine Praxis an Edina Kraus übergeben. Er hat aber noch seine Wohnung in dem Haus. Das will er jetzt verkaufen.

Wie kam es nun zu dem Bild? Nach dem Prager Frühling 1968 waren viele Tschechen in den Westen geflüchtet. Einer von ihnen war Jiri Vacek, den Zimmermann in den 80er Jahren in Creußen kennenlernte. „Das war ein charmanter Sunnyboy“, erzählt Zimmermann. Er war vor allem bei den Damen des Ortes beliebt und bekannt. Und Vacek hatte viele Geschäftsideen, zu denen er Geld brauchte. Auch bei Zimmermann fragte er mehrfach an. Einmal hatte Vacek ein Bild dabei, das Zimmermann gefiel. Er nahm es in Obhut, lieh dem Tschechen dafür 15 000 Mark. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ging Vacek in seine Heimat zurück und die beiden hatten keinen Kontakt mehr. Nun will Zimmermann das Bild der Stadt Creußen schenken, weil er findet, dass es in einem hohen Raum im Rathaus besser hinpasst. „Außerdem repräsentiert es ein kleines Stück Stadtgeschichte“, sagt er. Auch die Quittungen überlässt er der Stadt. Was die jetzt damit macht, ist ihre Sache. Für Zimmermann und seine Partnerin beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt in Graz.

Ein Platz im Rathaus

Das Bild soll auf jeden Fall im Verwaltungsgebäude einen Platz bekommen, sagt Bürgermeister Martin Dannhäußer. Die Stadt hat inzwischen auch Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass das Werk von dem tschechischen Maler Zdenek Heger stammt, der vor zwei Jahren in Prag gestorben ist. Heger gründete 1994 die Galerie „Wege zum Glück“, außerdem hatte er zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in der Tschechischen Republik und im Ausland.

Keine Erinnerung

"Ich kann mich an kein Bild erinnern“, sagt Jiri Vacek am Telefon. Der 70-Jährige hat mehrere Operationen hinter sich, lag ein Jahr im künstlichen Koma, erzählt er. Da hat er viel vergessen. Und auch jetzt sind seine gesundheitlichen Aussichten nicht rosig. Ein halbes bis Dreivierteljahr haben ihm die Ärzte noch gegeben. An Creußen selber kann Vacek sich noch erinnern, war vor zwei Jahren das letzte Mal da, hat Kontakt zu Schreiner Heinz Biersack. „Aber ein Bild? Nein, da weiß ich nichts von“, wiederholt er.

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