Abkochen bald unnötig Juragruppe: Schonender Kampf gegen die Keime

In dieser Anlage am Standort der Juragruppe am Dianafelsen in Pegnitz wird das Desinfektionsmittel produziert. Werkleiter Hans Hümmer (links) und seine Mannschaft erhielten hohes Lob von den Trinkwasserexperten Burkhard Bittner (Dritter von links) und Volker Fischer (hinten, Mitte) für ihr Krisenmanagement. Foto: Stefan Brand

Die Keimlage im Verbreitungsgebiet der Juragruppe entschärft sich weiter. Möglich macht dies eine neue und zugleich schonende Form der Desinfektion.

 
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Läuft alles nach Plan, hat sich ab Montag auch die Abkochanordnung für Pegnitz, Pottenstein und Hummeltal erledigt, sagte Werkleiter Hans Hümmer am Donnerstag im Gespräch mit dieser Zeitung. Für den nördlichen Bereich um Hollfeld, Plankenfels und Waischenfeld war sie bereits am Mittwoch aufgehoben worden.

Kaum Schlaf für den Werkleiter

Hümmer, der seit Entdeckung des Pseudomonadenkeims am Montag nur ein paar Stunden Schlaf gefunden hat, schaltete sofort den Experten schlechthin aus seiner Sicht in Bayern ein: Burkhard Bittner vom Ingenieurbüro PfK Ansbach GmbH. Der Ingenieur und Chemiker ist ein erfahrener Mann, wenn es um große Schadens- und Störfälle im Trinkwassernetz geht. Gerade im Raum Augsburg war er schon öfters im Einsatz,“ da kommt das häufiger vor“, sagt er.

Es musste schnell gehen

Schnelles Handeln war angesagt, vor allem mit Blick auf die elf Brauereien, die im Versorgungsareal der Juragruppe beheimatet sind. Denn in der Regel werden Keime mit Chlor bekämpft, „und gerade die kleineren Brauer haben keine Entchlorungsanlage“, so Hümmer. Bittner nutzte sein Netzwerk, das weit über Bayern hinausreicht. Und so kam die Firma Innowatech aus Empfingen in Baden-Württemberg ins Spiel.

Beste Erfahrungen mit innovativer Methode

Sie hat beste Erfahrungen mit einer von ihr entwickelten Technik gemacht, die in jeder Hinsicht „schonend mit dem Wasser umgeht“, sagt Bittner. Das innovatives Desinfektionsverfahren setzt aktives Chlor ohne – Bittner: Wie sonst üblich“ – auffällige Nebenwirkungen frei und erlaubt damit zum Beispiel ein Spülen von Flaschen in der Brauereiindustrie genauso wie eine unbegrenzte Verträglichkeit mit Melkautomaten in der Landwirtschaft. Und, ergänzt Innowatech-Geschäftsführer Volker Fischer bei einem Ortstermin bei der Juragruppe in Pegnitz: „Auch werden die sonst präsenten Gerüche, die vor allem als gebundenes Chlor gerade beim Duschen verstärkt wahrnehmbar sind, sehr stark vermindert.“ Eine gute Nachricht also auch für Chlorallergiker und besonders sensible Menschen, fügt Burkhard Bittner hinzu.

Aufbau ab halb sechs Uhr morgens

Positiv für die Juragruppe: Das Unternehmen hatte eine hatte eine Anlage frei, die Hümmer „sofort orderte“ und nach Pegnitz transportieren ließ. Am Donnerstag um 22 Uhr traf sie ein, um halb sechs Uhr morgens startete gestern der Aufbau. Vom Hochbehälter in Adlitz aus wird die auf Wasser und Salz basierende Desinfektion über das Netz verteilt. Und das wohl bis ins neue Jahr hinein, sagt Trinkwasserfachmann Bittner: „Bis Montag sollte die Chlorung stehen, das Gesundheitsamt hat zugestimmt. Wir werden dann zur Nachsorge bis nach Silvester das Mittel mit verringerter Dosis im Netz behalten.“ Um sicher zu sein, dass keine erneute Aufkeimung erfolgt.

Es kann jeden treffen

Bittner sagt auch: „Das kann wirklich jeden treffen, es gibt keine 100-prozentige Sicherheit bei den technischen Anlagen.“ Denn hier liegt nach aktuellem Erkenntnisstand die Ursache für das Keimproblem – und zwar im Tiefbrunnen Bronn. Die Juragruppe erfülle alle Vorgaben der Trinkwasserversorgung, ergänzt Bittner mit Nachdruck: „Das findet man so ganz selten, auch bei der Organisation, den Alarmplänen, der Ausstattung und den vorhandenen Strukturen ist die Juragruppe ein Ausnahmefall.“ Entscheidend sei dabei auch der „ Geist des Personals“. Alle Mitarbeiter hätten sofort auf Urlaub und Freizeit verzichtet, um rund um die Uhr bei der Problemlösung mitzuwirken. So sei es letztlich ein „echtes Glück“, dass die Juragruppe und nicht ein anderer Wasserversorger betroffen war.

Nördliches Gebiet komplett verschont

Nur so habe die Schadensquelle rasch eingegrenzt werden können, nur so war es möglich, „dass der nördliche Teil komplett verschont blieb“. Und, klar, auch die enormen Wasservorkommen der Juragruppe, spielten eine Rolle: „So konnte man den Brunnen Bronn vom Netz nehmen und die Leistung der beiden anderen Brunnen erhöhen.

Parallel arbeitet die Juragruppe mit Hochdruck an der Ermittlung der Schadensursache am Tiefbrunnen bei Bronn. Auffällig ist, sagt Hans Hümmer, dass der Brunnen ausgerechnet nach einem Wechsel der Brunnenpumpe die Verkeimung entwickelt hat. Ein technischer Defekt an einem Bauteil komme hier genauso in Betracht wie ein Fehler beim Einbau des komplizierten technischen Systems. Der Wasserversorger habe daher „ zur schonungslosen Aufklärung“ ein Bayreuther Fachbüro für Brunnenbau und Hydrogeologie hinzugezogen, „um eine neutrale Ermittlung der Schadensursache gewährleisten zu können“.

Lehren für gesetzliche Vorgaben ziehen

Nach Einschätzung des Gesundheitsamtes in Bayreuth, das dem Versorger „einen gekonnten Umgang mit dem Störfall bescheinigt“, werde der Fall wohl auch neue Erkenntnisse für die bayerische Wasserwirtschaft mit sich bringen. Das bestätigt auch Burkhard Bittner: „Wir werden im neuen Jahr den Tiefbrunnen genauer untersuchen, um daraus zu lernen.“ Die Ergebnisse dürften sich auch auf die landes- und bundesweite Gesetzgebung in Sachen Trinkwasserverordnung auswirken. Gehe es doch um einen Keim, der nach den Vorgaben bisher nicht untersucht werden muss: „Da haben wir hier im Krisenstab schon den Kopf geschüttelt.“

Andere nehmen Nachteile „stillschweigend in Kauf“

Auch das neue Analytverfahren, das jetzt bei der Juragruppe zum Einsatz kommt, dürfte mehr in den Mittelpunkt rücken. Gerade mit Blick auf die „häufigen Störfälle in Bayerisch-Schwaben.“ Würden doch die Nachteile der klassischen Chlorbleichlauge beim Desinfizieren „stillschweigend in Kauf genommen“.

Lob der Experten für Juragruppen-Team

Noch einmal Lob von Bittner für die Juragruppe: Deren hohe Netzerneuerungsrate verringere beim Spülen der Leitungen drastisch die Gefahr von Rohrbrüche,. Das ist keine Schmeichelei, das sind Fakten.“ Und so könnte am Dreikönigstag alles wieder normal laufen, „andere haben so ein Problem nach zwei Jahren noch nicht im Griff“.

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