Das kriegt der Sänger mit der Musical-geschulten Stimme natürlich hin. Spätestens bei "Alles kann besser werden" ist das Eis gebrochen. Auch bei "Was wir allein nicht schaffen, das schaffen wir zusammen" ist der individuelle Mitsingfaktor hoch, wenngleich die Menge nicht wirklich zum Kanonsingen aufgelegt scheint. Naidoo kommt sympathisch rüber, macht den Bayreuthern Komplimente über ihre Stadt, in der er nun zum zweiten Mal auftrete. Er ist ein souveräner Entertainer, der mit fränkischem Einschlag ("Etzt wird's romandisch") den Song "Sie sieht mich einfach nicht" ankündigt. Für den Song "Danke" kommt Rapper Nico Suave mit auf die Bühne.
Nicht alles echter Soul
Dass er sich stilistisch auf musikalischer Ebene nicht weiterentwickelt, kann man Naidoo also wirklich nicht nachsagen. Von Reggae bis Dub Step reichen die verschiedensten musikalischen Einflüsse, aus denen der Künstler immer wieder Neues bastelt. Über sich selbst sagt er, was er mache sei "zwischen Volksmusik und R'n'B" angesiedelt, nicht alles sei "echter Soul". Trotzdem beherrscht Naidoo die Klaviatur der gefühlvollen, nachdenklichen, einprägsamen Songs wie kein anderer. Selbst wenn manches ins Gefühlige, Schwülstige abzutriften droht - in den allermeisten Fällen lässt man sich einfach gerne auf diese weichgespülte Grundstimmung ein. "Bitte hör' nicht auf zu träumen, von einer besseren Welt", ist so ein Lied, das man einfach nur schön finden will. Oder das vor Pathos nur so triefende "Bei meiner Seele". Und in dem Reigen von Naidoos erfolgreichsten Liedern fehlte selbstverständlich auch nicht "Dieser Weg", der Song, den Michael Mittermeier als "Wanderlied" verspottete.
Fünf Zugaben
Die allmählich aufgetauten Zusschauer forderten nach eineinhalb Stunden doch noch fünf Zugaben ein. Tanzten mit, hoben Leuchtstäbe in den Himmel und filmten und fotografierten mit ihren Smartphones um die Wette. Noch zwei Cover-Versionen von Andreas Gabalier und Christina Stürmer ließ Xavier Naidoo am Ende erklingen. Das vorletzte Lied war eines über sich selbst, warum er "betöre und zugleich verstöre".
Egal, wen der Kurier am Schluss befragte, ob Mädchen, Frauen, jüngere oder mittelalte Paare, ob aus Bayreuth, Erbendorf oder Altenkunstadt: Allen hat das Konzert sehr gut gefallen, die fantastische Stimme des Sängers gehe unter die Haut, seine Lieder berührten, ein tolles Live-Erlebnis eben, so der Tenor. Nur wenige hatten etwas zu mäkeln: der Klang vor der Bühne sei etwas übersteuert gewesen. Und leider habe "Wenn ein Lied meine Lippen verlässt" gefehlt.
Ja, warum verstört Xavier Naidoo? Weil er so herzzerreißende Liebeslieder singt und sich doch nicht allein auf die christlich, humane Botschaft in seinen Liedern reduzieren lässt. Weil er, selbst ein Mann mit südafrikanischen Wurzeln, Vorfahren in Indien und Irland, so sehr deutsch sein will, dass er sich jüngst mit seinem Antiamerikanismus in die Nähe von Rechtspopulisten begab. Und genau das alles ist einfach nicht unter einen Hut zu bringen.
Hier geht es zu einer Fotogalerie vom Konzert.
Und hier gibt es ein Video:
Mehr dazu:
Drei Stunden warten auf Xavier Naidoo
Welcher Aufwand hinter der Großveranstaltung in Bayreuth steckt
So kompliziert ist ein Interview mit Xavier Naidoo
Kommentar: Absurde Star-Allüren